Eine Brille liegt vor mehreren Computerbildschirmen, man sieht durch die Brillengläser scharf offene Schnittprogramme

Studierende der Translationswissenschaft bekamen einen Einblick in die Arbeit einer Hörfilmautorin.

Aus Bild mach Ton

Am 17.01.2023 schaltete sich Marit Bechtloff über Zoom ins Institut für Translationswissenschaft (INTRAWI) und gab Studierenden sowie interessierten Personen einen eindrücklichen Einblick in den Handwerkskoffer und das Alltagsgeschäft einer freiberuflichen Hörfilmautorin.

Eigentlich findet der Kurs „Audiovisuelles Übersetzen: Einführung in die Praxis der Audiodeskription“ (WiSe 2022|23) unter der Leitung von Ass.-Prof. Dr. Marco Agnetta zur Freude aller Teilnehmenden in Präsenz statt. Für einen wertvollen Einblick in eine Praxis des Audiodeskribierens, zu der den Studierenden des INTRAWI nach ihrem Abschluss alle Tore offenstehen, gönnte man sich aber durch die Bank gerne das aktuellste Zoom-Update.

Die Audiodeskription ermöglicht blinden und sehbehinderten Personen den Genuss von Film- und Fernsehproduktionen sowie von Inszenierungen aller Art. Dazu werden in Dialogpausen – bzw. an Stellen ohne dramaturgisch wichtige Musik bzw. relevante Geräusche – visuelle Aspekte lautsprachlich von einer Stimme im Off wiedergegeben. Selten wird diese Form der intersemiotischen Translation an Universitäten gelehrt. Durch Fakultätsmittel gefördert, hat Agnetta einen der vier im Master Literarisches und audiovisuelles Übersetzen zu besuchenden Untertitelkurse zur Behandlung dieser Translationsart gewidmet. Für einen wertvollen ersten Einblick in die handwerklichen Grundlagen des Audiodeskribierens und die Darstellung erster möglicher Schritte in der entsprechenden Branche konnte er Marit Bechtloff gewinnen, die seit zehn Jahren freiberuflich als Hörfilmautorin arbeitet. Im Laufe ihrer Karriere hat Bechtloff bereits tausende Filmminuten für über 400 Projekte für Kino, TV, Hörbücher, Museen, Opern, Werbung und Internetclips beschrieben. Dabei wurde sie für ihre Arbeit zwei Mal mit dem Deutschen Hörfilmpreis ausgezeichnet (und weitere Male nominiert). Zu ihrem Dienstleistungsportfolio zählen neben Audiodeskriptionen auch Beratung sowie Workshops.

Die Branche rund um die Audiodeskription verzeichnet nicht zuletzt aufgrund einer gezielt auf den Medienkonsum von blinden und sehgeschädigten Personen zugeschnittenen Rechtsprechung in den letzten Jahren einen regelrechten Boom. Dennoch ist man noch weit davon entfernt, dass Audiodeskriptionen flächendeckend für sämtliche Film- und Fernsehproduktionen in allen gewünschten Sprachen vorliegen. Manchmal findet man die entsprechende Option auf Netflix oder anderen Streaming-Diensten. Nach und nach obligatorisch wird sie für Produktionen des aus öffentlicher Hand finanzierten Rundfunks.

In ihrem Vortrag ging Bechtloff darauf ein, dass eine Filmbeschreibung keine One-Person-Show ist. Bei der Erstellung einer Hörfilmfassung fußt der Arbeitsablauf stets auf einer Zusammenarbeit zwischen sehenden und blinden Personen, die das Produkt durch ihre jeweiligen Stärken mitgestalten. Bei diesem Punkt wies Bechtloff eindrucksvoll auf ein Grundprinzip hin: „Wir [Hörfilmautor*innen] sind keine Erklärbären; wir sollen beschreiben, was wir sehen!“ Damit hob sie beispielsweise hervor, dass filmwissenschaftliche Fachsprache in einer Audiodeskription in den meisten Fällen nichts zu suchen hat. Denn während die Aussage „Die Kamera schwenkt nach links“ ohne visuellen Input das Bild einer Kamera in uns hervorruft, denken wir bei „Der Blick schweift über die Grashalme“ eher an eine saftig grüne Wiese.

Der Vortrag bot den Studierenden eine einzigartige Möglichkeit, die praktische Seite der Hörfilmproduktion kennenzulernen und eröffnete sogar den Ausblick auf ein Mentoring-Programm mit Marit Bechtloff selbst – fürs Erste heißt es aber wieder zurück ins Seminar, wo das Audiodeskribieren praktisch und theoretisch angegangen wird.

(Hannes Frank, Marco Agnetta)

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