Bildpostkarten vom Gardasee
Carl Dallagos unbeschriebene Bildpostkarten vom Gardasee

Sommerfrische: Ge­schichten einer ver­schwun­denen Urlaubs­form

Eine virtuelle Ausstellung spürt einer verschwundenen Urlaubsform - der Sommerfrische - nach. Sie ist das Ergebnis der Lehrveranstaltung „Literaturwissenschaftliche Quellenkritik an Beispielen aus dem Forschungsinstitut Brenner-Archiv“, durchgeführt von Ursula Schneider in Zeiten des Lockdowns.

Wir schreiben das Jahr 1800. Viele Menschen in den Städten klagen im Sommer über den Staub, die schlechte Luft, den penetranten Gestank der Kanalisation sowie den Lärm durch klappernde Pferdehufe und polternde Wagen - der Wunsch nach Erholung auf dem Land wächst.

Mit dem Aufstieg des Bürgertums ist die Flucht vor der sommerlichen städtischen Hitze nicht mehr einzig und allein dem Adel – für den es schon weit früher üblich war, den Sommer auf einem Landsitz zu verbringen – vorbehalten: Es etabliert sich das bürgerliche Ritual der „Sommerfrische“. So wird der ursprünglich vom italienischen „frescura“ abgeleitete Begriff um 1900, der Hochphase des Phänomens Sommerfrische, im Grimmschen Wörterbuch als ein „Erholungsaufenthalt der Städter auf dem Lande zur Sommerszeit“ definiert. Auf diese Weise kommt es zur Herausbildung klassischer Sommerfrischeorte.

Die Sommerfrische ist nicht mit dem heutigen Sommerurlaub zu vergleichen. Sommerfrische war Tradition und Statussymbol und brachte eine ganz eigene Kultur mit sich, die die Sommerfrischler*innen in eine Art Parallelwelt entführte. In eine Welt, in der Verpflichtungen und Zwänge der Stadt nicht bestanden; in eine Welt, in der man sich den Freuden des Lebens hingab, wie dem Musizieren, gemeinsamen Theaterabenden oder dem Wandern. Typischerweise verbrachte man die Sommerfrische eher wenig aktiv; man spazierte oder spielte vielleicht ein gemütliches Match Tennis oder - man las. Im Unterscheid zum heute vorherrschenden Urlaub in den Bergen, der sich zumeist durch eine Vielzahl von Möglichkeiten sportlicher Aktivität auszeichnet, die mit Intensität betrieben werden, galt die Sommerfrische also früher als eine Zeit der Ruhe und Zurückgezogenheit.

Südbahnhotel
Aber nicht nur die Sommerfrischler*innen profitierten von dieser Zeit des Luftschnappens und Zurruhekommens, sondern auch die einheimische Landbevölkerung zog daraus Vorteile, denn die Städter*innen schufen Arbeit und steckten Geld in die Erhaltung und Verschönerung des Ortes, weshalb heute noch Parkbänke, Wanderwege und Freibäder auf die Zeit der Sommerfrische zurückgehen.
Für Künstlerinnen und Künstler war die Sommerfrische aber auch eine Zeit des kreativen Schaffens in der Natur. Und so finden sich zahlreiche Darstellungen der Sommerfrische in literarischen Texten.

Die Ausstellung ist ein Produkt der Lehrveranstaltung "Literaturwissenschaftliche Quellenkritik an Beispielen aus dem Forschungsinstitut Brenner-Archiv" am Institut für Germanistik, die sich im Lockdown-Wintersemester 2020/21 mit dem Schwerpunktthema "Sommerfrische" befasste - auch, um dem depressiven, klaustrophobischen Charakter der Gegenwart etwas Imaginäres entgegenzusetzen. Zahlreiche Aspekte der Ausstellung wurden gemeinsam in der LV entwickelt. Jede und jeder Studierende stellt ein selbst gewähltes Exponat aus den Beständen des Brenner-Archivs vor - es geht auf eine imaginäre Sommerfrische-Reise vor allem durch das historische Tirol und durch Oberbayern. Mit Beiträgen von Elisa Kusstatscher, Sarah-Sophie Engl, Kina Barra, Celina Kerle, Nicole Auer, Anna-Dorothea Nussbaumer, Nina Sieberer, Julia Ofer, Janine Zumtobel, Anna Füreder, Marisa Casartelli, Lisa Nardon, Anna Stemper, Stefan Laichner, Andrea Hellweger, Annalena Peer, Ursula A. Schneider, Veronika Peterlin, Lisa Warger und Norbert Gerhold (in der Reihenfolge der Stationen). Kuratiert und herausgegeben wurde die Ausstellung von Ursula A. Schneider.

(Ursula Schneider)

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