Wintersemester 2023/24: Benedikt Ost, Marco Honrauer, Titus Kleine
Von einem wissenschaftlichen Standpunkt aus herrscht weitgehende Einigkeit
darüber, dass durch menschliches Handeln verursachte Treibhausgasemissionen wie
beispielsweise der Ausstoß von Kohlendioxid zu großen Teilen zur Erwärmung des Erdklimas
beitragen. Mit der Durchsetzung von drastischen Maßnahmen könnte es gelingen, diesen
anthropogenen Klimaeffekt und die damit verbundenen negativen Effekte abzuschwächen
(Böhringer & Vogt, 2001). Aus diesem Handlungsbedarf nach Maßnahmen, resultiert wohl eine
der komplexesten, globalen, multidimensionalen Herausforderungen unserer Zeit. Ebenso
ergibt sich die Frage welcher Akteur, sowie welche Instanz oder Organisation die benötigten
Maßnahmen durchsetzen kann. In dem folgenden Beitrag soll die genannte Problemstellung
mit folgender Forschungsfrage untersucht werden: Welchen Beitrag kann die
Rechtsprechung zur Bewältigung des Klimawandels leisten?
Auf globaler Ebene herrscht keine Einigkeit über die Verantwortung hinsichtlich des
Klimawandels. Wenn der Gesamtausstoß an CO2-Emissionen weltweit betrachtet wird, zeigt
sich, dass China mit etwa 30% den bei weitem größten Anteil am globalen CO2-Ausstoß hat.
Damit haben sie die USA überholt, die mit 13,9% rund die Hälfte ausstoßen (Berkel, 2020).
Die Frage der Verantwortlichkeit ist dennoch nicht trivial. So verweist China auf die
historischen CO2-Emissionen der westlichen Industrienationen (Müller, 2011). Auch auf
nationaler Ebene gibt es große Diskrepanzen über die Verantwortung und
Handlungsverpflichtung zwischen Gesellschaft und Politik. Aus Sichtweise der ökonomischen
Theorie stellt Klimaschutz ein öffentliches Gut dar. Internationale und nationale Kooperationen
mit dem Ziel abmildernde Effekte des Klimawandels zu erreichen, stehen daher einem
Anreizproblem gegenüber. Auf Grundlage von freiwilligen und dezentralen Entscheidungen,
ist daher kaum mit der Bereitstellung dieses öffentlichen Gutes zu rechnen (Böhringer & Vogt,
2001). Auf politischer Ebene kommt das Problem hinzu, dass Regierungen nur für die Dauer
ihrer Amtsperiode zu Entscheidungen legitimiert sind. Die Auswirkungen des Klimawandels
und dementsprechend auch die benötigten Maßnahmen gegen den Klimawandel haben dagegen
eine langfristige Dimension. Politische Akteure verschieben daher oftmals unbequeme
Entscheidungen, auch wenn diese zugunsten des Klimas wären, da sie fürchten Beliebtheit bei
den Wählern einzubüßen. Ein Resultat dieser Trägheit in der Klimapolitik ist die immer größere
Häufigkeit von Klimaklagen, in denen auf rechtlichem Weg durch Privatpersonen oder
Vereinigungen die Maßnahmen zum Klimaschutz vorangetrieben werden (Ekardt et al.,
2023). Daraus resultiert die Frage, ob nicht die Rechtsprechung die Rolle dieser notwendigen
Instanz einnehmen kann (Franzius, 2021).
Aus den bisherigen Klimaklagen lässt sich ableiten, dass die Gerichte bereit sind, dass Pariser
Klimaabkommen als Grundlage für ihre Entscheidungen zu verwenden. (Saiger, 2020).
Andererseits ist die Bereitschaft der Gerichte, sich auf die Relevanz von Klima-Themen
einzulassen, stark von den Vorschriften der jeweiligen Rechtsordnung abhängig. Daher variiert
der Erfolg erheblich je nach Land und Rechtssystem. Wenn man für den Rechtszugang ein
subjektives öffentliches Recht nachweisen muss, kann eine Einzelklage leicht abgelehnt
werden, es sei denn, das Gericht ist bereit, die bestehenden Regeln des subjektiven
Rechtsschutzes im Hinblick auf die völkerrechtlichen Vorgaben zu überdenken und an die
speziellen Herausforderungen des Klimawandels anzupassen (Franzius, 2016). Ein Beispiel
hierfür ist Kolumbien. Dort klagten Kinder und Jugendliche gegen die Regierung. Es wurde
damit argumentiert, dass die Regierung zu wenig gegen die Entwaldung im kolumbianischen
Amazonas unternimmt. Infolge dieser Klage erkannte der Oberste Gerichtshof Kolumbiens den
Amazonas als Rechtssubjekt an und verpflichtete die Regierung dazu, einen Aktionsplan zu
entwickeln, um die Entwaldung zu stoppen (Franzius, 2021). Eine bedeutende Hürde bei der
Verfolgung von Klimaklagen liegt oft in der Schwierigkeit, Kausalitäten nachzuweisen. Im
Einzelfall ist es praktisch unmöglich, die Verantwortlichkeit für den Klimawandel genau zu
bestimmen. Dies wurde beispielsweise im Fall des Urteils über eine dritte Landebahn am
Flughafen Wien deutlich. Hierbei erklärte das österreichische Bundesverwaltungsgericht die
Entscheidung der Genehmigungsbehörde für den Bau der Landebahn für fehlerhaft, da bei der
Abwägung die Auswirkungen des globalen Klimaschutz nicht ausreichend berücksichtigt
wurden. Dabei bezog das Gericht sich auf die "national und international eingegangenen
Verpflichtungen zur Reduktion der Treibhausgasemissionen" und betonte, dass das öffentliche
Interesse an der Umsetzung des Vorhabens hinter dem Schutz vor den negativen Folgen des
Klimawandels und der Bodeninanspruchnahme zurücktreten müsse. Das österreichische
Verfassungsgericht hob jedoch das Urteil auf. Es argumentierte, dass die in die Abwägung
einzubeziehenden öffentlichen Interessen direkt aus dem Luftfahrtgesetz abgeleitet werden
müssten. Die Bezugnahme auf Klimaschutz und Bodenverbrauch unter Berufung auf die
Staatszielbestimmung des Umweltschutzes sei fehlerhaft, und hinsichtlich der Emissionseffekte
fehlt die Kausalität zu negativen Effekten des Klimawandels (Franzius, 2021).
Abschließend lässt sich sagen, dass die Rechtsprechung einen wichtigen Beitrag zur
Bewältigung des Klimawandels leisten kann. Einerseits besitzen sie die Befugnis, Regierungen
und Unternehmen auf Basis des jeweiligen Rechts zu Handlungen zu zwingen. Andererseits
haben Gerichte die Möglichkeit, Entscheidungen zu treffen, die eine langfristige Perspektive
haben, und dadurch die durch die Legislaturperiode eingeschränkte Handlungsfähigkeit von
Regierungen zu erweitern (Franzius, 2021). Dennoch entstehen hieraus Legitimationsprobleme
inwieweit Gerichte auch als politische Entscheidungsträger in Erscheinung treten dürfen
(Ekardt et al., 2023). Feststeht, es braucht neue Akteure und Ansätze, um die komplexen
Handlings- und Entscheidungsebenen des Klimawandels zu kanalisieren, denn die bisherige
Herangehensweise zeigt keine ausreichenden Resultate (Böhringer & Vogt, 2001).
Literaturverzeichnis:
Berkel, M. B. (2020, 14. April). CO2-Ausstoß weltweit: 10 Länder nach Emissionen.
co2online.de. Abgerufen am 10. Dezember 2023, von
https://www.co2online.de/klima-schuetzen/klimawandel/co2-ausstoss-der-laender/
Böhringer, C., & Vogt, C. (2001). Internationaler Klimaschutz: nicht mehr als symbolische
Politik? (No. 01-06). ZEW Discussion Papers.
Ekardt, F., Heß, F., Bärenwaldt, M., Hörtzsch, L., & Wöhlert, M. (2023). Judikative als Motor
des Klimaschutzes? Bedeutung und Auswirkungen der Klimaklagen.
Franzius, C. (2016). Modernisierung des subjektiven öffentlichen Rechts. Zum
Funktionswandel der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Umwelt-und Planungsrecht.
Franzius, C. (2021). Die Rolle von Gerichten im Klimaschutzrecht. Handbuch
Klimaschutzrecht, 121-146.
Müller, T. (2011). Globaler Klimaschutz: Klappe, die siebzehnte; von der ewigen Wiederkehr
des Gleichen (Versagens).
Pittock, B. (2009). Climate change: The science, impacts and solutions 2nd edition.
Saiger, A. J. (2020). Domestic courts and the Paris Agreement's climate goals: The need for a
comparative approach. Transnational Environmental Law, 9(1), 37-54.