Monika Ritsch-Marte untersucht an der Medizinischen Universität Innsbruck den Einfluss von optischen Kräften auf weiche Materie. So lassen sich mit Laserlicht zum Beispiel optische Pinzetten bauen, mit denen Zellen unter dem Mikroskop festgehalten werden. Für diese Forschungen wurde sie mit einem ERC Advanced Grants ausgestattet. „An einem Sonntagsnachmittag hat sich zwischen meinem Mann und mir ein Gespräch über dunkle Energie und dunkle Materie ergeben, wo wir uns gefragt haben, warum die Astrophysik immer nur den Strahlungsdruck, nicht aber die Dipolkraft, wie sie bei den optischen Pinzetten Verwendung findet, berücksichtigen“, erzählt Ritsch-Marte, deren Mann Helmut Ritsch Professor am Institut für Theoretische Physik an der Universität Innsbruck ist. Gemeinsam mit dem von ihnen beiden betreuten damaligen Doktoranten Matthias Sonnleitner sind sie dieser Frage dann näher nachgegangen.
Die attraktive Kraft des Lichts
Mit Licht lassen sich Kräfte auf Atome ausüben. Üblicherweise verwendet man Laserstrahlen, um möglichst starke Lichtkräfte zu erhalten. „Bei unseren Recherchen haben wir aber festgestellt, dass auch die thermische Strahlung, die von jedem Objekt ausgesendet wird, eine sehr schwache, üblicherweise anziehende Kraft auf Atome ausübt“, erklärt Matthias Sonnleitner, der nach einem Forschungsaufenthalt an der University of Glasgow wieder am Institut für Theoretische Physik der Uni Innsbruck tätig ist. „Die heiße Herdplatte in der Küche übt also allein durch ihre thermische Strahlung eine anziehende Kraft auf die Gasmoleküle der Umgebung aus.“ Diese Kraft ist zwar extrem schwach, aber zumindest stärker als die gravitative Anziehungskraft zwischen einem heißen Metallstück und den Atomen.
Experimentelle Bestätigung
Diese theoretische Vorhersage wurde nun im Labor von Holger Müller an der University of California in Berkeley mit Hilfe eines sehr sensitiven Atominterferometers bestätigt. Dabei werden Cäsiumatome in die Nähe eines Wolfram-Zylinders geschickt. Dann kann gemessen werden, welche Kräfte zwischen den Atomen und dem Zylinder wirken. Üblicherweise wäre das nur die Gravitation, denn die Atome sind weit genug vom Zylinder entfernt, sodass Oberflächenkräfte keine Rolle mehr spielen. Die Wissenschaftler haben nun ihr Experiment so adaptiert, dass sich der Zylinder aufheizen lässt und die Wechselwirkung zwischen den Cäsiumatomen und dem Zylinder in Abhängigkeit der Zylindertemperatur gemessen werden kann. Dabei zeigt sich, dass die Vorhersagen der Innsbrucker Theoretiker richtig waren und die gemessene anziehende Kraft sehr genau mit deren Modellrechnungen übereinstimmt. „Diese Ergebnisse machen uns natürlich sehr stolz“, freuen sich Matthias Sonnleitner, Monika Ritsch-Marte und Helmut Ritsch. „Es gibt für Theoretiker wohl nichts Schöneres, als wenn ein vorhergesagter Effekt im Experiment tatsächlich gemessen wird.“ Da die Kräfte sehr schwach sind, hatten die Forscher zunächst vor allem an astrophysikalische Szenarien gedacht, wo schwache Kräfte viel Zeit haben, um einen nennenswerten Effekt aufzubauen. „Größte Hochachtung also vor den Experimentalphysikern in Berkeley, die auch diese kleinen Effekte zuverlässig messen können“, sagt Sonnleitner. Das aktuelle Ergebnis zeigt auch, dass bei anderen hochsensitiven Experimenten überprüft werden muss, ob nicht irgendwelche Teile des Aufbaus zufällig heißer sind als andere - was wiederum zu unbeabsichtigten Fehlern führen könnte.
Links
- Attractive force on atoms due to blackbody radiation. Philipp Haslinger, Matt Jaffe, Victoria Xu, Osip Schwartz, Matthias Sonnleitner, Monika Ritsch-Marte, Helmut Ritsch and Holger Müller. Nature Physics 2017
- Institut für Theoretische Physik, Universität Innsbruck
- Sektion für Biomedizinische Physik, Medizinische Universität Innsbruck