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Anste­ckende Bil­der

Die dritte Ausgabe der Tagungsreihe „Corona verstehen“ widmete sich der Pandemie mittels einem Blick auf die Filmproduktion mit und in Zeiten von Corona sowie mit Filmklassikern über Seuchen/Pandemien. An insgesamt fünf Terminen zwischen 4. und 31. Oktober wurden im Leokino Filme gezeigt und diskutiert.

Nach zwei mehrtägigen, international besetzten Tagungen zu den gesellschaftlichen Auswirkungen von Corona im November 2020 und im Oktober 2021 wurde der Veranstaltungszyklus „Corona verstehen“ im Oktober 2022 mit Take 3 fortgesetzt. Im Gegensatz zu den zwei bisherigen Veranstaltungen geschah das in diesem Jahr – in Kooperation mit dem Leokino – durch einen Blick auf die Filmproduktion mit und in Zeiten von Corona sowie mit Filmklassikern über Seuchen/Pandemien an insgesamt fünf Terminen zwischen 4. und 31. Oktober.

Sabine Schrader über die „Macht“ der Filme

Wolfgang Meixner über den Ansatz der Reihe

Die Auswahl fiel auf vier Lang- und sechs Kurzfilme, die an fünf Terminen gemeinsam mit dem Kooperationspartner Leokino dort präsentiert und wissenschaftlich eingeführt wurden. Der Eröffnungsfilm „Sonne“ (Regie und Buch Kurdwin Ayub) dekonstruiert die Ästhetik der Gegenwart in einer Bildsprache, die sich mit am Handy produzierten Filmen orientiert und verdeutlicht so die Spezifika der Erstellung eines Filmes in Zeiten der Pandemie. Am 18. Oktober 2022 widmete sich die Filmreihe mehreren Kurzfilmen, die während Zeiten des Lockdowns entstanden sind und Facetten der außergewöhnlichen Situation durch Covid thematisieren. An den weiteren Terminen (11., 25. und 31. Oktober) wurden „Klassiker“ der Pandemie-/Seuchenfilme (Contagion, 12 Monkeys) bzw. mit Dawn of the Dead der Zombie-Klassiker vorgestellt, deren Narrative in der Zeit von Corona vielfach bemüht wurden und werden.

Eröffnungsfilm „Sonne“

Eröffnet wurde die Reihe mit dem Spielfilm „Sonne“ (2022) von Regisseurin Kurdwin Ayub – das Werk ist mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Wiener Filmpreis 2022. Co-Organisator Ass.-Prof. Mag. Dr. Wolfgang Meixner erklärt die Gründe für diese Auswahl: „Der Film hat zunächst nichts mit Corona zu tun, er wurde aber während Corona unter schwierigen Bedingungen gedreht: Nach einer Drehpause wegen der Pandemie mussten Szenen nachgedreht werden, weil einer der jugendlichen Darsteller stark gewachsen war, man musste viele Innenszenen drehen, Massenszenen waren nur unter strengsten Auflagen möglich. Diese Schwierigkeiten sieht man dem Film allerdings gar nicht an.“ 

Dystopie „12 Monkeys“

„12 Monkeys“ (1995) von Terry Gilliam führt in eine dytopische Zukunft, die Menschheit ist von einem tödlichen Virus bedroht. Die wissenschaftliche Einleitung (PDF) übernahm Univ.-Prof. Mag. Dr. Christian Quendler vom Institut für Amerikastudien.

„Gilliam folgt keiner Schule oder Tradition, sondern arbeitet wie ein Virus. Er beerbt kein Kino, sondern greift direkt in die DNA des Kinos ein und baut sie um. In 12 Monkeys gibt er uns nicht nur einen Schlüssel zum Verständnis von Pandemien, sondern gleich 12: Mon-KEYS, get it! Für diejenigen unter Ihnen, die Rätsel lieben: Es gibt 6 Schlüsselszenen, die jeweils aus 2 Perspektiven gezeigt werden, und wenn Sie dabei gut aufpassen, finden Sie die 12 Mon-KEYS.“

– Christian Quendler in seiner Einleitung

 

Kunst, Film und Corona: Kurzfilme zur Pandemie

Die Kurzfilme Applaus, Applaus (2020, Sarah Braid und Nora Winkler) , Mysophobie (2021, Kollektiv Wirr), Distanz (2021, Lisa Studener), The Coronal Kiss (2022, Sarah Maria Schmidt), Wearable Vocabulary (2021, Afro Rainbow Austria) und Touching Pain (Part 2) (2022) – nähere Angaben zu den Filmen gibt es im Programm der Reihe – wurden am 18. Oktober 2022 gezeigt und mit den Filmemacher*innen diskutiert. Eingeleitet wurde der Abend von Univ.-Prof. Dr. Sabine Schrader vom Institut für Romanistik:

„Wir haben uns an österreichische Kunsthochschulen gewandt, mit der Bitte uns Arbeiten zu nennen, die zum einen Corona thematisieren und zum anderen während Corona entstanden sind – und auf den ersten Blick nichts mit Corona zu tun hatten, dann aber doch: Die Pandemie hat beispielsweise die grauenvolle Situation der Uiguren in chinesischen Internierungslagern – wie viele andere dringende – Themen in den Hintergrund gedrängt. Wie in Zeiten des Lockdowns die Internierung der Uiguren dokumentieren?“

– Sabine Schrader in ihrer Einleitung

Das Kurzfilmprogramm enstand in Kooperation mit den Kunsthochschulen Linz und Wien.

Pandemie 2011: Contagion

Der meistgestreamte Film 2020 stand am 25. Oktober 2022 auf dem Programm der Corona-verstehen-Reihe: „Contagion“ (Regie: Steven Soderbergh) aus 2011 erzählt von einem tödlichen, schnell mutierenden Virus, das sich in der globalisierten Welt rasend schnell ausbreitet. Christian Quendler ordnete auch diese Film wissenschaftlich ein:

„Contagion ist ein Film von Dingen und Transportmitteln. Nicht der digitale Geldfluss globaler Transkationen steht hier im Vordergrund, sondern der physische Kontakt unserer Kreditkarte ist entscheidend. Soderbergh schildert uns diese Erzählung in drei unterschiedlichen Schattierungen, die jeweils für unterschiedliche Subjektivitäten oder Bildregime stehen. Am wärmsten sind die digitalen Bilddokumente von Photo- und Überwachungskameras, mit denen die Wissenschaftler dem Virus auf die Spur kommen wollen. Es sind Kontaktbilder, Snapshots von Reisen (oder was heute Selfies genannt wird) und Überwachungsaufnahmen, die Kontakte festhalten und in der Pandemie zu Gegenständen der Spurensuche werden. Am anderen Ende des Spektrums finden sich kalte und mit vorwiegend flachem Fokus aufgenommen Bilder, die die soziale Realität einfangen. Kalte Farben und eine auf Distanz gehaltene Kamera prägen diese Sequenzen. Dazwischen, gewissermaßen in Vermittlerrolle, liegt eine imaginäre oder imaginierte Sicht, welche die Geschichte der viralen Verbreitung rekonstruiert.“

– Christian Quendler in seiner Einleitung

Zombie-Klassik: Dawn of the Dead

Den Abschluss der Reihe am 31. Oktober 2022 bildete – passend zur Halloween-Nacht – der Zombie-Klassiker „Dawn of the Dead“ aus 1978 (Regie: George Romero). Die wissenschaftliche Einführung in den Filmabend lieferte der Amerikanist Mag. Maximilian Schweigl.

[... W]ie genau helfen uns Zombie-Filme Covid zu verstehen? Was sagten sie so akkurat über unsere Gesellschaft während einer weltweiten Pandemie aus, noch bevor es überhaupt zu einer solchen Pandemie kam? Um dieser Frage nachzugehen, gibt es wahrscheinlich keine besseren filmischen Beispiele als die des Regisseurs Gorge Romero. Der im Jahr 1940 geborene und 2017 verstorbene amerikanische Filmemacher gilt als eine Ikone des Horrorgenres und sogar als „Vater des Zombiefilms“ (Barnes). Angefangen mit Night of the Living Dead von 1968 hat Romero unser modernes Bild der wandelnden Toten definiert, von ihrer visuellen Darstellung, bis hin zu typischen Elementen des Genres, die wir in beinahe jedem Zombiefilm sehen können.

– Maximilian Schweigl in seiner Einleitung

Der Blick auf die Filmproduktion mit und in Zeiten von Corona sowie mit Filmklassikern über Seuchen/Pandemien machte deutlich, wie stark wir in Bildern denken und selbst zu bewegten und bewegenden Körperbildern werden (Christian Quendler). Die Filme handelten auch vom Kontrollverlust, den sich Bilder und Viren teilen. Bildinhalte verbreiten sich jenseits vorgegebener Kommunikationskänale und gehen viral. Im Film Sonne ist dies ein Videoclip, erstellt aus Langeweile und Neugierde. Im Film 12 Monkeys sind es die Welten der Verschwörungstheorien, die in unseren Kulturen zirkulieren. Der Film Contagion zeigte die Grenzen der Vernunft und die Ökologie viraler Bilder auf. Dawn of the Dead kann nicht nur als eine scharfe Kritik an Konsumismus und Materialismus gesehen werden, er spiegelt auch Verhaltensweisen in der Pandemie wider: Vorräte anzuhäufen, nicht nur um zu überleben, sondern auch um durch Konsum den Anschein eines normalen Lebens zu versuchen. Materialismus wird höher bewertet als die eigene Sicherheit. Dem Sterben für die Freiheit zu konsumieren steht in der Pandemie die Freiheit sich nicht vor dem Virus zu schützen gegenüber.

Die während der CoVid-Zeit produzierten Kurzfilme sind nicht nur kurzweilig, sondern Seismographen dessen, was während einer Pandemie in den Hintergrund tritt: andere relevante Themen oder der direkte Kontakt mit Mitmenschen. Sie behandeln aber auch Versuche, das Unkontrollierbare unter Kontrolle zu bringen und mittels neuer Wortschöpfungen zu begegnen.

Diese Veranstaltungsreihe hat aufgezeigt, dass die Produktion und die Befassung mit Kultur während der Zeit von Corona nicht stillgestanden sind. Die Debatten um „Systemrelevanz“ haben jedoch deutlich gemacht, dass das Feld der Kultur weitgehend ausgeblendet worden ist. Kulturelle Aktivitäten fanden anders und anderswo statt, vielfach unter prekären Umständen derer, die in diesem Feld tätig sind und hier ihren Lebensunterhalt verdienen. Zudem erwies sich die Pandemie nicht als der „große Gleichmacher“, der alle gleich betrifft. Weder das Risiko einer Ansteckung, die Aussichten auf Heilung, die Verteilung der Mittel, die während der Pandemie bisher aufgebracht werden mussten, noch die vielfach erhoffte „Rückkehr zur Normalität“ war und ist für alle gleich.

Video zur Tagung

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