Künstlerarchitekt mit dem Fokus auf alternative Wohnmodelle

Siegbert Haas zählt zu den Architekten der Generation, die Tirol in den 1960er- und 1970er Jahren, vor allem im Bereich des Wohnungsbaus, prägten. „Wohnen morgen“ lautet der Titel einer Reihe von Architekturwettbewerben, die das österreichische Bundesministerium für Bauten und Technik mit dem Fokus auf innovative Wohnformen zwischen 1969 und 1975 aufrief und damit einen Kurs vorgab, der sich in Großwohnsiedlungen und Mehrgeschossbauten ebenso abzeichnete, wie im Einfamilienhaus. Haas Wohnbauten spiegeln den Zeitgeist par excellence – ohne jemals exzentrisch zu werden.

 

Siegbert Haas, Mehrfamilienhaus „Am Grauen Stein“ , Innsbruck/ Hötting. © Archiv für Bau.kunst.geschichte, Vorlass Siegbert Haas.

Siegbert Haas, Mehrfamilienhaus „Am Grauen Stein“ , Innsbruck/ Hötting. © Archiv für Bau.kunst.geschichte, Vorlass Siegbert Haas.

 

Es ist eher die bescheiden reduzierte bauliche Form, die seine Bauten ausmachen: im Kontrast von Mauer und Fensterfläche, sowie harter Kanten und weicher Formausbildung, der Schaffung von Blickbeziehungen, der Konzentration auf die Materialität, dem Entwerfen vom inneren Kern zur äußeren Hülle, dem bewussten Wechselspiel zwischen umbautem Raum und Umgebung bzw. Natur. Zu seinen Bauten zählen das Mehrfamilienhaus „Am Grauen Stein“ in Hötting/Innsbruck, in dem der Architekt sein Büro führt. Haas integrierte bereits zur Bauzeit 1974 die Bepflanzung der Fassaden – und war damit seiner Zeit voraus. Und das Atelier und Wohnhaus des Innsbrucker Künstlers Reiner Schiestl ist ein filigraner Holzpavillon, der sich besonders durch seine individuelle Raumdisposition auszeichnet.

Das Archiv für Bau.Kunst.Geschichte der Universität Innsbruck hat Haas´Architekten-Vorlass übernommen. Prof. Mag. Haas ist 1937 in Mühlau geboren, studierte an der Akademie für angewandte Kunst in Wien und absolvierte dort 1961 sein Diplom als Mag. Art. Ein Preis der österreichischen Zentralvereinigung der Architekten verschaffte ihm Praxiserfahrung durch die Mitarbeit im Büro vom Reinhard Riemerschmid in München. 1964 kehrt Haas nach Innsbruck zurück und arbeitet im Büro von Josef Lackner, bis er vier Jahr später die Bürogemeinschaft „M9“ mit Richard Gartl, Peter Thurner, Helmut Ohnmacht und Heinz Gamel begründet. Während Siegbert Haas bei Lackner tätig ist, beschäftigt sich dieser intensiv mit einer Stadtbauvision, die in der Broschüre „Die Anti Stadt. Leben hat Vorrang. Bauen ohne Bauland. Vorschlag für eine dritte Siedlungsform mit Zukunftsforderungen“ (1964-1966) dokumentiert ist. Der „Anti Stadt“ liegt die Idee der Sattelitenstadt zugrunde und setzt voraus, dass die Stadt bzw. die Wohnbebauung mit der Landschaft in Dialog tritt. Architektur überformt nicht, sondern stellt Beziehungen her, sie verbaut nicht kostbare Fläche, sondern richtet sich in die Höhe, „von Horizont zu Horizont“. Die Beschreibung der „Anti Stadt“ als „Synthese von Rationalität und Poesie“ ließe sich auch auf die Malereien und Texte von Siegbert Haas übertragen. Vor allem nach seiner Tätigkeit als Lehrer und Professor an der HTL (1980-1999) widmet er sich der Kunst und dem Schreiben, in Aquarellen, Aphorismen und konkreter Poesie. Leicht und doch mit zeit- und gesellschaftskritischem Ton schreibt Haas: „Wandern wird immer mehr zum Kreuzweg zwischen Scheußlichkeiten“ oder „Die Suche nach Selbstverwirklichung besteht um so mehr, je weniger der Einzelne zum Gemeinwohl beitragen kann.“

 

 

Hinweise:
Text: Hilde Strobl;
Recherche: Lisa Dinser

 

 

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