In der Werbung spricht ein Bauer mit seinem Schweinchen, Getränke werden in klarem Quellwasser gekühlt und ein saftiger roter Apfel wird vom Baum gepflückt, bevor er direkt im Supermarkt landet. Naturbilder werben für die Qualität von regionalen Produkten. „Das industriell geprägte Denken nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem das Ei aus Käfighaltung noch als hygienischer betrachtet wurde als jenes aus Freilandhaltung, hat sich zum Wohl von artgerechter Tierhaltung, der Unterstützung von kleinbäuerlichen Strukturen und der Bedeutung lokaler Erzeugnisse gewandelt“, so Markus Schermer vom Institut für Soziologie an der Uni Innsbruck. Die lokale Vermarktung und die Stärkung des Bewusstseins für die Qualität von Produkten begann mit den Vorbereitungen auf den Beitritt Österreichs zur EU. „Mit Massenprodukten und Weltmarktpreisen am Markt konnte unser Land nicht mithalten. Deswegen wurde die Positionierung Österreichs als Feinkostladen Europas geprägt und der Konsumpatriotismus von politischer Seite unterstützt“, erinnert sich der Wissenschaftler. Weg von einer reinen Versorgungswirtschaft wurde der Anbau von Bio-Produkten, eine höhere Diversifizierung oder der Urlaub am Bauernhof vermehrt beworben und unterstützt. „Wenn ich mich an die Milchwirtschaft der 70er Jahre erinnere, dann sticht hervor, dass es damals kaum eine Käsekultur gab und die Auswahl sehr eingeschränkt war. Dies hat sich in den letzten Jahren radikal verändert und das Angebot, nicht nur im Käsesortiment, sondern an regionalen Erzeugnissen generell, ist signifikant gestiegen“, analysiert Schermer, der betont, dass sich das „innovationsfeindliche System seit der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre grundlegend verändert hat“. Angeregt durch Werbung, ein ausgebautes Bio-Sortiment und neue Vermarktungswege von kleinbäuerlichen Betrieben zeigt sich auch bei Konsumentinnen und Konsumenten eine bewusstere Auswahl der Produkte im Supermarkt.
Erdbeerzeit
Manchmal jedoch gibt es Ausnahmen im bewussten Einkaufsverhalten und es finden sogar im Winter Erdbeeren ihren Weg in den Einkaufskorb. Dass diese dann wohl nicht von den heimischen Feldern stammen, dürfte allen Käuferinnen und Käufern bewusst sein – und trotzdem werden sie gekauft. „Den Menschen ist in diesem Fall die Herkunft des Produktes weniger wichtig als das Geschmackserlebnis. Wie, wo und unter welchen Bedingungen die Erdbeeren gewachsen und geerntet wurden, ist hier nicht interessant“, so der Soziologe, der in seinen Untersuchungen zwischen dem sogenannten „Food from Nowhere“ und dem „Food from Somewhere“ unterscheidet. Damit soll zwischen global nicht differenzierten Produkten, denen die regionale Zuweisung fehlt, und Produkten mit einer definierten Herkunft und lokalem Bezug unterschieden werden. „Erdbeeren im Winter zu kaufen, ist ein Beispiel für den Konsum eines nicht lokalisierten Produkts. Steht im Sommer am Erdbeerkörberl der Name eines Hofes aus der Region, dann werden die Erdbeeren zu einem Produkt mit lokalem Bezug und die Herkunft ist für die Käuferinnen und Käufer nachvollziehbar“, so Schermer. Von solchen lokalen Produkten unterscheidet er „lokalisierte“ Produkte, die einer ganz bestimmten Region zugewiesen werden können, wie etwa der Parmaschinken, dessen Produktion eindeutig in der Region um Parma eingeordnet werden kann. „Die Entwicklung, dass in den heimischen Supermarktregalen immer mehr auf die Platzierung von regionalen Produkten geachtet wird und dass auch alternative Wege in konventionellen Vermarkungsketten eingeschlagen werden, fällt sehr positiv auf“, freut sich Schermer. Beispielsweise kann es kleinbäuerlichen Betrieben über Zusammenschlüsse gelingen, ihre Produkte mit ihrer Marke auch im Supermarkt zu verkaufen. So eröffnet sich für sie ein Absatzmarkt, den einzelne Betriebe alleine unmöglich bedienen könnten, da sie nicht die notwendigen Mengen liefern könnten. „Damit diese Produkte erfolgreich sein können, braucht es auch die Konsumentinnen und Konsumenten, die mit ihrem Einkaufsverhalten die Nachfrage nach regionalen Erzeugnissen erhöhen und so auch die kleinbäuerlichen Strukturen fördern“, verdeutlicht der Wissenschaftler.
Grünes Leben
Ein bewusster Umgang mit den Lebensmitteln, der Trend zum Selbstanbau von Obst und Gemüse und das Zelebrieren des Kochens gemeinsam mit Freunden werden für viele Menschen immer zentraler. „Auch wenn die Alltagsmahlzeit immer öfter außer Haus eingenommen und nicht selbst gekocht wird, ist die Beschäftigung mit Lebensmitteln für viele wichtig. Das Kochen wird daher häufig auf das Wochenende verlegt, dann aber ausgiebig zelebriert – auch von den Männern“, so Schermer. Die Küche wird zum Ort der Begegnung mit Familie und Freunden. Diese neue Gewichtung des Raumes wird auch in der modernen Innenarchitektur ersichtlich. Eingebettet in den Wohnbereich lädt ein großer Küchenblock zum gemeinsamen Kochen und Plaudern mit den Gästen ein. „Abseits von der Notwendigkeit wird das Kochen so zu einem gesellschaftlichen Erlebnis“, erläutert der Soziologe. Ein weiterer Indikator für die intensive Beschäftigung der Menschen mit Lebensmitteln ist die rasant ansteigende Zahl an Kochshows und Sendungen, die sich mit Essen beschäftigen. „Jamie Oliver oder Sarah Wiener, leider eine der wenigen im Fernsehen präsenten Köchinnen, repräsentieren den modernen Lifestyle“, sagt der Wissenschaftler, der diesen Trend auch bei jungen Menschen feststellt: „Fast Food scheint nicht mehr sehr modern zu sein, selbst Burger werden hip gestylt. Losgelöst vom Alltagskontext wird das Essen mit Freunden zelebriert.“ Dazu passend sind Selbsterntegärten, Food Coops, Formen von solidarischer Landwirtschaft oder Urban Gardening im Kommen. Auch in Innsbruck wünscht sich der Wissenschaftler eine vermehrte Konfrontation mit lokalen und saisonalen Lebensmitteln: „Ich könnte mir vorstellen, dass in öffentlichen Parks anstelle von Ziersträuchern Apfelbäume gepflanzt werden, die auf Schildern mit der Aufschrift ‚Pflück mich’ Passanten ermuntern, sich zu bedienen.“ Das zunehmende Bewusstsein der Menschen für regionale Produkte und die Qualität der Lebensmittel wird den gedeckten Tisch weiter nachhaltig verändern.
Dieser Artikel ist in der April-Ausgabe des Magazins „wissenswert“ erschienen. Eine digitale Version ist hier zu finden (PDF).