Soziale Medien
Wer entscheidet darüber, was Hassrede auf Facebook, Instagram, Twitter oder TikTok ist?

Pa­r­la­mente für die Platt­for­men?

Die Universität Innsbruck ist Partner in einem neuen Projekt über die Demokratisierung der Moderationsregeln von Twitter, TikTok, Instagram und Co. Das Projekt, das unter anderem die Rolle von Plattformräten untersucht, wird von der Stiftung Mercator gefördert.

Gerade in Zeiten, in denen ein Milliardär Twitter kaufen möchte, stellt sich in aller Schärfe die Frage, wer über Freiheit und Recht in den sozialen Netzwerken entscheiden soll. Zusammen mit dem Leibniz-Institut für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut (HBI) startet das Institut für Theorie und Zukunft des Rechts der Universität Innsbruck ein neues Projekt zur demokratischen Regelsetzung im Zeitalter von großen Internetplattformen.

Wer entscheidet darüber, was Hassrede auf Facebook, Instagram, Twitter oder TikTok ist? Wer entscheidet darüber, ob russische Fernsehsender oder (Ex-)US-Präsidenten auf diesen Plattformen präsent sein dürfen? Und wer kämpft gegen Desinformationen?

Die Mitbestimmung der Bürger*innen an den Regeln, was gesagt werden darf, ist zentrale Forderung und große Errungenschaft vieler demokratischer Revolutionen gewesen. Doch wie ist es heute um unsere Teilhabe an kommunikationsbezogenen Entscheidungen auf digitalen Plattformen bestellt, in die sich signifikante Teile unserer öffentlichen Diskurse verlagert haben?  Prof. Dr. Matthias C. Kettemann, Leiter des Instituts für Theorie und Zukunft des Rechts an der Universität Innsbruck und Leiter des Forschungsprojekts, erläutert: „Plattformen selbst sind zum Regelsetzer, Regeldurchsetzer und zur Richterin über ihre Entscheidungen geworden. Gewaltenteilung und -trennung sieht anders aus. Das führt zu Spannungen im gesellschaftlichen Diskursgewebe. Hier möchten wir ansetzen.“ David Alders, Projektmanager im Bereich Digitalisierte Gesellschaft bei der Stiftung Mercator, ergänzt: „Wie wir demokratisch mit der Macht der Plattformen umgehen, ist eine zentrale Frage unserer Zeit. Die deutsche Ampel-Koalition hat angekündigt, den Aufbau von Plattformräten voranzubringen. Bislang liegen aber keine ausgereiften Konzepte vor, wie genau solche Gremien aussehen könnten. Daran will das Projekt etwas ändern.“

Die Fragen, die sich vor diesem Hintergrund abheben, sind so bedeutsam wie aktuell: Wie könnten die normativen Grundlagen und soziotechnischen Praxen der privaten Inhalteregulierung (Content Governance) erneuert werden, um die Ausrichtung der Diskursregeln auf Plattformen auf öffentliche Werte (übrigens: welche?) zu sichern? Braucht es eine Beteiligung von „Vertreterinnen und Vertretern staatlicher und zivilgesellschaftlicher Stellen sowie (...) Nutzerinnen und Nutzern (..) an den Entscheidungen über Prinzipien und Verfahren der Kuratierung von Inhalten“, wie es die Deutschen Akademien der Wissenschaften kürzlich forderten? Und wie genau soll der geographische Zuständigkeitsbereich einer hierfür zu schaffenden Institution zugeschnitten sein: national, regional oder global? Sollten die Beiräte plattformspezifisch oder industrieweit tätig sein? Wen genau sollten sie wie beteiligen – Expert*innen, User*innen, betroffene Nichtuser*innen, Bürger*innen?

Diese Fragen sollen nun in einer globalen Sichtung bestehender Modelle gesellschaftlicher Rückbindung von privaten und hybriden Normenordnungen geklärt werden. In vier regionalen Research Clinics und Studien werden je eine Weltregion und ihre Erfahrungen mit der Rückbindung privater Ordnungen in den Blick genommen werden, um dann in einem abschließenden Policy Paper einen kohärenten Vorschlag für das optimale Design von Institutionen und Prozessen zur verstärkten Legitimierung privater und hybrider Normenordnungen zu geben.  Die wissenschaftlichen Erkenntnisse sollen im Dialog mit Vertreter*innen aus Politik und Verwaltung in einen Ausgestaltungsvorschlag überführt werden.

Das Projekt PLATTFORM://DEMOKRATIE wird durchgeführt vom Leibniz-Institut für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut (Hamburg) mit Unterstützung des Humboldt-Instituts für Internet und Gesellschaft (Berlin) und dem Institut für Theorie und Zukunft des Rechts der Universität Innsbruck. Das Projekt wird gefördert durch die Stiftung Mercator.

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