Die Schilderungen Leokadia Justmans sind das erste literarische Zeugnis einer Holocaust-Überlebenden in Tirol und zugleich ein eindrucksvolles Beispiel für Freundschaft und Überlebenswillen während des Nationalsozialismus. Als Jugendliche konnte sie mit ihrem Vater aus dem Warschauer Ghetto fliehen und gelangte bis nach Tirol. Dort lebten die beiden unter falschen Identitäten, bis sie an die Gestapo verraten wurden. Nach der Ermordung ihres Vaters im Lager Reichenau entkam Leokadia mit ihrer Freundin Marysia aus der Haft und versteckte sich in Innsbruck. Der Tiroler Illustrator Alwin Hecher hat diese bewegende Geschichte nun in Bilder gefasst und als Graphic Novel nacherzählt. Am Donnerstag wurde „Lodzia und Marysia“ – so der Titel des Werks – erstmals der Öffentlichkeit präsentiert.
Comicroman bereichert Ausstellung im Landhaus
Der 90-seitige Comicroman entstand im Rahmen eines Projekts an der Universität Innsbruck und wurde wissenschaftlich begleitet. Ein interdisziplinäres Team unter Leitung von Dominik Markl und Niko Hofinger widmet sich der Erforschung und Herausgabe der Schriften Justmans. Mit der bildhaften Aufarbeitung von Justmans Erlebnissen bereichert Illustrator Alwin Hecher nicht nur das wissenschaftliche Projekt, er liefert auch wertvolles Anschauungsmaterial für die Sonderausstellung „Leokadia Justman. Brechen wir aus! Als polnische Jüdin auf der Flucht in Tirol“, die derzeit im Landhaus zu sehen ist.
„Durch die Überführung in das Format eines Comicromans erschließt er historische Inhalte auf neue Weise – und damit gelingt es ihm, insbesondere auch jüngere Leserinnen und Leser anzusprechen“, beschreiben die beiden Ausstellungskuratoren Niko Hofinger und Dominik Markl die jüngste Publikation. Ähnliches betont auch Landeshauptmann und Kulturreferent Anton Mattle: „Gerade für junge Menschen ist die Erzählform des Comicromans besonders geeignet, um Geschichte erlebbar zu machen. Wir müssen alle Möglichkeiten nutzen, um Erinnerungskultur für alle zugänglich und verständlich zu machen.“

V. l.: Kurator Niko Hofinger, Illustrator Alwin Hecher, die Schweizer Regisseurin und Philosophin Katharina Wyss und Kurator Dominik Markl
V. l.: Kurator Niko Hofinger, Illustrator Alwin Hecher, die Schweizer Regisseurin und Philosophin Katharina Wyss und Kurator Dominik Markl
Die Ausstellung
Die Ausstellung „Leokadia Justman. Brechen wir aus! Als polnische Jüdin auf der Flucht in Tirol“ kann noch bis 26. Oktober 2025 (Montag bis Freitag von 9 bis 17 Uhr) im Landhaus 1 besichtigt werden. Es handelt sich dabei um eine ergänzende Sonderpräsentation zur Rahmenausstellung „Vom Gauhaus zum Landhaus. Ein Tiroler NS-Bau und seine Geschichte“.
Es finden auch kostenlose Führungen statt: Die nächste Führung mit Kurator Niko Hofinger ist in einer Woche, am 18. April 2025 um 16 Uhr – Treffpunkt ist das Foyer im Landhaus 1 in Innsbruck.
Unter tirol.gv.at/erinnern sind Informationen zur Leokadia-Ausstellung sowie den zahlreichen Begleitveranstaltungen im Rahmen des Gedenkjahres „80 Jahre Ende Zweiter Weltkrieg“ abrufbar.
Inspiration für das Fastentuch in der Jesuitenkirche
Justmans Lebensgeschichte diente auch als Inspiration für ein Fastentuch, das ebenfalls von Illustrator Alwin Hecher gestaltet wurde. Die Motive im Graphic-Novel-Stil setzen sich mit den Werken der Barmherzigkeit auseinander. „Es geht mir um universelle Werte, die alle Menschen teilen können", so Hecher. „In den Werken der Barmherzigkeit wie Bedrohte beschützen, Gefangene besuchen, Verzweifelte stärken, Verfolgte aufnehmen oder Verstorbene begraben, kommen sie eindrucksvoll zum Ausdruck.“
Veranstaltungstipp: Eine Reflexion zu diesen Werten mit Texten und Musik – unter anderem einer Lesung aus Leokadia Justmans Biografie – findet am 14.04.2025 um 20:00 in der Jesuitenkirche statt.
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Beitrag über Leokadia Justman und das Forschungsprojekt an der Universität Innsbruck.
Beitrag zur Ausstellungseröffnung im Tiroler Landhaus.