Li Bo (Li Bai), 李白 (701-762)

Nachtquartier beim Hauswirt am Frischen Strom 宿清溪主人

Übersetzung: 

夜到清溪宿,

主人碧巖裏。

檐楹掛星斗,

枕蓆響風水。

月落西山時,

啾啾夜猿起。

Finde nächtens Quartier am Frischen Strom;

Mein Gastgeber haust am Felsuferhang.

Um Traufe und Pfosten Sterne hängen,

Am Lager des Winds und des Wassers Klang.

Sobald der Mond in die Westberge sinkt,

Heult – jiu!, jiu! – auf nächtlicher Affen Sang.

Kommentar

Eine Nachtlandschaft als Miniatur, in die jedoch die Umgebung des Frischen Stroms (Qingxi 清溪) ragt, der den Distrikt Chizhou im südlichen Anhui durchfließt, um anschließend in den Jangtse zu münden. An seinen Ufern gibt es steile und hochragende Felsmassive, unwirtliche, aber gut geschützte Stellen, an denen Heiligenschreine, Klausen und vielleicht kleine Klöster platzfanden. Der Reisende sucht mutmaßlich einen Klausner auf, von dessen Einsiedelei er unterwegs oder im Vorhinein erfahren hatte, bittet ihn um ein Nachtquartier und dankt ihm beim Abschied an einem der folgenden Tage mit diesen Versen für mehr als nur die gute Nachtruhe. Daß er den direkten Adressaten des Gedichtes nur als anonymen „Gastgeber“ (zhuren 主人) tituliert, mag auf dessen persönlichen Wunsch zurückzuführen sein. Ebenso unbenannt bleibt, was sich gesprächsweise oder auch zwischen den Gesprächen ereignete. Stattdessen spricht die visuelle und akustische Empfindung der nächtlichen Landschaft aus, was Gastgeber und Reisenden für immer verbindet: das Dunkel des wahren Lichts, die Stille des klaren Geräuschs: zhan ying gua xing-dou , zhen xi xiang feng-shui檐楹掛星斗,枕蓆響風水。oder:  Um Traufe und Pfosten Sterne hängen, / Am Lager des Winds und des Wassers Klang. Und würde man nicht,  nachdem man so lange in die Nacht gespäht und gelauscht hätte, den Affen zustimmen?

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