Starkregen, Temperaturanstieg und Wetterextreme begünstigen im Alpenraum gravitative Massenbewegungen wie Felsstürze, Gesteinslawinen oder Geröllabgänge. Entsprechend steigt die Gefährdungslage für Siedlungsbereiche und Infrastruktureinrichtungen in deren Auslaufbereichen. Am Arbeitsbereich für Geotechnik und Naturgefahren der Universität Innsbruck beschäftigt man sich unter anderem mit der Frage, wie man Schutzbauten so errichtet, dass sie maximale Sicherheit bieten und wie bestehende Konstruktionen entsprechend saniert werden können – eine Herausforderung, die nicht zu unterschätzen ist, denn jeder Felssturz ist anders und empirische Studien gibt es kaum. „Wir untersuchen die Einwirkungen auf Schutzdämme unterschiedlicher Bauweisen sowie die Reichweite und Ablagerungsformen der Gesteinslawine nach dem Aufprall auf das Schutzbauwerk“, erklärt Univ.-Prof. Robert Hofmann, Leiter des Arbeitsbereiches. Im Mittelpunkt des Interesses stehen die bei Felsstürzen auftretenden Energien, die durch Labor-Experimente und Simulationen sowie durch die Kombination beider Methoden erforscht werden.
200 Modellexperimente
Das Team um Univ.-Prof. Robert Hofmann und Dr. Simon Berger hat in den vergangenen Jahren anhand von rund 200 Modellexperimenten verschiedene Fragen zu Fließ- und Anpralleigenschaften untersucht und aus den Messergebnissen Formeln abgeleitet. Kalibrierte Simulationen nach der Diskrete-Elemente-Methode (DEM) dienen dann einerseits dazu, die gewonnenen Daten und Zusammenhänge auf Plausibilität zu überprüfen. Andererseits wurden so Einflussparameter analysiert, Sensitivitäten abgeleitet und die Erkenntnisse auf andere Szenarien skaliert. Unterstützt wurden die Wissenschaftler vom Unternehmen CADFEM, das die entsprechende Simulationssoftware im deutschsprachigen Raum vertreibt, Anwender:innen entsprechend schult und bei Berechnungen unterstützt.
Realitätscheck
Wie gut ein Modell funktioniert, kann durch Nachrechnen vergangener Ereignisse festgestellt werden. Dies erfolgte unter anderem an dem massiven Felssturz, der sich am Heiligen Abend 2017 in der Nähe der Gemeinde Vals in Tirol ereignete und bei dem glücklicherweise niemand zu Schaden kam. Er überschüttete mit seiner Masse von mehreren 10.000 Tonnen die Landstraße nach Vals, so dass die 130 Dorfbewohner zwei Tage lang von der Außenwelt abgeschnitten waren. Das von den Innsbrucker Wissenschaftlern entwickelte Verfahren aus Versuchen und den DEM-Simulationen weist im betrachteten Fall belastbare Ergebnisse auf und ist ein großer Schritt, um gefährdete Lagen künftig durch die die Errichtung geeigneter Schutzbauwerke abzusichern.
Publikation: Impacts on Embankments, Rigid and Flexible Barriers Against Rockslides: Model Experiments vs. DEM Simulations. Simon Matthias Berger, Robert Hofmann & Alexander Preh. Rock Mechanics and Rock Engineering 2024. DOI: https://doi.org/10.1007/s00603-023-03721-5
