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Neben 109 Sprachfamilien werden in Südamerika nach wie vor 70 Isolate - also linguistische Systeme, die keiner Sprachfamilie zugeordnet werden können - verzeichnet, deren Ursprung und wechselseitiger Kontakt hochinteressante Forschungsfragen aufwerfen.

Die indi­genen Sprachen Süd­ame­rikas

Bei dem Gastvortrag „The Indigenous Languages of South America: Origins, Dispersal, Diversity”, der am 17. November 2020 im Rahmen der Vortragsreihe „Die Sprachen der Amerikas“ am Zentrum für Interamerikanische Studien stattfand, gab Dr. Pieter Muysken (Radboud Universität Nijmegen) faszinierende Einblicke in sein Forschungsgebiet.

Der international anerkannte Linguist untersucht weltweit Phänomene der Sprachentwicklung und des Sprachkontakts, wofür er mit dem renommierten Spinoza-Preis (1998) und dem Prinz-Bernhard-Preis (1985) ausgezeichnet wurde. Er ist außerdem Mitglied der Max-Planck-Gesellschaft und der Königlich Niederländischen Akademie der Wissenschaften. Im Zentrum seines Schaffens steht, neben dem Sprachkontakt in den Niederlanden, die Entwicklung der indigenen Sprachen Südamerikas. Vor allem widmete er sich den Varietäten des Quechua, die er u.a. im Rahmen seiner Dissertation über die syntaktischen Entwicklungen der Verbalphrasen der ecuadorianischen Variante erforschte.

Bei dem aufschlussreichen Gastvortrag gab Dr. Muysken einen Abriss seiner Forschungsergebnisse zur Entwicklung der ca. 490 amerindischen Sprachen Südamerikas aus diachroner Perspektive. Neben 109 Sprachfamilien werden nach wie vor 70 Isolate -also linguistische Systeme, die keiner Sprachfamilie zugeordnet werden können- verzeichnet, deren Ursprung und wechselseitiger Kontakt hochinteressante Forschungsfragen aufwerfen.

Trotz fortgeschrittener Methoden und unterschiedlicher Forschungsansätze konnte bisher keine Verwandtschaft zwischen den Isolaten festgestellt werden, und auch die im weltweiten Vergleich sehr große Zahl an Sprachfamilien gab Linguist*innen Rätsel auf -zumal durchaus gewisse morphologische, syntaktische und lexikalische Ähnlichkeiten zwischen den einzelnen Sprachen und Familien beobachtet werden können. Diese Konvergenzen, die sprachübergreifend in bestimmten Gebieten des Kontinents zu finden sind, deuten auf wenige zugrundeliegende deep families sowie auf intensiven Kontakt zwischen den einzelnen sprachlichen Systemen, respektive Völkern, hin. Denn schlussendlich erzählen diese linguistischen Phänomene die Geschichte ihrer Sprecher*innen: strukturelle Ähnlichkeiten bildeten sich vor allem in Regionen mit hoher Bevölkerungsdichte heraus, in denen verschiedene indigene Völker mit ihren jeweiligen Sprachen aufeinandertrafen, und sogenannte Wanderwörter zogen samt der bezeichneten Güter entlang der Handelswege durch den Kontinent.

Pieter Muysken gab bei seinem Gastvortrag einen umfassenden Überblick über die sprachgeschichtlichen Entwicklungen in Südamerika und veranschaulichte einmal mehr die bemerkenswerte Diversität und Komplexität der amerindischen Sprachen. Mit diesem hochinteressanten Beitrag endet die Vortragsreihe „Die Sprachen der Amerikas“ des Zentrums für Interamerikanische Studien, die bereits im Sommersemester 2019 begann und in diesem Wintersemester fortgeführt wurde. Die zugehörige Publikation wird im Laufe des nächsten Jahres im Logos Verlag erscheinen.

Aufzeichnungen und Material der Vorträge stehen zum Nachhören und -lesen auf OLAT zur Verfügung und können gerne per Email (zias@uibk.ac.at) angefragt werden.

(Jana Kluiber)

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