Innsbrucker Winterschool
Die Teilnehmenden an der Innsbrucker Winterschool.

Linguistische Innsbrucker Winterschool

Die 2. Innsbrucker Winterschool „Potenziale der Angewandten Linguistik“ (PAL) fand vom 23. bis 25. November 2017 am Universitätszentrum Obergurgl im Tiroler Ötztal statt. Das übergeordnete Thema „Akkommodation: Regional – Sozial – Medial“ erwies sich als bestens geeignet für einen angeregten linguistischen und interdisziplinären Austausch.

Dem Konzept der Winterschool liegt eine Verschränkung von wissenschaftlicher Tagung und Nachwuchsförderung zugrunde. Zum einen soll der interdisziplinäre Austausch über ein ak‐ tuelles Thema der Angewandten Linguistik gefördert werden, indem renommierte LinguistInnen und WissenschaftlerInnen aus anderen Disziplinen eingeladen werden. Zum anderen werden Nachwuchskräfte (insbesondere DoktorandInnen) aufgerufen, ihre For‐ schungsprojekte mit Posterpräsentationen vorzustellen und sich mit arrivierten ForscherIn‐ nen zu vernetzen, Anregungen einzuholen und in intensive Diskussionen vor allem zu metho‐ dischen Fragen einzusteigen. An der 2. Innsbrucker Winterschool nahmen insgesamt acht Nachwuchsleute und zwölf eingeladene Vortragende mit eigenen Präsentationen am Workshop teil. In diesem Jahr fiel die Wahl auf das Thema „Akkommodation“, d.h. die (sprachliche) Anpassung an ein Gegenüber und damit umgekehrt auch (sprachliche) Abgrenzung von anderen. Akkommodation spiegelt subjektive Spracheinstellungen und ist ein bedeutendes Element sozialen Handelns in Bezug auf die (antizipierten und konstruierten) sprachlichen Kompetenzen und kulturellen Werte des Gegenübers. Sie ist ein zentraler Faktor in der Interaktion und wichtig für die Konstruktion von kollektiven und individuellen Identitäten der SprachbenutzerInnen. Die Beiträge ließen sich drei großen Aspekten von Akkommodation zuordnen. In Hinblick auf die kontextuelle und soziokulturelle Bedingtheit von Akkommodation be‐ schäftigten sich die Beiträge mit der Identitätskonstruktion in Zusammenhang mit soziolin‐ guistischen Merkmalen wie Mehrsprachigkeit und regionaler Herkunft. Thematisiert wurden dabei die Dialektverwendung von Schweizer RadiomoderatorInnen (Helen Christen), die Identitätskonstruktion im bayerisch‐schwäbischen und fränkischen Raum über populäre Medien (Konstantin Niehaus) sowie in der deutschen Sprachinsel Sappada/Plodn in Südtirol (Sebastian Franz). Weiters wurden Akkommodationsprozesse in Lehrveranstaltungen an der Universität (Philip Vergeiner), im Arzt‐Patientengespräch (Wolfgang Imo) sowie aus psychologischer Perspektive in psychotherapeutischen Gesprä‐ chen (Eva Bänninger‐Huber) analysiert. Tragfähigkeit und Grenzen des Begriffs wurden mehrfach ausgelotet – aus der Perspektive der anglistischen Varietätenlinguistik (Gabriella Mazzon) wie auch aus der Mehrsprachig‐ keitsforschung (Rita Franceschini).

Im Themenkomplex zur Akkommodation in Lehr‐Lern‐Kontexten und in Kontexten des Wissenstransfers wurden verschiedene Situationen der Vermittlung von Wissen und Kompetenzen und die Steigerung von Verständlichkeit mithilfe akkommodativer Prozesse diskutiert. Dabei ging es um Sprachlernberatungsgespräche mit Erasmus‐Studierenden (Milica Lazović), um die Angemessenheit sprachlichen Handelns in der interkulturellen Kommunikation (Veronika Künkel) sowie die Perzeption kultureller Unterschiede (Judith Zangerle). Herausforderungen und Grenzen von Akkommodationsmöglichkeiten zeigten sich in der Analyse fachexterner wissenschaftlicher Vorträge (Carolin Blenn) genauso wie in der Wis‐ sensaufbereitung in Kinderbüchern (Nina Janich). Schließlich wurden auch akkommodative Facetten des Trainerverhaltens bei multimodalen Instruktionen in Pilates‐Einheiten präsen‐ tiert (Heike Ortner). Spannend war es, Akkommodationsprozesse aus ethnologischer Perspektive am Beispiel der Tiroler Trachtenpraxis und ihrer Geschichte kennenzulernen (Timo Heimerdinger) und auch die Flurnamen als Hinweise auf sich verändernde landschaftsökologische Verhältnisse im Tiroler Ötztal zu erfahren (Rüdiger Kaufmann). Der letzte Themenblock, Bedeutung von Akkommodation in medialen Verwendungszusammenhängen, fokussierte schließlich unter anderem Anpassungsanforderungen in der digita‐ len Kommunikation und die zielgruppenorientierte Gestaltung von Medienkommunikation. Dies wurde am Beispiel der stilistischen Akkommodation in Online‐Communities (Anna Kurpiers) sowie der sprachlichen und grafischen Akkommodation in schweizerdeutschen WhatsApp‐Chats (Samuel Felder) vorgeführt. Schließlich wurden Akkommodationsprozesse beim Spielen von „Let’s play“ (Konstanze Marx mit Axel Schmidt) sowie ganz allgemein – mit romanistischem   Fokus   – in   der synchronen Online‐Kommunikation (Verena   Thaler) analysiert. Für das erste der beiden abendlichen Kamingespräche konnte der Geschäftsführer der Berg‐ bahnen Obergurgl‐Hochgurgl, Werner Hanselitsch, gewonnen werden, der in einer kurzwei‐ ligen Diskussion seine Sicht auf sprachliche Akkommodation im Ötztaler Tourismus darstell‐ te. Das zweite Kamingespräch widmete sich den Fragen der Nachwuchsforscherinnen und ‐ forscher und setzte die Diskussion um Abgrenzung und Produktivität des Terminus Akkom‐ modation fort.

Ohne finanzielle Unterstützung wäre die Durchführung dieses Formats nicht möglich. In diesem Jahr trugen dankenswerterweise folgende Institutionen zur Winterschool bei: „VERBAL“ (Verband für Angewandte Linguistik) sowie vonseiten der Leopold‐Franzens‐ Universität Innsbruck das Rektorat, das Dekanat der Philologisch‐Kulturwissenschaftlichen Fakultät, das Institut für Germanistik, der Forschungsschwerpunkt „Kulturelle Begegnungen – Kulturelle Konflikte“ und die Alpine Forschungsstelle Obergurgl.

(Monika Dannerer, Konstantin Niehaus, Heike Ortner)

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