Sommersemester 2023: Anna Kreßnik, Valentina Kamsalova, Quirin Aigner und Carolin Streif
Der Aufstieg von „Fast Fashion“
Fast Fashion umfasst billige und schnelle Herstellung von Kleidung, bei der Ideen von Modehäusern und Prominenten übernommen werden. Die Branche setzt auf beliebte Trends aus sozialen Medien und erfordert extrem rasche Produktion, um innerhalb weniger Wochen vom Entwurf zum Verkauf zu gelangen. Fast Fashion-Konzerne bieten günstige, trendige und wegwerfbare Kleidung an und haben mit diesem Konzept die Modewelt erobert. Somit ist Fast Fashion ein exzellentes Beispiel für Konsumgesellschaft. Übermäßiger Konsum hat jedoch negative Konsequenzen für unsere Umwelt. Dies wirft die Frage auf, welche Belastungen für das Klima durch die Fast Fashion-Industrie entstehen und inwiefern Unternehmen Verantwortung übernehmen.
Immer mehr und immer billigere Kleidung
Die Konsumentenpreise für Kleidung haben sich im Verhältnis zu anderen Produkten in den letzten Jahren kaum erhöht. Beispielsweise sind die Preise für Kleidung in Deutschland zwischen 1995 und 2014 nur um 10 Prozent gestiegen, während der Preisanstieg über sämtliche Güter hinweg 33 Prozent betrug (Abbildung 1). Durch die niedrigen Preise können sich Menschen mehr Kleidung leisten. Dies führte dazu, dass sich zwischen 2000 und 2014 die Menge der weltweit produzierten Kleidung verdoppelt hat (Remy et al., 2016).

(Abbildung 1: Veränderung der Verbraucherpreise; Quelle: Remy et al., 2016)
Auswirkungen auf das Klima
Die Produktion von Kleidung erfordert den Einsatz von verschiedenen Rohstoffen und Zusätzen. So werden in der Textilindustrie für ein Kilogramm Kleidung etwa ein Kilogramm Chemikalien, teils krebserregend, verwendet und rund 17 bis 20 Prozent des industriellen Abwassers weltweit stammt aus der Textilveredelung (Reichert, 2023). Die dabei entstehenden Abfälle werden meist nicht ordentlich beseitigt, sondern sorgen für weitere Umweltschäden. Es lassen sich beispielsweise 35 Prozent des Mikroplastiks in Meeren auf synthetische Textilien zurückführen (Boucher & Friot, 2017). Da die Herstellung der Kleidung überwiegend in ärmeren Ländern erfolgt, sind dies auch die Regionen, in denen die negativen Folgen am deutlichsten spürbar sind. Schaut man sich deutsche Bekleidungsimporte nach Einfuhrwert an, stellt man fest, dass sich hier vor allem asiatische Länder finden. Spitzenreiter ist China mit einem Wert von 8,13 Milliarden Euro, gefolgt von Bangladesch und Türkei (Abbildung 2).

(Abbildung 2: Herkunftsländer für Bekleidungsimporte nach DE nach Einfuhrwert; Quelle: Loesche, 2018)
In reichen, westlichen Ländern hingegen, merkt man kaum etwas von den Bedingungen, unter denen ein Kleidungsstück hergestellt wurde. Stattdessen wird weiterhin massenhaft eingekauft. Durchschnittlich knapp 26 Kilogramm neue Kleidung kaufen EU-Bürgerinnen und -Bürger pro Person jährlich (Europäisches Parlament, 2022). Neben der Ressourcenverschwendung und den Abfällen sind auch Treibhausgasemissionen ein Problem. Wie der „Environmental rating and innovation report“ des WWF aus dem Jahr 2017 zeigt, emittiert die Kleidungs- und Textilindustrie jährlich etwa 1,7 Milliarden Tonnen CO2. Dies sind rund 4,7 Prozent des globalen CO2-Ausstoßes, welcher im selben Jahr circa 35,9 Milliarden Tonnen CO2 betrug (Global Carbon Project, 2022). Um diesen gravierenden Folgen für unsere Erde entgegenzuwirken, muss sich unser Umgang mit Kleidung verändern. Abbildung 3 stellt die Bekleidungs- und Textilwertschöpfungskette dar. Entlang des gesamten Produktionsprozesses kommt es zu Umweltverschmutzung, sodass dieser Ablauf nachhaltiger gestaltet werden muss. Außerdem sollte gegen Ende der Lebenszeit eines Kleidungsstücks deutlich mehr auf Recycling und Wiederverwendung gesetzt werden, und weniger Kleidung im Müll landen.

(Abbildung 3: Die Bekleidungs- und Textilwertschöpfungskette; Quelle: WWF Switzerland, 2017)
Dies entspricht jedoch nicht dem Geschäftsmodell der Fast Fashion-Industrie, die möglichst viel Kleidung möglichst schnell und billig verkaufen möchten. Aufwendiges Recycling oder privater Weiterverkauf getragener Sachen wirken dem entgegen. Um dennoch populär zu bleiben, entwickeln diese Unternehmen selbst Nachhaltigkeitsstrategien – oder zumindest behaupten sie, nachhaltig zu sein.
Greenwashing in der Fast Fashion-Industrie
Trotz der offensichtlichen Klimabelastung, die durch Fast Fashion-Unternehmen betrieben wird, propagieren diese in ihren Jahres- und Nachhaltigkeitsberichten, wie sehr sie sich für Umweltschutz einsetzen. Es ist für Konsumentinnen und Konsumenten nur schwer nachweisbar, inwiefern sich ein Unternehmen an seine Nachhaltigkeitsziele hält und ob die veröffentlichten Zahlen wirklich stimmen. Wie die Europäische Kommission (2021) in einer Pressemitteilung erklärte, sind 42 Prozent der Behauptungen zu Nachhaltigkeit auf Webseiten von Unternehmen übertrieben, falsch oder irreführend. Dies hat ein jährliches Screening verschiedenster Webseiten durch nationale Verbraucherschutzbehörden ergeben. Häufig mangelt es in Nachhaltigkeitsberichten an Vollständigkeit und die Unternehmen können selbst entscheiden, was und wie tief sie berichten (Burckhardt, 2012, S.6).
Beispielsweise behauptet H&M, eine lange Geschichte der aktiven Arbeit an Nachhaltigkeit zu haben (H&M Group, 2023, S.47). Durch das Versprechen nachhaltiger Produkte werden Konsumentinnen und Konsumenten zum Kauf animiert. Neue Kleidung kaufen und gleichzeitig der Umwelt etwas Gutes tun, lautet die Devise. Dass dies in der Realität oft anders aussieht, zeigt eine 2022 veröffentlichte Recherche der amerikanischen Nachrichtenseite Quartz. Demnach enthielten über die Hälfte der “Scorecards”, die die Nachhaltigkeit eines Produkts auf der H&M-Webseite darstellen sollen, falsche Informationen. Produkte wirkten somit nachhaltiger, als sie tatsächlich waren. Die “Scorecards” wurden mittlerweile von der Webseite entfernt und auch an anderen Stellen stößt H&M auf Probleme. Gegen das Unternehmen läuft derzeit eine Klage in den USA. Der Vorwurf: Falsche Angaben zu Nachhaltigkeit haben Menschen dazu verleitet, Produkte zu kaufen.
Zwar kommen Unternehmen immer noch viel zu häufig mit “Greenwashing” davon, es deutet sich aber ein zunehmender Widerstand an. Sollten Nachrichtenportale, Konsumentinnen und Konsumenten weiterhin Druck aufbauen und Regierungen mehr Maßnahmen ergreifen, könnte man das Problem des “Greenwashing” in den Griff bekommen und Unternehmen in der Fast Fashion-Industrie zu mehr Nachhaltigkeit zwingen.
Literaturverzeichnis:
Boucher, J. and Friot D. (2017). Primary Microplastics in the Oceans: A Global Evaluation of Sources. Gland, Switzerland: IUCN. https://portals.iucn.org/library/sites/library/files/documents/2017-002-En.pdf. Aufgerufen am 16.05.2023
Burckhardt, G. (2012). Soziale Indikatoren in Nachhaltigkeitsberichten. Freiwillig, verlässlich, gut? Deutschland, Bonn: Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung.
Europäische Kommission. (2021, 28. Januar). Screening of websites for ‘greenwashing’: half of green claims lack evidence [Press release]. https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/ip_21_269. Aufgerufen am 16.05.2023
Europäisches Parlament. (2022, 20. April). Umweltauswirkungen von Textilproduktion und -abfällen (Infografik). https://www.europarl.europa.eu/news/de/headlines/society/20201208STO93327/umweltauswirkungen-von-textilproduktion-und-abfallen-infografik?at_campaign=20234-Economy&at_medium=Google_Ads&at_platform=Search&at_creation=DSA&at_goal=TR_G&at_audience=&at_topic=Textile&gclid=CjwKCAjw04yjBhApEiwAJcvNoShXWO-suxzPacexn4RVIhxaJWhuwNM5AZ2SRhxYEM6HRcdhvgIB4hoCfiUQAvD_BwE. Aufgerufen am 16.05.2023
Exit Fast Fashion. (o.D.). Die Folgen für Umwelt, Mensch und Klima. https://exit-fast-fashion.de/fakten/umwelt/. Aufgerufen am 16.05.2023
Global Carbon Project. (2022, 4. November). CO2-Emissionen weltweit in den Jahren 1960 bis 2021 (in Millionen Tonnen) [Graph]. Statista. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/37187/umfrage/der-weltweite-co2-ausstoss-seit-1751/. Aufgerufen am 22.05.2023
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Knuth H. (2022, 15. November). Nahhaltig getäuscht. Zeit Online. https://www.zeit.de/2022/45/klage-h-und-m-nachhaltigkeit-greenwashing. Aufgerufen am 16.05.2023
Loesche, D. (2018, 16. Januar). Wichtigste Importländer für Kleidung nach Deutschland [Digitales Bild]. Statista. https://de.statista.com/infografik/12540/wichtigste-importlaender-fuer-kleidung-nach-deutschland/. Aufgerufen am 16.05.2023
Remy, N., Speelman, E., & Swartz, S. (2016, 20. Oktober). Style that’s sustainable: A new fast-fashion formula. McKinsey. https://www.mckinsey.com/capabilities/sustainability/our-insights/style-thats-sustainable-a-new-fast-fashion-formula#/. Aufgerufen am 16.05.2023
Reichert, I. (2023, 27. Februar). So macht unsere Kleidung die Umwelt kaputt. Quarks. https://www.quarks.de/umwelt/kleidung-so-macht-sie-unsere-umwelt-kaputt/. Aufgerufen am 16.05.2023
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Zukunftschreiben (o.D.). Was hat Fast Fashion mit unserem Klima zu tun? https://zukunftschreiben.org/blog/2020/fast-fashion-und-das-klima. Aufgerufen am 16.05.2023