Eine Person hält einen Vortrag

Ana Paula Hey über die Eliten in Brasilien.

Gast­vor­trag: Eli­ten in Bra­si­lien

Acht Männer besitzen so viel wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung insgesamt. Wie sieht dies in Brasilien aus? LFUI-Gastprofessorin Ana Paula Hey analysierte in einem öffentlichen Vortrag am 28.05.2025 die soziale Zusammensetzung der ökonomischen Elite des Landes.

Wie lässt sich soziale Ungleichheit in einem Land wie Brasilien beschreiben, das nach außen oft in reduktionistischer Weise als Land des Fußballs, des Karnevals oder eines schillernden Präsidenten wahrgenommen wird? Einen differenzierten Blick auf diese Frage warf die brasilianische Sozialwissenschaftlerin Ana Paula Hey, die im Mai und Juni als Gastprofessorin am Forschungszentrum Social Theory tätig ist. Professorin Hey wirkt zudem als Mitbetreuerin einer Cotutelle-Promotion am Ausbau des Austausches zwischen der Universität São Paulo und der Universität Innsbruck mit.

Inspirierende Denkanstöße

In ihrem Vortrag analysierte sie die ökonomische Elite Brasiliens – eine Gruppe, die sich als vorwiegend männlich, weiß und mit überdurchschnittlich vielen Abschlüssen von privaten und internationalen Hochschulen charakterisieren lässt. Besonders augenfällig ist dabei die Konzentration des Vermögens: Das reichste 0,01% der Bevölkerung besitzt rund 27% der finanziellen Vermögenswerte des Landes, während die untere Hälfte alle zusammen mit 2% auskommen muss.

Das monatliche Einkommen verdeutlicht diese Schieflage weiter: Während die obersten 5% der brasilianischen Bevölkerung durchschnittlich 5.305 Euro pro Monat zur Verfügung steht, lebt der Großteil der Menschen von rund 95% von lediglich 401 Euro im Monat.

Heys Vortrag bettete diese wirtschaftliche Ungleichheit in einen breiteren historischen Kontext ein. Die gegenwärtigen sozialen Spaltungen in Brasilien wurzeln tief in den kolonialen Verhältnissen, deren Nachwirkungen noch immer prägend sind. Zugleich, so Hey, zeigt sich eine wachsende Distanz der Elite zu den Lebensrealitäten der Mehrheit. Sie agiere zunehmend entkoppelt von sozialen Bedürfnissen und die Politik neige dazu, Interessen der dominanten Sektoren zu bevorzugen, anstatt sich denjenigen zuzuwenden, die auf staatliche Unterstützung am dringendsten angewiesen wären.

Abschließend formulierte Ana Paula Hey eine ernüchternde Diagnose: Die gegenwärtige Entwicklung in Brasilien lasse den Eindruck entstehen, dass zentrale Errungenschaften der Moderne wie die Gleichheit an Recht und Bildung zunehmend entwertet oder rückgängig gemacht werden. So schreite die Geschichte, bildlich gesprochen, nicht voran, sondern zurück.

(Frank Welz)

    Nach oben scrollen