Wintersemester 2023/24: Benedikt Ost, Marco Honrauer, Titus Kleine
Bei der Auseinandersetzung mit dem Thema „Skifahren in Tirol“ begegnet man fast
zwangsläufig der legendären Skipiste Streif in Kitzbühel! Von 1665 m ü. A. (Metern über
Adria) bis 805 m ü. A. bietet diese 3312-Meter-Strecke den puren Adrenalinkick (Huber, 2001).
Im Frühjahr 2023, kommt die Piste jedoch optisch einem Trauerspiel gleich. Grüne Wiesen und
Bäume dominieren den Hahnenkamm. Nur ein dünner weißer Pistenstreifen führt hindurch
(Kulovits, 2023). Die Strecke musste aufgrund von ausgebliebenen Schneefällen künstlich
beschneit werden. Durch die vergleichsweise warmen Temperaturen ist die Piste daher nicht so
vereist wie gewöhnlich, was zu günstigeren Schnee- und Pisteneigenschaften führt, und große
Begeisterung bei den Fahrern auslöst (Kulovits, 2023). Für den sportlichen Wettbewerb, des
„Hahnenkammrennens“ eigentlich ein Vorteil, wäre da nicht die ökologische Problematik rund
um das Thema Kunstschnee. Künstlich produzierter Schnee ist nicht nur energie- und
ressourcenraubend, sondern hat viele weitere tiefgreifende Umweltauswirkungen (Reske,
2023). Aus dargestellter Problemstellung wird daher folgende Forschungsfrage abgeleitet:
Welchen Einfluss hat die künstliche Schneeproduktion auf die Umwelt?

Kunstschnee wird mithilfe von sogenannten Schnee-Erzeugern, landläufig auch
Schneekanonen genannt, produziert. Verschiedene Arten von Schneekanonen können bei der
Kunstschnee-Produktion zum Einsatz kommen. Die am häufigsten zur Anwendung kommende
Art ist die sogenannte Druckluftkanone. Vereinfacht dargestellt, wird dabei mithilfe von
Druckluft Wasser durch eine Düse gleitet, welche das Wasser in die Umgebung sprüht. Durch
die kalte Luft im Umfeld werden kleine Eiskristalle gebildet. Eine Außentemperatur von
mindestens 0 Grad Celsius ist dafür erforderlich (Wie funktioniert eine Schneekanone?, 2023).
Um einen Hektar Kunstschnee eine Saison lang aufrecht zu erhalten, müssen ungefähr 3
Millionen Liter Wasser aufgewendet werden (Reske, 2023). Das entspricht 20.000 gefüllten
Badewannen. Um den Energieverbrauch zu bestimmen, wird folgende Faustregel angewendet:
"2 m³ Kunstschnee = 6 kWh Energie + 1 m³ Wasser“.
In den Energieverbrauch werden Schneeanlagen und Pumpensysteme einbezogen (Bayerle,
2023). Für einen Hektar werden ungefähr 18.000 kWh benötig. Zum Vergleich: ein
durchschnittlicher Zwei- Personen-Haushalt, der in einem Mehrfamilienhaus wohnt, verbraucht
ca. 2000 kWh pro Jahr (Weißbach, 2023).
Nach dem Stand von 2016 werden in den Alpen 70.000 Hektar künstlich beschneit (Hamberger
& Doering, 2015). Für den kompletten Alpenraum bedeutet dies einen errechneten
Wasserverbrauch von 210 Milliarden Litern und einen errechneten Stromverbrauch von 1,26
Milliarden kWh. Zum Vergleich: Die Stadt München hat 1,4 Mio. Einwohner (2019) mit einem
durchschnittlichen Wasserverbrauch von 127 Liter pro Tag. Das entspricht einem Jahres-
Wasserverbrauch von ungefähr 65 Milliarden Litern, weniger als einem Drittel dessen, was in
den Alpen zu Schnee versprüht wird (Stadtwerke München, 2021).
Woher kommt das Wasser für die Schneekanonen eigentlich? In der Alpenregion ist der
Wasserbedarf deutlich angestiegen, und zur Deckung dieses Bedarfs soll auf lokale
Wasserspeicher zurückgegriffen werden. Die Auswirkungen des gespeicherten Wassers
betreffen den Wasserhaushalt und die Umwelt der betroffenen Gebiete (Hamberger & Doering,
2015). Außerdem gibt es auf Hochplateaus in Österreich mehr als 400 künstliche
Wasserbecken. Diese werden typischerweise an Berghängen errichtet und greifen in die
Hangstruktur ein. Aufgrund ihres beträchtlichen Gewichts können sie sogar einen negativen
Einfluss auf die benachbarten Hänge ausüben. Die Veränderung des Geländes für die
Wasserbecken, beispielsweise durch Planierung, belastet den Boden und die Vegetation
ebenfalls erheblich (Bragin & Spiegel, 2020).
Eine weitere Problematik sind die physischen Eigenschaften des Kunstschnees. Während
Naturschnee aus 6-eckigen Kristallen besteht, weisen Kunstschnee-Kristalle eine rundliche
Form auf. Durch diese Form besitzt Kunstschnee eine höhere Dichte. Durch diese höhere
Dichte schmilzt der Schnee im Frühjahr langsamer und verhindert so das Wachstum der
darunterliegenden Pflanzen. Im Sommer können braune Schlieren am Hang verraten, wo
Kunstschnee im Einsatz war, da dort die Regenerationsphase für die Flora und der Boden
nachhaltig gestört ist (Wie entsteht Kunstschnee?, 2023). Etwa 70% der österreichischen
Pistenflächen werden künstlich beschneit (Bragain & Spiegel, 2020). Im Alpenraum wurden
158 Millionen Skitage verzeichnet. Wenn wir den Wasserverbrauch für künstlichen Schnee auf
sämtliche Skitage verteilen, ergibt sich pro Skitag ein Wasserkonsum von 1.330 Litern. Das
entspricht einem durchschnittlichen Normal-Konsum von 10 Tagen (Roth & Siller, 2018).
Wie dargestellt, hat die künstliche Schneeproduktion einen negativen Einfluss auf die Umwelt.
Angesichts des enormen Wasser- und Stromverbrauchs sowie den ökologischen Folgen ist
Skifahren auf Kunstschnee daher kritisch zu sehen. Dennoch ist der Wintertourismus auf einem
Wachstumspfad. Dies zeigt sich Beispielsweise an der Anzahl an Nächtigungen in Österreich
im Bereich des Wintertourismus, die seit 2006 von 59,9 Millionen auf 69,3 Millionen im Jahr
2023 gestiegen sind (König, 2023). Warum ist es so, dass Menschen Ihr Verhalten nicht adäquat
zur Verminderung weiterer Schäden anpassen? Eine mögliche Erklärung für diese Entwicklung
ist das Fehlen von relevanten Informationen hinsichtlich langfristiger Auswirkungen auf die
Umwelt. Ohne Information, welche Auswirkungen Skifahren auf Ressourcen und die Umwelt
besonders in langfristiger Betrachtung haben, kann keine fundierte, nachhaltige und
abgewogene Entscheidung getroffen werden (Kofler & Mengea, 1976). Eine weitere Erklärung
für diese Entwicklung ist das Konzept des Status Quo Bias aus der Verhaltensökonomie. Dieses
Besagt, dass Menschen eher dazu tendieren am aktuellen Status festzuhalten, als eine
Veränderung anzustreben (Grabicki, 2018). Eine Erklärung für diesen Effekt liefert das
Konzept der Verlustaversion, wonach Menschen Verluste stärker gewichten als mögliche
Gewinne. Daher fällt es Menschen schwer den bequemen Status des jährlichen Skiurlaubs
abzulegen (Beck, 2014).
Literaturverzeichnis:
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Beck, H. (2014). Behavioral Economics: Eine Einführung. Springer-Verlag.
Bragin, B. L. & Spiegel, S. S. (2020, 30. November). 7 Fakten zu künstlicher Beschneiung.
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Grabicki, J. F. (2019). Konsumentenpräferenzen und Status Quo Bias: eine experimentelle
Untersuchung am Beispiel des Elektrizitätsmarktes (Doctoral dissertation,
Dissertation, Clausthal-Zellerfeld, Technische Universität Clausthal, 2018).
Hamberger, S., & Doering, A. (2015). Der gekaufte Winter: Eine Bilanz der künstlichen
Beschneiung in den Alpen. Gesellschaft für ökologische Forschung und BUND
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Huber, M. (2001). Das 58. Hahnenkamm-Rennen in Kitzbühel. Praxisorientiertes
Projektmanagement: Grundlagenwissen an Fallbeispielen illustriert, 115-129.
Kofler, E., & Menges, G. (2013). Entscheidungen bei unvollständiger Information (Vol. 136).
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König, K. G. (2023, 26. Mai). Ankünfte und Nächtigungen Wintertourismus Österreich.
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Kulovits, K. D. (2023, 17. Januar). Sonderlob für „grün-weiße“ Streif: „Das ist
sensationell“. laola1.at. Abgerufen am 2. Dezember 2023,
von https://www.laola1.at/de/red/wintersport/ski-alpin/kitzbuehel/sonderlob-fuer--
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Reske, R. V. (2023, 26. Januar). Was du über Kunstschnee wissen solltest. quarks.de.
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