Zum Tag der Frankophonie im März organisierte der Frankreich-Schwerpunkt in der Claudiana eine Begegnung mit frankophonen Flüchtlingen. Ein zahlreich erschienenes Publikum – darunter eine halbe Schulklasse mit ihrer Lehrerin – ergriff die Gelegenheit, konkrete Menschen mit ihren konkreten Einzelschicksalen zu erleben anstelle von geschätzten Tausender- und Zehntausender-Zahlen und Bildern von Massen an Grenzzäunen und in Zeltlagern. Die französische Sprache war dabei das Verbindende.
Ahmed Diop aus Guinea und Mamadou Seone aus der Elfenbeinküste stellten ihr jeweiliges Land vor und erzählten ihre Geschichte. Dabei zeigte es sich, dass sie gekonnt und mit viel Humor das Publikum in ihren Bann zogen; es war ganz offensichtlich nicht das erste Mal, dass sie vor einer Gruppe sprachen. Bald stellte sich heraus, wieso: Beide hatten fliehen müssen, weil sie sich politisch in der Opposition betätigt hatten, dabei sogar ziemlich erfolgreich waren und daher von der Regierung verfolgt, bedroht und körperlich attackiert wurden. Als sie sich ihres Lebens nicht mehr sicher sein konnten, suchten sie einen Schlepper und kamen – per Flugzeug und mit gefälschten Papieren – nach Europa, konkret nach Wien. Sie wurden (teilweise auf Umwegen) ins Erstaufnahmezentrum Traiskirchen gebracht und von dort nach Tirol weiterverfrachtet, wo sie nun schon beide mehrere Jahre auf ihren Asylbescheid warten. Zwei ähnliche Geschichten, bis hin zu der Anekdote vom heftigen Herzklopfen bei der Passkontrolle.
Warum sie als Frankophone nicht nach Frankreich gegangen seien, werden sie gefragt, und jeder erzählt eine andere Geschichte: Der eine wurde vom Schlepper mit einem Visum für Österreich versorgt, obwohl er von „l‘Autriche“ noch nie in seinem Leben etwas gehört hatte. Man redete ihm ein, Österreich sein ein frankophones Land – als er dann am Flughafen stundenlang versuchte, jemanden zu finden, dem er seine Situation erklären konnte, war der Schlepper längst über alle Berge. Der andere hatte sich ein Zugticket nach Paris gekauft, aber in Deutschland flogen seine gefälschten Papiere auf. Man fragte ihn, ob er Asyl wolle, aber er assoziierte Asyl nur mit „asile de fous“, also Irrenhaus, und wehrte sich so lange dagegen, bis man ihn nach Österreich zurückschickte.
So sind sie nun also beide da, lernen eifrig Deutsch und berichten von sehr gemischten Erfahrungen beim Zeitungverkaufen (das ist so ziemlich die einzige legale Tätigkeit): von (mehrheitlich) freundlicher Kontaktaufnahme bis zu (gelegentlich) rassistischer Beschimpfung reicht die Palette der Reaktionen bei den Einheimischen; das Asylverfahren wird als traumatisierend und erniedrigend erlebt. Trotzdem lassen sich die beiden nicht unterkriegen und verbreiten sogar gute Stimmung. Der eine konnte schon vorher Englisch, hat seinen Abschluss nostrifizieren lassen und jetzt ein Studium begonnen. Der andere ist in der frankophonen Gemeinschaft in Innsbruck gut verankert und bedauert nur, dass er auf diese Weise nicht viel Gelegenheit hat, Deutsch zu sprechen.
(Eva Lavric)