Die Macht der Anklagen - Stillstand oder Widerstand?

In den letzten Jahren haben wir eine Zunahme von Protesten und zivilen Aktionen erlebt, die auf die Missstände der Klimakrise aufmerksam machen wollen. „Fridays for Future“ markierte dabei einen bedeutenden Anfang, indem es weltweit Menschen mobilisierte und die Klimakrise ins Bewusstsein rückte.

Wintersemester 2023/24: Georg Rieder, Kathrin Sticker, Marc Schweiger

 

Neuerdings wird mit Klagen gegen Konzerne, die maßgeblich an der Umweltverschmutzung
beteiligt sind, vorgegangen. Doch können Klimaklagen etwas bewirken und uns vor der drohenden
Katastrophe retten?

Die Anfänge der Bewegung für eine bessere Zukunft wurden durch sogenannte Klimastreiks eingeleitet,
die durch Aktionen wie das Fernbleiben vom Unterricht mediales Aufsehen erregten. (Zilles, 2023)
Heute stellen die Blockaden von Verkehrsrouten lediglich die Spitze des Eisbergs dar, wenn es darum
geht, die Öffentlichkeit in den Fokus der drängenden Probleme des Klimawandels zu rücken. In diesem
Kontext gewinnen rechtliche Schritte gegen umweltverschmutzende Konzerne zunehmend an
Bedeutung. Der Einsatz juristischer Mittel, um korrupte Staaten oder machthungrige Konzerne in die
Verantwortung zu ziehen, wird dabei immer wichtiger. Klimaklagen sind im Grunde genommen nichts
Neues. Seit etwas mehr als 20 Jahren versucht man mithilfe von Gesetzestexten die Ansprüche der
Bevölkerung gegenüber Staaten und Konzernen durchzusetzen. (ClimLaw: Graz, o. J.) Klimaklagen
stellen eine neue Möglichkeit dar, die Dynamik anderweitig zu verändern und langfristig etwas für die
Verlangsamung des Klimawandels beizutragen, indem diejenigen geklagt werden, die die größte
Mitschuld dafür tragen. Klagen, welche als Grundlage für den Rechtsstreit beispielsweise
Menschenrechtsverletzung, Umweltzerstörung und Profitgier auf Kosten von nachkommenden
Generationen beinhalten, sind jedoch noch immer umstritten. Regierungen, wie auch Unternehmen
jeglicher Größe, werden zunehmend angegriffen und zur Rechenschaft gezogen. (United Nations
Environment Programme, 2023)

Der Film „Duty of Care“, welcher Ende Oktober 2023 im Zuge des „Innsbruck Nature Film Festival“
gezeigt wurde und im Jahre 2022 erschienen ist, geht ebenso näher auf die Bedeutung solcher
Klimaklagen ein und beschreibt gleichzeitig, wie schwierig es vor Gericht noch immer ist, gegen
multinationale Konzerne zu gewinnen. Der Film handelt vom Protagonisten Roger Cox, einem
niederländischen Klimaanwalt, welcher gleich mehrere Unternehmen und Regierungen vor Gericht
zerrte. Den Anfang machte dabei die Royal Dutch Shell. (Duty of Care, o. J.) Grundlegende Punkte
dafür waren die Missachtung von Menschenrechten sowie die auch zukünftig geplanten Investitionen
und Förderungen von Kohlefeldern und Mineralöl, welche zur Folge haben, dass weiterhin Profit auf
Kosten der Umwelt und der Bevölkerung gemacht wird. Deren Bedürfnisse sollten nicht weiterhin
missachtet werden. Diese Meinung hat auch das Gericht vertreten, welches sich im Urteil auf Artikel
Zwei und Acht der Europäischen Menschenrechtskonvention berief. (Mast, 2021)

Im Falle vom Gerichtsurteil der Royal Dutch Shell, welches am niederländischen Gericht in Den Haag
verhandelt wurde, ist als Strafmaß eine gezielte Reduktion der eigenen CO2-Emissonen bis 2030 um
45 Prozent im Vergleich zum Jahr 2019 verhängt worden. Das Urteil ist mit sofortiger Wirkung
umzusetzen und gilt gleichermaßen für deren Zulieferer und Endkunden. (Manager Magazin, 2021) Bei
Nichteinhaltung kann der Konzern mit erheblichen finanziellen Konsequenzen konfrontiert sein.

Werden Global Player, wie eine Royal Dutch Shell, durch androhende Geldstrafen davon abgehalten,
den eigenen Profit zu maximieren und die Klimaziele des eigenen Zweckes wegen dennoch zu brechen?
(Perner & Spitzer, 2021) Vermutlich nicht. Klimaklagen beinhalten leider als Grundlage noch immer
nicht die bereits emittierten Schadstoffe, sondern zwingen den Angeklagten per Urteil „nur“ dazu,
zukünftige Emissionen zu reduzieren. Dennoch hat das Urteil gegen den Konzern einen Einfluss auf
zukünftige Entscheidungen vom Unternehmen selbst und auch von Mitkonkurrenten, da das der erste
gewonnene Fall in Zusammenhang mit dem Klimawandel war und weitere Klagen folgen könnten.
(Mast, 2021)

Im Jahr 2022 wurden weltweit etwa 2200 Klimaklagen verhandelt, und ihre Zahl hat sich in den letzten
fünf Jahren mehr als verdoppelt, was die zunehmende Bedeutung im Streben nach einer verbesserten
Zukunft verdeutlicht (Ott, 2023). Trotz einiger Erfolge stoßen Klimaklagen jedoch oft an ihre Grenzen.
Die Handlungsmöglichkeit von Gerichten ist durch fehlende Gesetze begrenzt, zusätzlich sind
rechtliche Verfahren häufig langwierig und kostenintensiv, was viele Organisationen und
Einzelpersonen davon abhält, den Weg vor Gericht zu wählen. Außerdem besteht noch immer kein
Recht auf Klimaschutz und die Hürden für Individualanträge, welche vor dem Verfassungsgerichtshof
einreichbar wären, sind schwer zu bewältigen. Individualaufträge können in Österreich nur von
Menschen gestellt werden, welche direkt von einem mutmaßlich verfassungswidrigen Gesetz betroffen
sind und keine andere Möglichkeit haben, ihre Rechte durchzusetzen. (Der Standard, 2023).

Trotz aller Herausforderungen und Unsicherheiten deuten die gewonnenen Klimaklagen darauf hin,
dass die rechtlichen Schritte gegen Umweltverschmutzung wichtig sind und einen bedeutenden Einfluss
auf die Wahrnehmung einnehmen. Um eine gerechtere Zukunft zu gestalten, bedarf es einer
Verknüpfung von sozialem Engagement, politischer Beteiligung und rechtlichen Maßnahmen. Nur
durch die Synergie dieser Elemente können wir nachhaltige Veränderungen herbeiführen und eine
Zukunft schaffen, in der Gerechtigkeit und Solidarität im Mittelpunkt stehen.

 

Literaturverzeichnis
ClimLaw: Graz. (o. J.) Klimaklagen. https://climlaw.unigraz.at/de/forschen/forschungsgebiete/klimaklagen

Dutyofcare.World. (o. J.). https://dutyofcare.world/

Manager Magazin. (2021, Mai 26). Royal Dutch Shell muss Kohlenstoffdioxid-Ausstoß nach
Gerichtsurteil verringern. Manager Magazin. https://www.managermagazin.
de/unternehmen/industrie/royal-dutch-shell-muss-kohlenstoffdioxid-ausstoss-nachgerichtsurteil-
verringern-a-4d2715f4-c993-4eae-a1d0-70ebdb52c0d9

Mast, M. (2021, Mai 27). Klimaklage gegen Shell: „Andere Öl- und Gaskonzerne werden sich erklären
müssen“. ZEIT ONLINE. https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2021-05/klimaklage-shellumweltschutz-co2-roger-cox

Ott, L. (2023). Gerichtsverfahren immer wichtigeres Klimaschutzinstrument. LTO.
https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/klimaklagen-un-vereinte-nationen-unep-klimawandelklimaschutz-
umweltschutz-litigation-prozessfuehrung-strategisch-strategic/

Perner, S., Spitzer, M. (2021) Royal Dutch Shell – Klimaklagen auf dem Weg ins Privatrecht.
Wirtschaftsuniversität Wien.
https://www.wu.ac.at/fileadmin/wu/d/i/privatrecht/Perner/Publikationen/Kleinere_Beiträge/Pe
rner-Spitzer__Royal_Dutch_Shell_-_Klimaklagen_auf_dem_Weg_ins_Privatrecht__ÖJZ_2021__591.pdf

United Nations Environment Programme. (2023). Global Climate Litigation Report: 2023 Status
Review. United Nations Environment Programme.
https://wedocs.unep.org/bitstream/handle/20.500.11822/43008/global_climate_litigation_report_2023.pdf?sequence=3

Warum Klimaklagen oft zum Scheitern verurteilt sind. (o. J.). DER STANDARD. Abgerufen 24.
November 2023, von https://www.derstandard.at/story/3000000178645/warum-klimaklagenoft-
zum-scheitern-verurteilt-sind

Zilles, J. (2023). 20. August 2018: Beginn der Klimaproteste "Fridays for Future". Bildung, B. F.
P. https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/524253/20-august-2018-beginn-derklimaproteste-
fridays-for-future

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