Bo Juyi (Bai Juyi) 白居易
Das Gartenhaus der Präfektur 郡亭
Übersetzung:
平旦起視事,
亭午臥掩關。
除親簿領外,
多在琴書前。
況有虛白亭,
坐見海門山。
潮來一憑檻,
賓至一開筵。
終朝對雲水,
有時聽管弦。
持此聊過日,
非忙亦非閑。
山林太寂寞,
朝闕空喧煩。
唯茲郡閣內,
囂靜得中間。
Früh morgens auf und nach dem Rechten sehn;
Schon mittags ruhen bei verschlossner Tür.
Ohne Verwandte, frei von Dokumenten,
Viel Zeit auf daß ich schreib‘ und musizier’.
Dazu ein Gartenhaus, wo unbeschwert
Ich sitz‘, das Meer und Berge kontemplier‘.
Und kommt die Flut, so steh‘ ich am Balkon
Und naht ein Gast, so lad‘ ich ihn zu mir.
Im Dunst des Wassers geht die Flut vorbei,
Wobei ich manchmal Saitenklänge hör’.
Und so vergeht mir unversehns der Tag,
Nicht rasch, doch auch nicht ganz ereignisleer.
Der Bergwald ist zuviel der Einsamkeit;
Die Hofburg – Lärmen und Gezeter schier.
Ein Dasein, ganz, zwischen Stille und Stress,
Gelingt mir nur in dem Gartenhaus hier.
Kommentar
Bo Juyi hat seinen noch heute anhaltenden Ruf als Dichter, der „etwas zu sagen hat“, in Prosaaufzeichnungen, die in der Regel eine Gruppe von Gedichten als „Vorwort“ begleiten, selbst begründet. Es musste wohl eigens vermittelt werden, anders lassen sich scheinbar banale Aussagen wie etwa die folgende, kaum erklären: „Auf den Punkt gebracht: ich mache [Gedichte] für die Oberen, für die Beamtenschaft, für die Bürger, für die Dinge der Außenwelt (wu 物) und für die Angelegenheiten unter Menschen (shi 事), ich mache definitiv keine [Gedichte] um der Formvollendetheit (wen 文) willen.“
Ein Dichter, der die Welt mit Wortaugen sieht, für den sich poetischer Text und erkennbares Ding ineinanderschmiegen, anstatt aus kühler (und kühner) Distanz aufeinander zu verweisen? Gerade in denjenigen Textgruppen, die in jüngerer Vergangenheit öfters als Paradebeispiele „sozial engagierter“, klassischer Lyrik vorgewiesen wurden (und von denen in nächster Zeit hier einige präsentiert werden), scheint sich diese Vermutung zu bestätigen.
Demgegenüber vergisst die neuere Rezeption, dass gerade Bo Juyi ein Meister in der Vermessung und Neuausrichtung poetischer Distanzen war. Er folgte dabei unverhohlen Tao Yuanming (365–427), dem seiner Zeit längst anerkannten Stifter, oder Anstifter, einer Poetik der Verschiebungen von „Da“ nach „Hier“, des schieren Daseins in Zwischenräumen (zhong jian 中間), die aus einer nur individuell begründbaren Selbsterfahrung entstehen.