Mit dem ERC-Consolidator-Grant werden nach einem strengen Auswahlverfahren exzellente Wissenschafter*innen gefördert, die in Europa bahnbrechende Forschung betreiben und eine eigene, unabhängige Forschungsgruppe aufbauen. Insgesamt gingen bereits 20 ERC-Grants an Forscher*innen der Universität Innsbruck. Heute wurden die diesjährigen Preisträger*innen bekannt gegeben.
Wetterprognosen im Gebirge verbessern
Unter dem Projekttitel UNICORN beschäftigt sich Prof. Ivana Stiperski vom Institut für Atmosphären- und Kryosphärenwissenschaften mit Turbulenzen – einem Phänomen, das der Physik und Mathematik immer noch viele Rätsel aufgibt. Im Mittelpunkt stehen für die Meteorologin dabei vor allem Wetterentwicklungen im Gebirge. Genaue Wettervorhersagen und Klimaprognosen erfordern eine genaue Beschreibung von Turbulenz, über dem komplexen Gelände von Bergregionen ist das aber besonders schwierig. „In der Atmosphäre ist Turbulenz immer in der untersten Schicht, der sogenannten Grenzschicht, vorhanden. Dort ist sie für verschiedene Austauschprozesse verantwortlich und wirkt sich daher auf so unterschiedliche Phänomene wie Klima, Sturmsysteme, Luftverschmutzung und Gletscherschmelze aus“, erklärt Stiperski. Bislang beruht das Verständnis der atmosphärischen Turbulenz und der Art und Weise, wie sie in Wetter- und Klimamodellen berücksichtigt wird, auf der so genannten Ähnlichkeitstheorie. Diese bezieht sich allerdings auf flaches Gelände: „Dieses Fehlen einer Theorie, die Turbulenzcharakteristika über komplexem Gelände angemessen beschreibt, führt zu Unsicherheiten bei der Wettervorhersage und bei Klimaprojektionen über Berggebieten“, sagt Ivana Stiperski. „Das im Rahmen des ERC-Consolidator-Programms geförderte Projekt UNICORN ermöglicht es nun, diese Wissenslücke zu schließen, indem ich eine verallgemeinerte, für alle Geländetypen gültige Ähnlichkeitstheorie entwickle und dabei eine Synergie aus großen Messdatensätzen, maschinellem Lernen, numerischer Modellierung und theoretischen Konzepten nutze.“
Zur Person
Ivana Stiperski wurde 1980 in Zagreb, Kroatien, geboren. Sie studierte Atmosphärenphysik und Physik des Ozeans an der Universität Zagreb und promovierte dort im Jahr 2010. Ein Jahr später kam sie an die Universität Innsbruck und arbeitete in der Gruppe von Prof. Mathias Rotach über bergige Grenzschichten. Stiperski erhielt zahlreiche internationale Auszeichnungen und Stipendien, darunter ein Hertha-Firnberg-Stipendium des FWF. Im März 2019 wurde sie auf eine Ingeborg-Hochmair-Frauenprofessur an das Institut für Atmosphären- und Kryosphärenwissenschaften der Uni Innsbruck berufen.
Unzugängliche Naturstoffe konstruieren
Thomas Magauer, Professor am Institut für Organische Chemie, ist ein „molekularer Architekt“ mit einer Leidenschaft und Begeisterung für hoch-funktionalisierte, bioaktive Moleküle. Seit seiner Zeit als Doktorand ist er fasziniert von der Komplexität und Vielfältigkeit molekularer Architekturen, Moleküle, und ihrer Rolle als wertvolle Leitstrukturen für die Entwicklung neuartiger Medikamente. Für die systematische Untersuchung dieser molekularen Architekturen müssen erhebliche Substanzmengen verfügbar sein. „Viele der Architekturen sind jedoch derzeit nicht aus natürlichen Quellen zugänglich oder erfordern langwierige und teure Synthesestrategien. Das Projekt CRAFTMOL wurde entwickelt, um eine Lösung für dieses Problem bereitzustellen. Zusammen mit einem Team molekularer Architekten werden neuartige Polyencyclisierungen untersucht, um derzeit unzugängliche Naturstoffe mit beispielsweise krebshemmender, antiviraler oder entzündungshemmender Wirkung zu konstruieren“, erläutert Magauer. Chemikerinnen und Chemiker haben das Potenzial dieser Cyclisierung für die organische Synthese früh erkannt und große Anstrengungen unternommen, um sie im chemischen Labor nachzuahmen. Für das Projekt CRAFTMOL wurden neuartige Modi für Polyencyclisierungen und neuartige Terminierungsschritte entwickelt. Basierend auf den beiden komplementären, synergistischen Arbeitspaketen werden die Einschränkungen früherer Systeme umgangen und die Synthese biologisch aktiver Moleküle vereinfacht.
Zur Person
Thomas Magauer wurde 1983 in Linz geboren und promovierte an der Universität Wien im Fach Chemie. Nach einem Forschungsaufenthalt (2010–2012) an der Harvard Universität, begann er mit dem Aufbau seiner unabhängigen Nachwuchsgruppe an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Anfang 2017 war er als Gastprofessor an der University of Wisconsin (Madison, USA) tätig und folgte danach einem Ruf als Universitätsprofessor für Organische Chemie nach Innsbruck. Die Arbeitsgruppe von Thomas Magauer beschäftigt sich mit der Synthese und Entdeckung neuer bioaktiver Leitstrukturen. Für seine Arbeiten erhielt Thomas Magauer den ORCHEM- und ADUC-Preis der Gesellschaft Deutscher Chemiker (2016), den Arnold Sommerfeld Preis der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (2016), den Preis für Naturstoff-Forschung der DECHEMA (2017) und den Preis der Landeshauptstadt Innsbruck (2019). Die Forschungsarbeiten werden aktuell von zwei FWF-Stand-Alone Projekten sowie einem ERC Starting Grant unterstützt.