Villa Broschek – die Welt zu Gast im Tiroler Unterland 
Büro Stigler & Stigler, 1963; Erweiterungsbau 1973; Sanierung 2015-2018 

Das Innsbrucker Architekturbüro Stigler & Stigler entwarf in den 1960er Jahren für Helga und Herbert Broschek eine Villa in Fieberbrunn. Die Bauweise lässt erahnen: Willi Stigler jun. und seine Frau Christine waren durch ihre Reisen zu den Bauten Le Corbusiers in Frankreich und den Villen Frank Lloyd Wrights in Amerika inspiriert worden – und brachten damit die internationale Moderne ins Tiroler Unterland. Durch Fotografien ist der Bau der Villa Broschek in seiner Entstehung sowie nach der Fertigstellung dokumentiert. 

 

Stigler & Stigler, Villa Broschek, Mag.-Helga-Broschek-Weg 7, Fieberbrunn (1963). © Archiv für Bau.Kunst.Geschichte, Nachlass Stigler & Stigler.

Stigler & Stigler, Villa Broschek, Mag.-Helga-Broschek-Weg 7, Fieberbrunn (1963). © Archiv für Bau.Kunst.Geschichte, Nachlass Stigler & Stigler.

Im Archiv für Bau.Kunst.Geschichte ist seit 2004 ein umfangreicher Plan- und Fotobestand aus dem Nachlass Stigler beheimatet, der zwei Perioden des erfolgreichen Innsbrucker Architekturbüros abbildet. Wilhelm (Willi) Stigler sen. (19031976) gründete nach seinem Studienabschluss an der TH München 1926 ein Büro in Innsbruck. Sein Sohn Wilhelm Stigler jun. (1929–2003) wurde nach dem Studium in Graz und ständiger Mitarbeit im Jahr 1960 Büropartner, das ab 1964 unter dem Namen Stigler & Stigler firmierte. Auch Stiglers jun. Frau, Christine Stigler-Powondra (1930-2019), eine der ersten Architektinnen Österreichs, trat nach dem Diplom an der TU Graz 1957 ins Büro Stigler & Stigler ein.  

Willi Stigler jun. hatte als Arbeitgeber und Hochschullehrer Einfluss auf junge Tiroler Architekt*innen und somit auf das Architekturgeschehen der Nachkriegszeit. Stiglers Lehrtätigkeit an der 1969 neugegründeten Fakultät für Bauingenieurwesen und Architektur der Universität Innsbruck orientierte sich bis zuletzt an der internationalen Entwicklung der modernen Architektur. Er und seine Frau unternahmen zahlreiche Studienreisen, die in den Entwürfen seines Ateliers Niederschlag fanden, so auch bei der Planung der Villa Broschek.
 

Stigler & Stigler, Villa Broschek, Mag.-Helga-Broschek-Weg 7, Fieberbrunn (1963 nach Fertigstellung). © Archiv für Bau.Kunst.Geschichte, Nachlass Stigler & Stigler.

Stigler & Stigler, Villa Broschek, Mag.-Helga-Broschek-Weg 7, Fieberbrunn (1963 nach Fertigstellung). © Archiv für Bau.Kunst.Geschichte, Nachlass Stigler & Stigler.

Für die Pläne der Villa Broschek waren die Eindrücke der Amerikareisen des Ehepaars Stigler 1952/53 und der Frankreichreise 1957 besonders prägend. Die Reisenotizen Wilhelm Stiglers jun. während seiner Amerikaaufenthalte bezeugen das rege Interess des jungen Architekten an den Bauten von Erich Mendelsohn und Richard Neutra. Die größte Faszination übte auf ihn allerdings die Architektur von Frank Lloyd Wright in New York, Racine, Talisien und Chicago aus. Unübersehbar ist die Ähnlichkeit des Broschek-Entwurfs zu den frühen Wohnhäusern Wrights. Aus Frankreich und den Bauten Le Corbusiers wiederum spiegelt sich der Einsatz. Die Anlehnung an Frank Lloyd Wright und Le Corbusier wird an der Südostseite vom Materialwechsel bis zur charakteristischen horizontalen Fensterteilung des Wohnraums exemplarisch vorgeführt. Jedoch wurde erst durch die Erweiterung einer Schwimmhalle mit Gästeappartement 1973 die eigentliche Entwurfsidee der Gesamtanlage erfahrbar. Mit der ostseitigen Ergänzung rückt der zuvor seitlich asymmetrisch platzierte Kaminblock wie bei Frank Lloyd Wright ins Zentrum. Im Inneren erinnert die offene Feuerstelle als zentraler Versammlungsort konzipiert abermals an Wright. Das Erscheinungsbild des Interieurs wird von verputzten Betondecken, Holzfußböden, Terrakottaboden in der Treppenhalle, Linoleum-Belägen in Büros, Klinkerwänden und dem Kamin aus Naturstein bestimmt. Ergänz wird es durch betont bequemes Mobiliar und ungemusterte Textilien wie Vorhängen und verschiedenen Teppichen. Ein weiteres Charakteristikum sind die wandhohen Zimmer- und Fenstertüren, die in ihrer großzügigen und noblen Geste an die spektakulären Wohnhäuser von Mies van der Rohe erinnern. 

Von 2015 bis 2018 fand eine Sanierung des Gebäudes statt, die in erster Linie die Modernisierung und Adaptierung der Haustechnik (Bäder, Küche, Heizung) unter gleichzeitiger Bewahrung des originalen Erscheinungsbildes vorsah. Ein Jahr später wurde die Villa Broschek unter Denkmalschutz gestellt. Seit 2020 verfolgt das Projekt „Moderne in Tirol“ eine Kooperation zwischen Archiv für Bau.Kunst.Geschichte, Stadtplanung Innsbruck, Tiroler Kunstkataster und Landesamt für Denkmalpflege eine Bestandsaufnahme der Bauten zwischen 1945 und der sogenannten Postmoderne bis ca. 1985/1990 in ganz Tirol. Die Villa Broschek – Bau und Sanierung ist dabei ein Modellfall und gilt als Vorzeigebeispiel für eine denkmalgerechte Sanierung einer Villa der Nachkriegsmoderne. 

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