Wolfgang Mark und eine Studentin fischen in Madagaskar.
Gemeinsam mit Studierenden untersucht Wolfgang Mark die Fischwelt auf Madagaskar.

Fisch­forschung in Mada­gaskar

In wenigen Wochen reist Wolfgang Mark vom Institut für Zoologie mit Studierenden nach Madagaskar, um die dortige Fischwelt zu erkunden. Eine Expedition im vergangenen Jahr brachte bereits zahlreiche Ergebnisse und verdeutlichte auch, wie sehr die dortigen Lebensräume durch Armut und Umweltverschmutzung bedroht sind.

Im September des Vorjahres besuchten 13 Studierende unter Leitung von Wolfgang Mark vom Institut für Zoologie im Rahmen einer Exkursion für drei Wochen den Norden Madagaskars. Ziel der Exkursion war, die einzigartige Fauna und Flora Madagaskars kennenzulernen, aber auch die Gefährdung der unterschiedlichen Lebensräume und deren Ursachen zu erkunden. Unmittelbar an die Exkursion anschließend bereisten acht Studierende die Ostküste Madagaskars, um die verbleibenden natürlichen aquatischen Ökosysteme und deren Funktionsfähigkeit zu untersuchen. Sie beprobten verschiedene Gewässer und analysierten mit unterschiedlichen Methoden deren Fischfauna. Dieser Teil der Reise wurde auf Einladung von Dr. Joelisona Ratsirarson, Vize-Rektor der Universität Madagaskar, durchgeführt. Dieser hatte 2016 die Universität Innsbruck besucht, und in der Folge wurde in Zusammenarbeit mit dem Büro für Internationale Beziehungen ein „Memorandum of Understanding“ zwischen beiden Universitäten beschlossen, mit dem vor allem die Kooperation gefördert werden soll.

Artenvielfalt gefährdet

Madagaskar ist bekannt als Hotspot der Artenvielfalt. „Gleichzeitig ist die Vernichtung der unterschiedlichen Lebensräume, wie zum Beispiel der Wälder durch unkontrollierte Brandrodung und der damit verbundenen Bodenerosion ein Hauptproblem der Insel“, erzählt Wolfgang Mark. Der Druck der stark wachsenden Bevölkerung auf die verbleibenden Waldgebiete sei unübersehbar. „Durch gesetzliche Regelungen und Aufforstungsprojekte wird derzeit versucht dem entgegenzuwirken.“ Gänzlich unbeachtet bleiben in diesem Zusammenhang die Fliessgewässersysteme. Kein anderes Ökosystem wird durch menschliche Einflüsse derart beeinträchtigt wie Fliessgewässer und Seen. Dieses Phänomen betrifft nicht nur madagassische Gewässer, sondern gilt weltweit.
Die Bedeutung dieser Lebensräume ist verbunden mit einer besonders hohen Artenvielfalt. Rund 40 Prozent aller bekannten 30.000 Fischarten leben in Binnengewässern. Für Madagaskar gibt es dazu noch keine Untersuchungen. Nach Schätzungen sind jedoch nur rund 30 % der Süßwasserfischarten Madagaskars bekannt. Aus diesem Grund standen diese Fische im Fokus der Untersuchungen der Gruppe aus Innsbruck. Methodisch bedingt konnten nur Kleingewässer und die Uferregionen von Seen beprobt werden. „Wir haben mit verschiedenen Netztypen, Reusen und Keschern gefischt. Zusätzliche Informationen erhielten wir auf Fischmärkten und in den zahlreichen Gesprächen mit der lokalen Bevölkerung“, schildert Mark. Die gefangenen Fische wurden soweit als möglich vor Ort auf ihre Artzugehörigkeit bestimmt, vermessen und fotografiert und anschließend wieder in ins Wasser entlassen. Ausgewählte Belegexemplare nahm das Innsbrucker Team zur späteren Bestimmung im Labor mit. Gleiches galt für Gewebsproben, die für eine spätere genotypische Bestimmung konserviert wurden.

Spektakulär war der Nachweis von Microphis millepunctatus, einer im Süßwasser vorkommende Form der normalerweise im Meer lebenden Seenadeln. (Foto: Uni Innsbruck)

Fischarten bestimmt

Die Studierenden bestimmten insgesamt 1.258 Individuen auf Artniveau, was sich als recht zeitaufwendig erwies, da es noch keine Bestimmungsliteratur für Fische aus Madagaskar gibt. Dennoch konnten 46 Arten bestimmt werden, wovon acht Arten erst vom Menschen eingeführt wurden. Dazu gehörte eine Buntbarschart, die in der Aquakultur von Bedeutung ist, oder eine Zahnkarpfenart die zur Bekämpfung der Malaria eingesetzt wird. 20 Arten waren heimisch, d.h. sie können auch auf anderen Inseln bzw. dem Festland des indopazifischen Raumes vorkommen. Elf Arten gehörten zu den endemischen Fischarten, d.h. sie kommen ausschließlich auf Madagaskar vor. Sieben Arten konnten nicht zugeordnet werden. Ob es sich bei ihnen um bisher unbekannte Fischarten handelt, wollen die Innsbrucker Zoologen in diesem Sommer weiter untersuchen. Denn derzeit existiert noch keine Genbank der madagassischen Fischfauna, mit der die Ergebnisse abgesichert werde können. Diese wollen die Forscher aber mit Hilfe der verschiedenen Gewebsproben in den nächsten Jahren aufbauen. Allein aus der letztjährigen Exkursion sind drei Bachelorarbeiten hervorgegangen.

Zusammenarbeit mit Studierenden vor Ort

„Fischforschung in Madagaskar ist faszinierend und frustrierend zugleich“, resümiert Wolfgang Mark. Auf keinem Subkontinent gibt es so viele endemische Wirbeltiere wie in Madagaskar. „Dies lässt nicht nur den Raum, eine Vielzahl neuer Arten zu entdecken, auch bei den bereits bekannten Arten ist meist nichts über Biologie, Lebensweise und Ansprüche bekannt. Hier tut sich ein riesiges Betätigungsfeld für die Forschung auf.“ Gleichzeitig gibt es kaum eine Region, in der die Bedrohung der Lebensräume so akut ist. Die Gefahr geht vor allem von der Waldvernichtung aus, aber auch Überfischung, Einbringung invasiver Arten, Umweltverschmutzung, Wasserausleitungen für die Landwirtschaft und Unwissenheit der betroffenen Bevölkerung sind ungelöste Probleme. „Der tägliche Überlebenskampf der am Existenzlimit lebenden Bevölkerung lässt keinen Platz für Naturschutz, wenn er nicht unmittelbar einen sichtbaren Nutzen bringt“, sagt Wolfgang Mark. Verstärkt wird dieser Überlebenskampf durch die Folgen der Klimaerwärmung. Durch die immer später und seltener werdenden Regenfälle der letzten Jahre kommt es zunehmend zu Dürrekatastrophen. Dabei trocknen weite Landstriche komplett aus, so dass die Oberflächengewässer verschwinden und der Grundwasserspiegel soweit sinkt, dass Brunnen versiegen oder versalzen. „Mit neuen Konzepten zur Schonung der Süßwasserressourcen und im Sinne einer nachhaltigen Nutzung ist derzeit in Madagaskar nur schwer Gehör zu finden. Vielleicht führt der Weg dorthin über Bildung und Wissensaustausch“, sagt Mark. So will er in diesem Jahr madagassischen Studierenden die Gelegenheit bieten, an der Expedition teilzunehmen und gemeinsam mit den Studierenden aus Innsbruck durch gezielte Vorträge und Praktika ihr Wissen über die Zusammenhänge aquatischer Ökosysteme zu erweitern und eventuell auch nutzbringend, z.B. für Aquakulturen, anzuwenden.

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