Gruppenfoto zur Neophytentrategie des Landes
Von links: Konrad Pagitz (Leiter des Kompetenzzentrums Neophyten Tirol), Paul Illmer (Dekan der Fakultät für Biologie der Universität Innsbruck), LHStvin Ingrid Felipe, LHStv Josef Geisler und Reinhard Lentner (Abt. Umweltschutz Land Tirol) stellten die Neophyten-Strategie des Landes Tirol vor. Der Riesen-Bärenklau (siehe Bild) zählt zu den als problematisch eingestuften Neophytenarten und kann schmerzhafte Hautreaktionen bis hin zu Atemnot auslösen.

Uni-Exper­tise für Neo­phyten­strate­gie des Lan­des

Schön anzusehen, doch mitunter äußerst schädlich: das sind Neophyten – gebietsfremde Pflanzenarten, die sich rasch ausbreiten und sich sowohl auf den heimischen Tier- und Pflanzenbestand, die Land- und Forstwirtschaft als auch auf die Gesundheit des Menschen negativ auswirken können. Eine breit angelegte, landesweite Neophytenstrategie soll dazu beitragen, die Ausbreitung zu vermeiden.

Die konkreten Maßnahmen im Rahmen der Neophytenstrategie wurden am Freitag, 28. August, von LHStvin Ingrid Felipe, LHStv Josef Geisler, Paul Illmer, Dekan der Fakultät für Biologie der Universität Innsbruck, Konrad Pagitz vom Institut für Botanik der Universität Innsbruck und Leiter des Kompetenzzentrums Neophyten-Tirol, und Reinhard Lentner von der Abteilung Umweltschutz des Landes Tirol im Botanischen Garten in Innsbruck vorgestellt.

Prävention durch Information ist eine der wichtigsten, kostengünstigsten und einfachsten Formen der Neophytenbekämpfung. „Um die heimische Artenvielfalt zu schützen und zu erhalten ist es wichtig, über die negativen Auswirkungen gebietsfremder Pflanzen Bescheid zu wissen“, ist Naturschutzreferentin LHStvin Felipe überzeugt. „Denn nur so kann es gelingen, die landesweite Ausbreitung schädlicher Pflanzen in den Griff zu bekommen.“ Neben der Problemvermeidung durch Prävention setzen das Land Tirol und das Neophyten-Kompetenzzentrum der Universität Innsbruck sowohl auf Bekämpfungsmaßnahmen im Frühstadium des Auftretens gebietsfremder Arten als auch auf die Verhältnismäßigkeit in der Bekämpfung bereits etablierter Neophytenvorkommen und ein koordiniertes Maßnahmenmanagement.

„Unser Ziel ist es, die Neophyten in Schach zu halten und zu verhindern, dass neue gebietsfremde Pflanzen eingeschleppt werden. Gerade auch in der Landwirtschaft verursachen Neophyten beträchtliche Schäden. Diese reichen von Ernteausfällen bis hin zur Beeinträchtigung der Tiergesundheit durch giftige Pflanzen“, führt LHStv Josef Geisler aus. Die Bekämpfung von Neophyten, die oftmals nur händisch möglich und sehr zeitaufwändig ist, sieht Geisler als gemeinschaftliche Aufgabe und setzt auf Prävention. „Regionalität sollte nicht nur beim Lebensmitteleinkauf, sondern auch bei der Gartengestaltung selbstverständlich sein“, so Geisler. Die Landesforstgärten bieten etwa heimische Sträucher und Bäume. Für Grünflächen stehen im Rahmen der Initiative „Tiroler Blumenwiesn“ in Kürze regionale Saatgutmischungen zur Verfügung.

„Das Auftreten gebietsfremder Pflanzenarten ist auf menschliche Aktivitäten zurückzuführen. Vor allem in der Neuzeit ist die Zahl der durch den Menschen verbreiteten Pflanzenarten (Neophyten) sprunghaft angestiegen. In Tirol sind mittlerweile rund 600 Neophyten dokumentiert. Diese stehen ca. 1.800 heimischen Pflanzenarten gegenüber. 14 dieser Neophyten sind derzeit für Tirol als problematisch eingestuft. Dazu zählen unter anderem Beifuß-Ambrosie, Riesen-Bärenklau, Südafrikanisches Greiskraut, Kanadische Goldrute, Drüsiges Springkraut, Sommerflieder oder Robinie. Meist wurden diese Arten aktiv nach Tirol geholt, angepflanzt und als Zier-, Nutz-, Forst- Bienen- oder Aquarienpflanzen genutzt. Ausnahmen sind die Beifuß-Ambrosie und das Südafrikanisches Greiskraut – sie wurden unabsichtlich ins Land gebracht. Einmal im Gebiet Fuß gefasst, können sich diese Arten sehr effektiv an ihren Wuchsorten behaupten, in die Umgebung eindringen und sich schlussendlich massenhaft ausbreiten. Je nach Art kommen dabei unterschiedliche Ausbreitungsmechanismen zum Tragen. Allen aber ist gemeinsam: ihr wichtigster Verbreitungsfaktor ist nach wie vor der Mensch“, berichtet Pagitz. Folgeerscheinungen dieser Massenausbreitung sind negative Auswirkungen auf die Diversität der heimischen Flora und Fauna, aber auch auf die Gesundheit von Mensch und Tier.  So kann die Beifuß-Ambrosie Allergien auslösen, der Riesen-Bärenklau schmerzhafte Hautreaktionen bis hin zu Atemnot verursachen und das Südafrikanische Greiskraut – wenn es als Verunreinigung ins Viehfutter, Getreide oder Gemüse gelangt – zu Vergiftungen führen. „Managementmaßnahmen müssen die Biologie der Arten berücksichtigen und genauso der jeweiligen Fundsituation angepasst werden. Ein bewusster Umgang mit diesen Arten, wie auch allen anderen Neophyten ist aber Grundvoraussetzung“, so Pagitz.

„Wer mit offenen Augen durchs Land geht, sieht die zunehmende Ausbreitung der Neophyten. Der verhältnismäßige Umgang ist eine Mammutaufgabe, es braucht daher Bereitschaft und engagierte Mitarbeit von Systempartnern, wie Gemeinden, Bergwacht, Universität und der unterschiedlichen Organisationseinheiten des Landes, um diese Aufgabe zu bewältigen. Da finanzielle und personelle Ressourcen begrenzt sind gilt es, mit den vorhandenen Mitteln einen möglichst hohen Erfolg zu erzielen. Dazu ist strategisches Vorgehen erforderlich. Die Neophytenstrategie Tirols liefert die entscheidenden Grundlagen dazu“, sagt Reinhard Lentner von der Abteilung Umweltschutz des Landes Tirol.

Biologie-Dekan Paul Illmer ist stolz, einer so vielfältigen Fakultät vorstehen zu dürfen: „Die Expertise an der Fakultät für Biologie reicht von der Stammzellenforschung zur Bekämpfung von Alzheimererkrankungen über ökologische Auswirkungen und mikrobielle Ursachen des Klimawandels bis hin zu biotechnologischen Verfahren zum Umweltschutz. Ganz wichtig ist es auch, die Artenkenntnis von Mikroorganismen, Pflanzen und Tieren weiter im Blick und im Lehrplan für Studierende zu halten – denn nur, wer die heimischen Arten einwandfrei ansprechen kann, vermag auch fremdartige Invasoren zu erkennen.“ Illmer freut sich daher, in Bezug auf das Neophyten-Zentrum, über die umfassende Kompetenz am Institut für Botanik: „Erst dadurch kann das komplexe Problem der Neophyten sichtbar gemacht und die wissenschaftliche Grundlage für weitere Behandlungen und Maßnahmen geschaffen werden.“

(Land Tirol/red)

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