Außervillgraten
In Außervillgraten fand am ersten Adventwochenende die traditionelle "Universität im Dorf" bereits zum 19. Mal statt.

Leben mit dem Berg

Die Veranstaltung Universität im Dorf ist inzwischen in Osttirol schon jedem Kind ein Begriff. So war es nicht überraschend, dass sich auch heuer wieder zahlreiche Interessierte zur 19. Veranstaltung im Haus Valgrata in Außervillgraten einfanden.

Jung und Alt bemühten sich am ersten Adventwochenende in Außervillgraten einen der begehrten Plätze im Publikum bei der Veranstaltung „Universität im Dorf“ zu ergattern. Nach den Begrüßungsworten des Bürgermeisters Josef Mair, unseres Landesrates Bernhard Tilg und dem Vorstand des Institutes für Geologie Diethard Sanders leitete Vizerektor Fügenschuh in das Thema Leben mit dem Berg ein und übergab der ersten Vortragenden, Hanna Pomella, das Wort.

In rund 40 Minuten gelang es Hanna Pomella 100 Millionen Jahre Entwicklung der Erde plastisch darzustellen. Anschaulich demonstrierte sie den Kollisionskurs der Kontinente, der die Entstehung der Alpen ermöglichte. Die aufmerksamen ZuhörerInnen erfuhren, dass im Trias die Dolomiten den Malediven glichen und sich eine Verschiebung der klimatischen Bedingungen laufend ergibt. Daher wird auch künftig Land verschwinden und neues entstehen. Allerdings haben diese sich über Jahrmillionen verändernden klimatischen Verhältnisse nichts mit der aktuellen Diskussion zum Klimawandel zu tun, der von anderer Seite die klimatischen Veränderungen der Erde befeuert. Wichtig ist zu verstehen, dass der Erdmantel eine sehr dünne, harte Kruste im Gegensatz zum heißen, flüssigen, sich immer bewegenden Kern darstellt. Abschließend veranschaulichte Frau Pomella die Faltenbildung von Gebirgen in einem Aquarium anhand verschieden farbiger Sandschichten.

Thomas Sausgruber von der Geologischen Stelle des Forsttechnischen Dienstes für Wildbach- und Lawinenverbauung (WLB) beschäftigt sich in der Praxis mit Sturz- und Hangbewegungen und schloss mit seinem Vortrag an Pomella an. Einleitend erklärte er die vielfältigen Prozesse von möglichen Gefahren wie bspw. Felslawinen, Bergsturz, Blocksturz, Gleitung, Erdstrom, Kriechhang und verwies auf die „Stummen Zeugen“, die sehr wichtig sind für seine Arbeit. Weiters nahm er Bezug auf die Faktoren, die die Sicherheit eines Hanges beeinflussen: Geologie/Untergrund, Verwitterung/Entfestigung, Wasser/Erosion/Erdbeben und last but not least der Mensch selbst. Jeder Hang erzählt seine eigene Geschichte. Aus diesem Grund ist die Risikobetrachtung inkl. permanentes Monitoring und die damit in Verbindung stehende Erstellung von Gefahrenzonenplänen gefährdeter Gelände wichtig. Hierzu ist die gute Zusammenarbeit mit verschiedenen Fachgebieten wie Geodäsie, Hydrologie, Ingenieurgeologie, Hydrogeologie, Boden- und Felsmechanik und verschiedene Institutionen z. B. Uni, TuW, BuKo, ATLR, Ingenieurbüros, Tiwag, BBT, Zamg, GBA, BFW, WLV unerlässlich. Auf die Frage wie die Leute in früheren Zeiten überhaupt sicher bauen konnten, erklärt Sausgruber, dass das sehr gute BeobachterInnen waren.

Fügenschuh leitete auf den Vortrag von Michael Strasser über, der zum Thema „Der Berg bebt“ sprach. Zu Beginn erklärte dieser die Erdbebenintensitätsskala und betonte, dass wir uns hier in Außervillgraten auf sehr sicherem Gebiet befänden. In gesamt Tirol gibt es pro Jahr ca. 14 Beben – keines zerstörend. Laut der Chronik hat es 1862 in Sillian ein stärkeres Erdbeben gegeben. Hierzu verwies er auf AHEAD – European Archive of Historical Earthquake Data, in der alle bekannten historischen Erdbeben nachgelesen werden können. Die Datenbank wird laufend upgedated durch aktuelle Meldungen aus der Bevölkerung. Weiters erklärte er die Gutenberg-Richter-Wahrscheinlichkeit, die sich gut für den Alpenbereich anwenden lässt. Abschließend wurde noch die Unterscheidung zwischen Magnitude und Richterskala besprochen. Anwesende erkundigen sich nach der Bruchfläche, die unterschiedlich groß sein können. Fügenschuh schließt die Nachmittagsveranstaltung und weist auf die Messe und die anschließende Podiumsdiskussion hin.

In der Vorabendmesse betonte, Pater Georg Fischer, SJ in seiner Predigt, dass uns Berge Vieles schenken. Sie beglücken uns und zeigen uns auch unsere Grenzen auf. Für ihn sind Berge privilegierte Orte für die Begegnung mit Gott. Seit Ewigkeiten besteigen Menschen Berge um Gott zu ehren. Berge stehen für Treue, Beständigkeit und Vieles mehr.

Nach 20.00 Uhr haben sich Alt-LH. Wendelin Weingartner, Thomas Sausgruber, Hanna Pomella, Diethard Sander und Andreas Töchterle eingefunden um über das Thema Spannung Berg zu diskutieren. Vizerektor Fügenschuh leitete die Moderation und betonte, dass es Spannungen in verschiedensten Bereichen gibt wie bspw. physikalischer aber auch menschlicher Natur. Als Diskussionspunkt bot sich der Brenner Basistunnel (BBT) an, der einerseits das Spannungsfeld Naturgefahren beinhaltet aber auch die politische Dimension umfasst. Bereits im Vorfeld gab es viele Diskussionen über den Verlauf der Wegstrecke des Tunnels. Zudem war man mit zahlreichen Billiganbietern konfrontiert. Politisch denkend ist Weingartner nach wie vor davon überzeugt, dass es ohne BBT keine Zustimmung aus Tirol für den EU-Beitritt gegeben hätte. Weiters wird über Bauvorhaben in roten und gelben Zonen diskutiert, die zum Tagesgeschäft eines jeden Bürgermeisters gehören. Sie müssen die Sachlage gut abwägen, um kluge Entscheidungen auf Basis von Gutachten wertfrei treffen zu können. Anschließend luden noch die Ortsbäuerinnen zum Buffet ein, dass auch dieses Mal wieder ausgezeichnet mundete.

Der zweite Tag

Den zweiten Tag eröffnete Alex Stricker, der im Rahmen seiner Bachelorarbeit einen geologischen Lehrkoffer für den Bezirk Lienz entwickelt hat. Das gute Stück konnte im Foyer betrachtet und mit den eigenen Händen befühlt werden. Stricker erklärte, fokussiert auf Osttirol, die geologischen Entwicklungen der letzten Jahrmillionen. Der Koffer steht allen LehrerInnen aus ganz Tirol zur Verfügung und stellt 16 Gesteinsarten inkl. deren Geschichte und Entwicklung vor.

Christoph Spötl referierte zum Thema „Von den Eisbergen zu den heißen Bergen“ und betonte, dass 20.000 Jahre für einen Geologen einen Wimpernschlag bedeuten. Er versuchte in seinem Vortrag den Fokus auf eben diese Zeit zu legen, da er darin die größten und schnellsten Änderungen des Klimas und der Umwelt sieht. Spötl strich hervor, dass es ohne Glazialzeiten keine Alpen gäbe wie wir sie kennen und informierte, dass die Berge bereits wärmere Zeiten als die gegenwärtigen durchlebt haben, wobei das Hochgebirge besonders sensibel auf Klimaänderungen reagiert. Abschließend fasste er zusammen, dass die Geschwindigkeit der globalen Änderungen seit rund 150 Jahren beispiellos im Kontext der vergangenen 1 Millionen Jahre ist, was uns zum Denken aber vor allem zum Handeln veranlassen muss.

Im Anschluss erklärte Diethard Sanders die Eigenschaften des „stürzenden“ Berges. Einleitend ging er kurz auf die Geschichte des Forschungsgebietes ein und differenzierte den Begriff Bergsturz, der oft falsch verwendet wird. Ein Bergsturz ist keine Mure, sondern es handelt sich dabei immer um katastrophale, extrem schnelle Ereignisse, die ganze Landschaften verändern können. Sie sind gekennzeichnet durch einen einzigartigen Mechanismus. Seit der letzten Eiszeit haben sich rund 600 Bergstürze ereignet, einige wurden beispielhaft angeführt.

Den Schlussvortrag übernahm Andreas Töchterle als leitender Geologe des Brenner Basistunnels (BBT). Dieser Tunnel, der bereits am Vorabend im Rahmen der Podiumsdiskussion besprochen wurde, wird derzeit zwischen Innsbruck und Franzensfeste gebaut. Die Gesamtlänge soll 64 km betragen. Somit wäre dieser Tunnel die längste unterirdische Eisenbahnverbindung der Welt. Mit welchen Herausforderungen Töchterle tagtäglich auf seiner Baustelle konfrontiert ist, veranschaulichte er mit Bildmaterial und entsprechenden Filmen. Auch die sinnvolle Verwendung des Handysticks wird, bei herunter donnernden Gerölls Massen, sehr eindrücklich dargestellt.

Bürgermeister Mair und Vizerektor Fügenschuh schlossen die Veranstaltung und dankten den Anwesenden für das zahlreiche Erscheinen. Die 20. Universität im Dorf ist bereits in Planung. Anregungen und Ideen sowie thematische Vorschläge sind jederzeit unter weiterbildung@uibk.ac.at herzlich willkommen.

(Daniela Genser)

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