ÖAW-PreisträgerInnen
16 Jungforscherinnen und Jungforscher wurden von der ÖAW heuer ausgezeichnet.

ÖAW-Preise für den wissenschaft­lichen Nach­wuchs

Herausragende Forscherinnen und Forscher am Anfang ihrer Karriere wurden am 15. November von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ausgezeichnet. Mit Michael Schauperl und Michaela Quast-Neulinger wurden auch zwei AbsolventInnen der Uni Innsbruck ausgezeichnet.

Einmal im Jahr verleiht die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) Auszeichnungen an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die am Anfang ihrer Karriere stehen und mit ersten, herausragenden Forschungsarbeiten auf sich aufmerksam machen konnten. Heuer wurden an insgesamt 16 Forscherinnen und Forscher aus den verschiedensten Disziplinen insgesamt 12 Preise verliehen, die am 15. November bei einem Festakt an der ÖAW in Wien an die Preisträger überreicht wurden. Michael Schauperl, der derzeit University of California, San Diego forscht, erhielt den mit 4.000 Euro dotierten Karl Schlögl-Preis. Er wurde für seine Dissertation „Enthalpic and Entropic Contributions to Biomolecular Recognition“ in der Arbeitsgruppe von Klaus Liedl an der Fakultät für Chemie und Pharmazie ausgezeichnet. Der Roland Atefie-Preis zu gleichen Teilen an Michaela Quast-Neulinger vom Institut für Systematische Theologie der Universität Innsbruck für ihre Dissertation „Zwischen Dolorismus und Perfektionismus. Konturen einer ‚Politischen Theologie der Verwundbarkeit‘ im Ausgang von Talal Asad“ sowie an Michael Stadler von der Universität Wien. 

Zur biomolekularen Erkennung

Die Fähigkeit eines Biomoleküls, bestimmte chemische Stoffe von anderen zu unterscheiden, nennt man biomolekulare Erkennung. Komplexe Prozesse in der Natur, wie z. B. die Wirkung von Medikamenten, die Entwicklung von Zellen, oder auch gefrierbeschleunigende Eigenschaften von Stoffen, funktionieren durch dieses Prinzip. Biomolekulare Erkennung grundlegend zu verstehen ist daher entscheidend, um die auf ihr beruhenden Prozesse begreifen zu können. Wasser – vor allem das Verdrängen von Wassermolekülen – kann eine der Hauptantriebskräfte für biomolekulare Erkennung sein. Die Rolle, die Wasser in vielen biologischen Prozessen spielt, ist allerdings noch nicht vollständig geklärt. Einerseits kann Wasser dazu beitragen, energetisch günstige Wechselwirkungen zu überbrücken und damit zum enthalpischen Teil einer Bindung beitragen. Andererseits kann auch das Verdrängen von energetisch ungünstigen Wassermolekülen zu günstigen Bindungsbeiträgen fuhren (Entropieeffekt). Um die Rolle von Wasser in der biomolekularen Erkennung genauer zu untersuchen, setzte Michael Schauperl physikbasierte Methoden der theoretischen Chemie ein, mit denen die thermodynamischen Beiträge von Wassermolekülen charakterisiert wurden. In seiner Dissertation wurden diese Methoden genutzt, um die Bindung von kleinen Medikamentenbausteinen zu erklären, sowie die Hydrophobizität von Aminosäuren und Proteinen zu untersuchen und ihre Auswirkungen auf biologischen Eigenschaften zu erforschen. Darüber hinaus wurden eisbindende Proteine untersucht. Diese können den Gefrierpunkt von Wasser verändern und somit Wasser schneller gefrieren lassen. Im Sommer 2018 hat das Tiroler Landesverwaltungsgericht den Einsatz eines solchen gefrierbeschleunigenden Proteins namens „SnowMax“ für die künstliche Schneeerzeugung genehmigt; die Tiroler Landespolitik diskutiert derzeit über ein Verbot. Diese Unsicherheit im Umgang mit Schneezusätzen wurzelt vor allem im mangelndem Verständnis der Wirkung solcher Proteine. In der Arbeit von Michael Schauperl wurde der Erkennungsmechanismus dieser Proteinfamilie untersucht, wodurch eine detailliertere Erklärung ihrer Wirkungsweise vorgeschlagen werden könnte.

Michael Schauperl hat 2013 das Masterstudium Chemie an der Universität Innsbruck und am University College London absolviert. An der Universität Innsbruck promovierte er 2017 im Fach Chemie; im selben Jahr wurde Michael Schauperl ein Erwin Schrödinger-Stipendium des FWF zuerkannt. Seit 2018 hat Michael Schauperl eine Post-doc-Stelle an der University of California, San Diego im Rahmen des Forschungsprojekts „An Efficient, Polarizable Charge Model for Molecular Simulations“.

Politische Theologie der Verwundbarkeit

Welchen Beitrag können Religionen in einer von zunehmender Polarisierung und Radikalisierung geprägten Zeit zum Gemeinwohl als Kernprinzip politischen Handelns leisten? Dieser Frage geht Michaela Quast-Neulinger in ihrer Dissertation „Zwischen Dolorismus und Perfektionismus. Konturen einer ‚Politischen Theologie der Verwundbarkeit‘ im Ausgang von Talal Asad“ nach. Die Auseinandersetzung mit dem Religionsanthropologen Asad zeigt, wie das säkular-liberale Ideal eines radikal autonomen, völlig leidfreien, perfekten Subjekts auf ein Subjekt trifft, das sich als in Beziehung versteht, aber nun als verwundbar, irrational, nicht autonom verurteilt wird. Dies gilt insbesondere für religiöse Anthropologien. Die Verdrängung von und der Kampf gegen Verwundbarkeit als Aspekt der conditio humana führen daher in den Ausschluss von Religionen und Glaubenden, die als abhängig machend, irrational, dem Schmerz verfallen beurteilt werden. Michaela Quast-Neulinger arbeitet mit anthropologischen, politischen und psychologischen Modellen heraus, wie diese Mechanismen letztlich in totalitäre Denk- und Handlungsmuster münden. Hier braucht es Alternativen, die Autonomie mit Beziehung und der Anerkennung von Verwiesenheit in Verbindung bringen können und so eine Grundlage bieten für Solidarität und Gemeinschaft. Die entwickelten Konturen einer „Politischen Theologie der Verwundbarkeit“ zielen auf die Förderung vulnerabilitätssensibler Haltungen, um so Empathie und in weiterer Folge Solidarität und Gemeinschaft zu stiften, insbesondere in religiös pluralen Gesellschaften. Michaela Neulinger plädiert daher für Religionen und Theologien, die Zeugnis ablegen für die Verwundbarkeit des Menschen und aus diesem heraus ins Politische hineinwirken, die der Totalität widersprechen und zu solidarischem Handeln drängen. Heute mehr denn je.

Michaela Quast-Neulinger absolvierte von 2005–2011 das Diplomstudium Katholische Fachtheologie an den Universitäten Wien und Salzburg (mit Ergänzung Philosophie und Politikwissenschaft) sowie in Jerusalem (Dormition Abbey), anschließend folgte das Masterstudium Islamic Studies an der University of Birmingham. 2017 schloss sie das Doktoratsstudium Theologie an der Universität Innsbruck ab. Seit Oktober 2013 ist Michaela Quast-Neulinger Universitätsassistentin (seit 2017 Postdoc) am Institut für Systematische Theologie, Katholisch-Theologische Fakultät, der Universität Innsbruck.

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