Gedeckter Frühstückstisch mit Kaffee.
Frühstück in der Ferienregion Wilder Kaiser.

„Nåcha kennt‘s früh­stücken“

Der schwer verständliche Tiroler und der überforderte Gast aus Deutschland: Dieses Klischee wird immer wieder bemüht. Wie viel Wahrheit in der Verwendung des Dialekts im Tourismus steckt, haben sich Innsbrucker Germanistinnen und Germanisten näher angesehen. Dafür haben sie drei Tourismusgebiete untersucht.

„Nåcha kennt‘s frühstücken. Die Mama håt scho an Kaffee gmåcht und a Müch gibt’s a“, sagt das Mädchen in der Piefke-Saga zu den Sattmanns, den deutschen Touristen. Die verstehen kein Wort, Frau Sattmann kommt sich „vor wie in Jugoslawien“: Dass sprachliche Verwirrungen nicht nur in satirischen Fernsehfilmen vorkommen können, bestätigt sich jede Saison in Tiroler Tourismusgebieten; wie Einheimische den Dialekt in der direkten Interaktion und auf Homepages einsetzen und unter welchen Umständen sie ihn im Tourismus vermeiden, hat sich ein Team um Prof. Monika Dannerer vom Institut für Germanistik nun in einer Pilotstudie näher angesehen. „Uns interessiert, welche Auswirkung der Tourismus auf die Sprachverwendung hat. Wie werden Dialekte genutzt, wie wird mit Mehrsprachigkeit der Gäste und des Personals umgegangen?“, erklärt Monika Dannerer.

Dialekte und Standardsprache

Dass Dialekte (nicht nur) in Tirol ein Merkmal regionaler Identität sein können, ist durch die Forschung bereits seit langer Zeit belegt, auch die Werbung spielt mit einzelnen Dialektwörtern. Zugleich führen immer mehr internationale Gäste in Tourismusgebieten aber dazu, dass sich in der Kommunikation mit den Urlaubern die deutsche Standardsprache stärker durchsetzt – und dass auch Fremdsprachen zunehmend an Bedeutung gewinnen. Das Projektteam vom Institut für Germanistik hat für seine Erhebungen Betriebe unterschiedlicher Art und Größe in drei Tourismusgebieten besucht, außerdem in jedem Betrieb Angehörige unterschiedlicher Generationen (siehe Infobox). „Wir haben überall eine Großelterngeneration, die in den meisten Fällen nicht mehr oder nur noch aushilfsweise im Betrieb tätig war, die derzeit aktive Generation und die Enkelgeneration befragt“, sagt Monika Dannerer. „Wie und ob Dialekt oder Hochdeutsch mit den Gästen gesprochen wird, unterscheidet sich grob gesprochen nach dem Typ der Unterkunft“, erklärt Ass.-Prof. Heike Ortner aus dem Projektteam. Je kleiner und einfacher der Betrieb, desto eher kommt Dialekt zum Einsatz, allerdings in den Generationen unterschiedlich: „Spannend ist, dass besonders die Großelterngeneration der Privatzimmervermieter in ‚ihrer‘ Zeit die Gäste quasi als unmittelbare Hausgäste gesehen hat, da wurde mehr Zeit miteinander verbracht. Das drückte sich natürlich auch in der Verwendung von Dialekt aus“, sagt Heike Ortner. Die derzeit aktive Generation setzt nun mehr auf Professionalisierung und Distanz, trennt eigenes Privatleben und Vermietung klarer, während die nachfolgende Generation auf eine Mischung setzt. „Die jüngste Generation setzt den Dialekt gegenüber Gästen teilweise bewusst ein, um Nähe entstehen zu lassen, wo sie erwartet wird, wahrt aber sonst durchaus Distanz und verwendet auch die Standardsprache“, erläutert Monika Dannerer.

Im Gegensatz zu den Privatzimmervermietern spielt Dialekt in der Kommunikation mit den Gästen in gehobenen Hotels kaum eine Rolle. „In den Vier- und Fünfsterne-Hotels haben wir immer wieder gehört, dass die Standardsprache dort auch als Ausdruck von Professionalität erwartet wird und nicht als ein Verleugnen der eigenen Identität gesehen wird. In informellen Settings, etwa am Abend, ist Dialekt aber auch da in Ordnung“, sagt Projektleiterin Dannerer: „Dazu passen dann allerdings auch Aussagen in den Interviews wie ‚Wir sind keine Almhütte, meine Angestellten müssen Hochdeutsch reden‘.“ Unabhängig davon: Sich grundsätzlich verständigen zu können, ist für alle Befragten wichtig – ob mit „perfekten“ Fremdsprachenkenntnissen, in der Standardsprache oder „mit Händen und Füßen“. Gerade Privatzimmervermieter geben an, dass sie Gäste, von denen sie ahnen, sich nicht mit ihnen verständigen zu können, auch an die Hotels verweisen. „Der Gast fühlt sich ja nicht wohl, wenn man sich nicht mit ihm unterhalten kann“ – so die Argumentation.

Zugänge zur Sprache

Individuell unterschiedlich ist auch der Zugang zu Sprache allgemein: Manche Befragte sehen die Standardsprache als ein Aufgeben ihrer Identität und sprechen deshalb lieber Dialekt, während andere diesen Zusammenhang zwar vielleicht sehen, das problemlose Verstanden-Werden aber in den Vordergrund stellen. „Eine dritte Gruppe hat nochmals einen anderen Zugang, und wir haben alle drei Zugänge in allen Gemeinden gesehen: Diese Gruppe spricht mit den Gästen Dialekt, wenn das Umsatz verspricht und weil die Gäste das erwarten, und sonst eben nicht – also ein sehr pragmatischer Zugang“, sagt Heike Ortner. Unterschiede zwischen den Orten, in denen die Befragungen stattgefunden haben (siehe Infobox), haben die Forscherinnen und Forscher übrigens nicht feststellen können: Die Zugänge zur Sprache waren in allen drei Gebieten und Orten gleich, die Unterschiede zwischen einfacheren und exklusiveren Betrieben in allen drei Orten ebenfalls festzustellen. Folgestudien sollen nun weitere Erkenntnisse bringen: „Wir haben bis jetzt nur die Selbsteinschätzung der im Tourismus tätigen Personen selbst gehört. Die Perspektiven der Gäste wären hier noch sehr spannend, etwa dahingehend, was sie sich sprachlich erwarten, und auch den sprachlichen Umgang mit zum Beispiel ausländischem Personal in den Tourismusgebieten konnten wir noch nicht erfassen. Hier werden wir sicher noch weiterarbeiten“, sagt Monika Dannerer.

Das Projekt

Im einjährigen Projekt „Sprachen und Varietäten in Regionen mit intensivem Tourismus am Beispiel Tirols“ (SPIRIT) haben Monika Dannerer, Marianne Franz, Heike Ortner, Yvonne Kathrein, Thomas Schröder, Lisa M. Hofer, Julia Schönnach und Julia Töchterle-Dablander die Verwendung von Dialekt und Fremdsprachen in drei Tiroler Tourismusgebieten untersucht: in Seefeld in Tirol, Neustift im Stubaital und der Wildschönau. In allen drei Gebieten wurden jeweils drei Generationen in zwei Familienbetrieben befragt – je ein Betrieb mit Privatzimmervermietung und ein Hotel (3-5 Sterne). Die jüngste Befragte war 17, der älteste 91 Jahre alt, alle waren früher oder sind heute im Betrieb tätig oder werden nach der Ausbildung dort tätig sein. So erhielten die Forscherinnen und Forscher einerseits ein Bild von Unterschieden nach Beherbergungsbetrieb, außerdem konnten sie Veränderungen nach Generationen nachzeichnen. Zudem wurde in jedem Gebiet ein mit dem Tourismus zusammenhängender Dienstleister befragt, etwa Personen aus einer Schischule oder einem Souvenirladen. Auch die Websites der untersuchten Betriebe wurden analysiert. Gefördert wurde SPIRIT aus Mitteln der Aktion D. Swarovski KG.

Dieser Artikel ist in der April-Ausgabe des Magazins „wissenswert“ erschienen. Eine digitale Version ist hier zu finden (PDF).

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