DK Grenzen Symbolbild alte Gartenwerkzeuge

Symbolfoto des Doktoratskolleg „Grenzen, Grenzverschiebungen und Grenzüberschreitungen in Sprache, Literatur, Medien“ (kurz: DK Grenzen)

Work­shop-Rei­he: Gren­zen in Spra­che, Lite­ra­tur, Medien

Thomas Krefeld  von der LMU München war am 14. Oktober zu einem Vortrag und anschließenden Doktorand:innen-Workshop in Innsbruck zu Gast. Sein Beitrag beschließt die dreiteilige Workshopreihe „Grenzen in Sprache, Literatur, Medien“, die vom Doktoratskolleg „Grenzen, Grenzverschiebungen und Grenzüberschreitungen in Sprache, Literatur, Medien“  zwischen Frühjahr 2021 und Herbst 2022 veranstaltet wurde.

Wie werden Grenzen unterschiedlichster Art in literarischen Werken und anderen künstlerischen Artefakten ästhetisch verhandelt, aufgebrochen und produktiv gemacht? Im ersten Vortrag der Workshopreihe gab Kirsten Sandrock (Universität Göttingen) einen Einblick in die kulturwissenschaftlichen ‘Border Studies’. Sie analysierte in ihrem Vortrag Grenznarrative und Grenzästhetiken, die in zeitgenössischen britischen Romanen im Kontext des Brexit entstanden. Diese Beispiele ermöglichen es, weitreichende Fragen zu stellen: Danach, wie diese jüngsten Grenzdebatten mit größeren kulturellen und epistemologischen Grenzerzählungen interagieren, mit welchen Theorien (europäische) Grenznarrative beschrieben werden können und welche theoretischen Zugänge hierfür neu zu entwickeln sind. Durch eine methodische Zusammenschau aus Konzepten der Sozialwissenschaft („Soziologie des Raums“, Georg Simmel), der Literaturwissenschaft („Semiosphäre“, Jurij Lotman) sowie den Postkolonialen Studien („Border Thinking“, Walter Mignolo) lieferte Sandrock mit ihrem Vortrag somit wichtige theoretische Impulse für die literatur- und kulturwissenschaftlichen Fragestellungen im DK Grenzen.

PD Dr. Kirsten Sandrock ist wissenschaftliche Assistentin am Seminar für Englische Philologie an der Georg-August-Universität Göttingen und derzeit Gastprofessorin für frühneuzeitliche Literatur und Kultur an der Universität Tübingen. Ihre Forschungsschwerpunkte sind neben postkolonialen, Kanada- und Schottland-Studien auch das neue Feld der Border Studies. Ihr Workshop für das DK Grenzen fand am 23. April 2021 statt. 

Medienwissenschaftliche Perspektiven auf Grenzen: Software Studies und Quellcodekritik

Markus Krajewski von der Universität Basel warf in seinem Workshop einen medienhistorischen Blick auf das neue Feld der ‘Software Studies’, das sich interdisziplinär mit den kulturellen, sozialen und historischen Aspekten der Softwareentwicklung beschäftigt. Mit der „Quellcodekritik“ wird eine Methode entworfen, die eine kritische Lektüre von Codes ermöglichen und Algorithmen so nachvollziehbar und transparent –  also ‚lesbar’ – machen soll. Im Zentrum steht dabei die Beobachtung, dass viele historische und kulturtechnische Szenarien gegenwärtige Praktiken von kollektiver Autorschaft in der Softwareentwicklung vorwegnehmen. So verweist etwa der informatische Befehl ‚copy’ auf eine lange literarische und kulturelle Tradition des Abschreibens, Vervielfältigens und Nachahmens. Die Frage nach der Grenze ist hier somit eine Frage des Unterscheidens und des Materials: Im Code eines informatischen Programms macht der Befehl ‚diff’ – der etwa zeitgleich mit dem philosophischen Begriff der différance (Derrida) entwickelt wurde – den kleinen Unterschied zwischen Kopie und Original sichtbar.

Prof. Dr. Markus Krajewski ist Professor für Medienwissenschaft mit Schwerpunkt Medientheorie und Mediengeschichte an der Universität Basel. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der kulturwissenschaftlichen Beschreibung von medialen, epistemologischen, kulturellen und kulturtechnischen Prozessen und Praktiken, etwa die Kulturtechnik Programmieren oder Verwaltungswerkzeuge des Wissens. Sein Workshop fand am 28. Jänner 2022 statt. 

Sprachwissenschaftliche Perspektiven auf Grenzen: Kommunikative Räume und ihre Modellierung

Im Vortrag von Thomas Krefeld wurde u.a. gezeigt, dass Sprachen und ihre kollektive Verwendung durch Sprachgemeinschaften grundlegende Voraussetzung für die Etablierung sozialer – oder besser: kommunikativer – Räume sind, deren Herausbildung und Entwicklung prinzipiell unabhängig von geophysikalischen Gegebenheiten erfolgt. Dies sei etwa am Alpenhauptkamm erkennbar, der keine Grenze zwischen Sprachfamilien markiert, sondern dem in sprachlicher sowie soziokultureller Hinsicht schon von jeher eine verbindende Funktion zukam. Zur Rekonstruktion kommunikativer Räume schlug Prof. Krefeld ein Modell vor, bestehend aus drei Instanzen von Räumlichkeit: 1. Räumlichkeit der Sprachen, 2. der Sprecher:innen und 3. des Sprechens, innerhalb derer jeweils nach zwei weiteren Parametern differenziert werden kann (Territorialität und Arealität der Sprachen; Provenienz und Mobilität der Sprecher:innen; Positionalität und Medialität des Sprechens). Die Ebene der Territorialität, die sich durch die Implementierung von Staats- bzw. Dachsprachen auszeichnet, ist dabei die einzige, auf der sich ‚echte‘ Sprachgrenzen identifizieren lassen. Alle anderen kommunikativen Grenzziehungen und Grenzüberschreitungen basieren auf Konventionen der Sprachverwendung, die es jeweils nach den von ihm genannten Kriterien zu differenzieren und zu modellieren gilt; für Sprecher:innen ebenso wie für eine angewandte Sprachwissenschaft.

Prof. Dr. Thomas Krefeld ist Professor (i. R.) für Romanische Philologie im Bereich der französischen, italienischen und rumänischen Sprachwissenschaft an der Universität München. Seine Forschungsschwerpunkte liegen u. a. in der diachronen und synchronen Varietätenlinguistik, den Digital Romance Humanities und der Modellierung des kommunikativen Raums. Er ist Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des Doktoratskollegs. Sein Workshop am 14.10.2022 bildete den Abschluss der DK-Workshopreihe.

(Gabriele Hassler, Christine Konecny, Dirk Rose)
 

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