Das Bild zeigt eine Kurssituation in einem Seminarraum. Im Vordergrund unterhalten sich drei Personen, ihr Blick ist dabei auf aufgeschlagene Bestimmungsbücher gerichtet.

Einmal im Jahr können Freiweilige an Bestimmungskursen teilnehmen und ihr Wissen vertiefen.

Eins, zwei, drei ... viele Fal­ter!?

Freiwillige in ganz Österreich beteiligen sich an systematischen Schmetterlingserhebungen und tragen so zu einem langfristigen Forschungsprojekt bei: Ziel von Viel-Falter ist es, Daten für ein weitreichendes Insekten-Monitoring zu gewinnen und zu zeigen, wie es um die Biodiversität im Land steht.

Schmetterlinge kennt jedes Kind, aber nur die wenigsten Kinder in Österreich haben tatsächlich die Chance, am Schulweg welche zu beobachten: Aufgrund von Landnutzungsveränderungen, dem Einsatz von Herbiziden und Pestiziden sowie intensiver Landwirtschaft verschwinden Schmetterlinge insbesondere in und rund um Siedlungsgebiete zunehmend. „Schmetterlinge sind nicht nur wunderschön, sondern auch wichtige Bioindikatoren, sie reagieren empfindlich auf veränderte Umweltbedingungen. Wenn es weniger Schmetterlinge gibt, sind auch andere Insektenarten und damit weitere wichtige Bestäuber und natürliche Schädlingsbekämpfer betroffen“, erklärt Dr. Johannes Rüdisser vom Institut für Ökologie. Er leitet das richtungsweisende Citizen-Science-Projekts Viel-Falter, in dem Freiwillige gemeinsam mit Wissenschaftler:innen die Entwicklung der Tagfalter-Bestände in Österreich überwachen.

Österreich ist aufgrund der vielfältigen Lebensräume mit 4.095 Schmetterlingsarten – davon 210 Tagfalter – besonders artenreich. Viele dieser Arten sind allerdings gefährdet und früher häufige werden immer seltener. So haben die Auswertungen aus dem Viel-Falter-Projekt aus den Jahren 2023 und 2024 gezeigt, dass die am weitesten verbreiteten und mit relativ vielen Individuen beobachteten Tagfalterarten das Große Ochsenauge, der Hauhechelbläuling und das Kleine Wiesenvögelchen sind. Von den 108 der seit 2023 nachgewiesenen Arten kommen jedoch 61 Arten an nur 5 oder weniger Standorten vor. Zählt man hier noch die 102 nicht beobachteten Arten hinzu, so waren 78 Prozent der heimischen Tagfalterarten an weniger als 5 Prozent der Untersuchungsstandorte zu finden. „Wir können also zusammengefasst davon ausgehen, dass von gut drei Viertel aller Tagfalter-Arten nur mehr sehr wenige Individuen in wenigen Gebieten vorhanden sind“, weist Rüdisser auf die Situation hin, betont aber zugleich, dass langfristige Beobachtungen notwendig sind, um sichere Aussagen über die Populationsentwicklungen zu treffen.

„Wir beobachten, dass gut drei Viertel aller Tagfalter-Arten nur mehr selten anzutreffen sind.“

Im Projekt Viel-Falter tragen freiwillige Helfer:innen aus der Bevölkerung zur Arbeit der Forscher:innen bei, indem sie an einem von 480 ausgewählten Standorten in ganz Österreich mittels einer standardisierten Erhebungsmethode Schmetterlinge zählen. Die Daten, die sie dabei sammeln, bilden gemeinsam mit den wissenschaftlichen Erhebungen durch Expert:innen eine Grundlage für weitere Forschungsvorhaben, aber auch eine Entscheidungsbasis, um Schutzmaßnahmen zu setzen – so die Idee dahinter. Was auf den ersten Blick vielleicht einfach, geradezu praktikabel klingen mag, hat viele Jahre an Vorarbeit und Methoden-Entwicklung erfordert, wie Johannes Rüdisser erklärt. Er war von Anfang beteiligt und hat das Monitoring konzipiert. „Begonnen hat alles vor zwölf Jahren als Sparkling Science Projekt“, berichtet der Ökologe. „Hier wurden die Grundsteine für das Laien-Erhebungssystem gelegt.“ 2018 startete das systematische Monitoring in Tirol mit 100 Standorten, seit 2023 wird Viel-Falter bundesweit mit vielen Partnern umgesetzt und im Rahmen des Biodiversitätsfonds vom Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie und den Ländern Tirol, Vorarlberg und Salzburg finanziert.

Nicht nur die Daten, sondern auch die Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung sieht Johannes Rüdisser als wichtigen Erfolg. „Wir haben einige sehr motivierte Freiwillige, die Multiplikatoren für das Projekt und damit für das wichtige Thema Biodiversität sind. Manche Hobby-Forscher:innen sind seit Jahren mit Begeisterung dabei, eine schon seit 2019“, erzählt er.
Ein Rückblick auf das vergangene Jahr zeigt, dass bei Viel-Falter auch 2024 viel weitergegangen ist: 67 Freiwillige führten 639 Tagfalter-Erhebungen an 148 verschiedenen Standorten durch, es gibt 72 neue Interessent:innen. Bei über 20 Veranstaltungen wurden österreichweit insgesamt über 1500 Personen direkt erreicht. Zudem verfügt die Webplattform nun über ein User-Dashboard, das den Freiwilligen Rückmeldungen über ihre Zählungen gibt.

Nahaufnahme eines Schmetterlings, der auf einer Pflanze mit gelben Blüten sitzt.

Das Große Ochsenauge (Maniola jurtina) ist die mit Abstand individuenreichste und am weitesten verbreitete Art.

Nahaufnahme eines Schmetterlings, der auf einer Pflanze mit gelben Blüten sitzt. 

Vorhersagen zur räumlichen Diversität

Die Reichweite des Schmetterlings-Monitorings geht aber über die Bestandsbeobachtung und Bildungsarbeit hinaus. Nachwuchswissenschaftlerin Friederike Barkmann konnte kürzlich ein Modell veröffentlichen, das die Eignung von Wiesen als Lebensraum für Schmetterlinge bewertet . „Es kombiniert das Wissen aus den Erhebungen mit verschiedensten Satelliten-Daten und liefert damit Informationen, die über unsere Standorte hinausgehen“, erklärt Barkmann. Um ein zuverlässiges Modell zu entwickeln, müssen all jene Faktoren, die für das Schmetterlingsvorkommen relevant sind, abgebildet werden. Dazu zählen neben topgrafischen und meteorologischen Bedingungen auch menschliche Einflussfaktoren. „Wir verfügen dank der Erhebung über Daten aus verschiedensten Wiesen, nicht nur aus Schutzgebieten“, verdeutlicht die Wissenschaftlerin. So war es möglich, das Modell entsprechend gut zu trainieren. „Wenn die notwenigen politischen Weichen für den Erhalt der Biodiversität gestellt werden, können solche Prognose-Tools wichtig und hilfreich sein“, erklärt Rüdisser. „zum Beispiel, wenn es darum geht Rote Listen zu erweitern oder potentielle Flächen für Schutzgebietserweiterungen zu definieren.“

Info und Mitmach-Möglichkeit

Das Viel-Falter Monitoring ist am Institut für Ökologie der Universität Innsbruck beheimatet und wird von Johannes Rüdisser geleitet. Am Projekt beteiligt sind außerdem das Sammlungs- und Forschungszentrum der Tiroler Landesmuseen, das Naturerlebnismuseum inatura in Vorarlberg sowie das Institut für Alpine Umwelt der EURAC Bozen. Hinzu kommen zahlreiche weitere Kooperationspartner und Fördergeber. Bisher haben 310 Freiwillige 58.493 Falter beobachtet und ihre Sichtungen dokumentiert (Stand Ende 2024). Vertiefende Informationen und die Möglichkeit, als Freiwillige:r mitzumachen: https://viel-falter.at/

 

Dieser Beitrag ist in der März-Ausgabe von wissenswert erschienen, eine digitale Version des Magazins ist hier zu finden.

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