Grabungen am Klosterfrauenbichl
Ausgrabungsarbeiten im Tempel auf der Hügelkuppe des Klosterfrauenbichls.

Ein heiliger Hügel gibt faszi­nie­rende Funde frei

Den Klosterfrauenbichl in Lienz haben bereits Kelten und später die Römer als heiligen Platz genützt. Barbara Kainrath und Gerald Grabherr untersuchen seit dem Jahr 2014 das bereits über 2000 Jahre alte Heiligtum mit archäologischen Grabungen.

Der keltische Stamm der Laianken hat den etwa 150 Meter hohen Hügel vor Lienz erstmals als Heiligtum genützt. Bereits in der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts vor Christus wurden an dem magischen Ort heilige Riten und Weihungen durchgeführt. Mit der Besetzung durch die Römer um die Zeitenwende wurde der Hügel zu einem römischen Heiligtum transformiert. Heute ist der unter Denkmalschutz gestellte Klosterfrauenbichl in Besitz der Dominikanerinnen, die ihre Zustimmung zu den Grabungen gegeben haben. „Durch intensive Prospektionen eines Heimatforschers wurde die Fundstelle überhaupt erst entdeckt. Daraufhin wurde das Denkmalamt und die Universität Innsbruck informiert und erste Grabungen in Auftrag gegeben“, erläutert Gerald Grabherr, Professor am Institut für Archäologien die Fundgeschichte, der gemeinsam mit Barbara Kainrath und einem Team von Expertinnen und Experten seit dem Jahr 2014 archäologische Grabungen an diesem einzigartigen Platz durchführt. Seit 2018 wird das Projekt vom Institut für Kulturgeschichte der Antike der Österreichischen Akademie der Wissenschaften unterstützt. „Mit jeder Grabung hat sich der Platz als noch bedeutender erwiesen, als bisher vermutet“, freut sich der Archäologe. Die zahlreichen Funde werden derzeit restauriert und wissenschaftlich bearbeitet, um sie dann in weiterer Folge auch den Menschen vor Ort zugänglich zu machen.

Keltische Tradition

 Fibeln, Votivbleche aus Bronze, Münzen und sogar Teile einer keltischen Kriegstrompete, einer sogenannten Carnyx, haben die Forscherinnen und Forscher gefunden. Der keltische Stamm der Laianken hat in Lienz, dessen Ortsname sprachwissenschaftlich auf den Namen des Stammes zurückgeführt werden kann, seine Spuren hinterlassen. Auch eiserne Feuerböcke mit Stierkopfenden wurden als Weihegaben am Heiligtum deponiert. „Wir konnten erstmals in Österreich auch Fragmente einer Carnyx, mit Wildschwein- oder Drachenkopf, bergen. Allgemein bekannt wurde diese auch in den Comics von ‚Asterix und Obelix‘, in denen Troubadix diese Carnyx mit sich führt“, so Kainrath. In keltischer Zeit wurde der Hügel als Stammesheiligtum genützt, wobei die Archäologinnen und Archäologen die Siedlung des Stammes noch nicht kennen. „Wahrscheinlich hat sich diese an dem Platz befunden, wo heute Lienz steht. Mit dem Fund des Heiligtums haben wir überhaupt erst den ersten Hinweis auf die Laianken“, verdeutlicht die Expertin. Dass dieser keltische Stamm im Lienzer Becken beheimatet war, sei laut Grabherr und Kainrath bereits bekannt. Allerdings fehlten bisher eindeutige Hinweise auf deren Leben. „Wir haben in Lienz nun das erste Heiligtum entdeckt, das noch nicht von anderen Bauwerken überbaut worden ist. So haben wir erstmals die Möglichkeit, auch die Nutzungsgeschichte dieses Ortes zu rekonstruieren“, so Grabherr. Unterstützt durch eine topographische Vermessung von Thomas Weinold, Professor am Arbeitsbereich Geometrie und Vermessung, konnten sich die Archäologinnen und Archäologen ein besseres Bild des Geländes machen und haben festgestellt, dass das dazugehörende Gebiet weitaus größer ist als bisher vermutet. Die archäologischen Untersuchungen des Teams brachten unzählige Fundstücke zutage. „Bei unseren Grabungen sind wir auf eine aus der Erde ragende Hand gestoßen und konnten dann eine bronzene Kriegerstatuette aus der keltischen Zeit freilegen“, ist der Wissenschaftler begeistert. Neben Schmuck, Feuerböcken und Münzen wurden auch Waffen als Weihegaben identifiziert. Lanzenspitzen oder Teile von Schwertern stammen noch von den Laianken. „Der Stamm hat seine Waffen auch gegen die Römer gebraucht, auch wenn sie sich wahrscheinlich relativ rasch ergeben haben“, so Grabherr weiter. Waffenfunde und zahlreiche Schuhnägel römischer Legionäre legen kriegerische Auseinandersetzungen zwischen den einheimischen Kelten und der römischen Armee im Zuge des Alpenfeldzuges der römischen Armee und der anschließenden Okkupation nahe.

Die Römer in Noricum

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Eine Kriegerstatuette aus keltischer Zeit. (Bild: Institut für Archäologien)

 Nach der Eroberung durch Rom wurde das Heiligtum monumentalisiert. Der Hügel wird terrassiert, Mauern werden gezogen und die für antike Heiligtümer typische Umfassungsmauer, die das sogenannte Temenos begrenzt, entsteht. „So wurde der sakrale vom profanen Raum getrennt. Die Römer haben den heiligen Platz der Kelten übernommen und an ihre Traditionen angepasst“, erläutert Kainrath. Der Platz verwandelte sich von einem mit Wald bewachsenen Hügel zu einer pyramidenartigen Anlage, die mit weiß verputzten Bauten gestrahlt haben soll. So, wie das Heiligtum römisch wurde, so sahen sich auch die Menschen mit neuen Einflüssen und Traditionen konfrontiert. „Römisch war die Gegend primär durch die Zeitstellung. Die Menschen, die hingehen, sind noch immer dieselben“, so die Wissenschaftlerin. Doch auch aus dieser Zeit konnten die Archäologinnen und Archäologen interessante Funde freilegen. Dazu gehören unzählige kleine Zinnfiguren, sogenannte Votivstatuetten. Die römischen Göttinnen und Götter, wie Viktoria, Minerva, Merkur, Fortuna oder Jupiter wurden am ehemaligen keltischen Heiligtum den Göttern geweiht. „Insgesamt konnten wir rund 600 Fragmente in unterschiedlicher Größe und unterschiedlichem Erhaltungszustand bergen. Diese Figuren stellen das umfangreichste Ensemble solcher Zinnstatuetten im gesamten römischen Weltreich dar“, sind Kainrath und Grabherr begeistert. Weiters fanden die Expertin und der Experte mit ihrem Team über tausend archäologische Fundstücke der römischen Epoche – ein einzigartiges Repertoire für Tirol und ganz Österreich. Dazu zählen unter anderem Münzen, Schuhnägel, Schmuck und Fibeln. „Besonders schön sind auch Ringe mit Gemmen, also Ringsteinen aus Glas, mit eingeritzten Motiven“, so Kainrath. Ergänzend zur keltischen Kriegerstatuette konnten die Wissenschaftlerin und der Wissenschaftler das römische Pendant in Bronze freilegen. „Als Prunkstück der Forschungen im Jahr 2019 wurde eine Bronzestatue des Gottes Jupiter geborgen. Er ist bartlos dargestellt und hält in seiner rechten Hand das Blitzbündel, das Attribut in seiner Linken ist nicht mehr erhalten. Auch hier haben wir zuerst die Hand entdeckt, die sich uns entgegengestreckt hat“, so Grabherr.

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Der römische Gott Jupiter als Bronzestatue. (Bild: Institut für Archäologien)

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Zinnfiguren, hier die römische Göttin Viktoria, stellen das umfangreichste Ensemble solcher Statuetten im gesamten römischen Weltreich dar. (Bild: Institut für Archäologien)

Die enorme Anzahl an Funden ist für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein großer Erfolg. Besonders interessant ist für sie die Transformation des Hügels von der keltischen in die römische Zeit. „Es gab eine monumentale Umgestaltung durch die Römer und doch bleibt vieles in der keltischen Tradition bestehen“, so Grabherr. Das keltische Stammesheiligtum wurde unter römischer Herrschaft weitergeführt, verlor aber sukzessive an Bedeutung. „Der denkmalgeschützte Hügel soll nicht zur Gänze freigelegt werden. Es gibt aber noch einige offene Fragen, die wir gerne noch klären möchten“, betont Kainrath. Der Klosterfrauenbichl wird die Wissenschaft noch länger beschäftigen, bevor die Erkenntnisse und dieser mystische Platz wieder der Bevölkerung zugänglich gemacht werden.

Zur Unterstützung der Grabungen vor Ort soll ein gemeinnütziger Förderverein in Lienz gegründet werden, der nicht nur die Forschungen am Klosterfrauenbichl, sondern auch die öffentliche Präsentation der archäologischen Fundstelle und deren Fundstücke unterstützt.

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