Von der Kommunikation zur Narration und der Semiotisierung von Schmerz: Ende Oktober 2019 fand der Auftakt zu interdisziplinären Workshop-Veranstaltungen statt, die sich diesem in den Medical Humanities hochrelevanten Forschungsfeld widmen. Maria Heidegger (Institut für Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnologie) und Cornelia Feyrer (Institut für Translationswissenschaft, INTRAWI) veranstalteten in Zusammenarbeit mit dem FZ Medical Humanities und dem von Maria Heidegger geleiteten FWF-FWO-Forschungsprojekt ‚Patients and Passions. Catholic Views on Pain in Nineteenth-Century Austria‘ mit Leona van Vaerenbergh von der Universität Antwerpen als Gast einen Workshop zum Rahmenthema ‚Wie kommuniziert man Schmerz: Interdisziplinäre Perspektiven der Medical Humanities‘.
Ziel des Workshops war es, an interdisziplinären Perspektivierungen von Medizin und Kulturwissenschaften interessierte Kolleginnen und Kollegen miteinander ins Gespräch zu bringen und über Fakultäts- und Universitätsgrenzen hinausgehend Raum für eine fächerübergreifende Perspektivierung eines zentralen, epochen- wie auch (fach)kulturenübergreifenden Themas von Mensch und Gesundheit zu schaffen. Ausgehend von Impulsreferaten wurde ein transdisziplinärer Gedankenaustausch zu ‚Kommunikation von Schmerz‘ angeregt und die Gelegenheit geboten, aus unterschiedlichen Fachrichtungen und Orientierungsmustern heraus in eine gemeinsame Medical-Humanities-Diskussion einzutreten. Eine beachtliche Anzahl von KollegInnen nahmen die Einladung zur Teilnahme am Workshop an, der namens des FZ Medical Humanities von Gudrun Grabher eröffnet wurde. Unterschiedliche Institute der Philologisch-Kulturwissenschaftlichen und Philosophisch-Historischen Fakultät wie auch verschiedene Institute und Abteilungen der Medizinischen Universität Innsbruck waren vertreten.
Narrative
Leona van Vaerenbergh schaffte mit ihrem Vortrag zu ‚Schmerzkommunikation in psychiatrischen Gesprächen mit anderssprachigen/anderskulturellen Patientinnen‘, in dem sie sich v.a. auf das hochaktuelle und mehr als gesellschaftsrelevante Thema ‚Migration und Schmerz‘ konzentrierte, einen gelungenen Einstieg in die Thematik: „Es gibt die sprachliche Hürde, um das Erleben und Gefühle auszudrücken, und es gibt die eigene kulturelle Interpretation der Krankheitsgefühle, mit der Psychiater oder Psychologen nicht immer vertraut sind“, führte Leona van Vaerenbergh aus und legte damit die ideale Grundlage für eine angeregte erste Diskussion. Maria Heidegger griff den Faden mit Blick auf die historische Dimension von Schmerzerfahrung, -beschreibung und -erzählung auf und stellte Quellenbeispiele und Ergebnisse aus dem an den Universitäten Innsbruck und Antwerpen angesiedelten FWF-FWO-Forschungsprojekt ‚Patients and Passions. Catholic Views on Pain in 19th Century Austria‘ zur Diskussion und Cornelia Feyrer erläuterte kurz die inter- und transkulturelle Dimension des Rahmenthemas in Bezug auf Sprach- und Kulturkontakt und Translation. Vom Beschwerdevortrag in psychiatrischen Konsultationen über die geschichtswissenschaftliche Aufarbeitung historischer Krankenakten, also dem Erzählen von und über PatientInnen, bis hin zu Visualisierung und visuellem Storytelling: In all diesen Settings und Diskursformen der Gesundheitskommunikation spielt das narrative Element eine entscheidende Rolle, sowohl in der historischen wie in der zeitgenössischen Betrachtung. Von der Arzt-PatientInnen-Interaktion bis in die Fachkultur hinein, narrative Elemente finden sich überall: Dem Erzählen kommt nicht nur eine prägende Rolle im Ausdruck von Befindlichkeiten zu, sondern auch als Form der Emotionalisierung, Individualisierung und kulturellen Verortung. Dies gilt im Besonderen für eine so zutiefst die Condition humaine berührende Erfahrung wie jene der Schmerzwahrnehmung. Ob aus ärztlicher Perspektive oder aus dem Blickwinkel der Betroffenen gesehen, die Kommunikation von Schmerz ist ein individuelles wie auch kollektiv gesellschaftsrelevantes Thema, das uns alle angeht und damit ein zentrales, auch inter(fach)kulturell bedeutendes Thema der Medical Humanities darstellt. Dementsprechend groß war der Gesprächs- und Diskussionsbedarf unter den WorkshopteilnehmerInnen. Gesehen aus ärztlicher wie auch aus Laienperspektive, als Agens und Patiens, als anamnestisch-therapeutisch relevante Diskusform wie auch als sozialpsychologisch individualisierte Ausdrucksform einer der wohl subjektivsten Befindlichkeiten, derer ein Mensch fähig ist, kommt dem Gesundheitsdiskurs als Narrativ, also dem Erzählen über PatientInnen wie auch dem Erzählen der Krankengeschichte aus Betroffenensicht, besondere Bedeutung zu.
Fortsetzung folgt
Das Konzept der Organisatorinnen ging auf, es konnten vielfältige Ideen für weiterführende Workshop-Themen gesammelt werden. Dank des thematischen Inputs und der vielen engagierten Diskussionsbeiträge aller Workshop-TeilnehmerInnen entstand ein eindrucksvolles Bild unterschiedlicher Medical-Humanities-Perspektivierungen der Kommunikation von Schmerz. So unterschiedlich die Perspektiven sein können, so einig waren sich TeilnehmerInnen und Organisatorinnen: Fortsetzung folgt.
(Cornelia Feyrer und Maria Heidegger)