Die Nachlässe Clemens Holzmeister und Lois Welzenbacher im Archiv für Baukunst

 

Holzmeister Welzenbacher

 

Am 23. Dezember 2011 wurde der Vertrag zwischen DI Guido Holzmeister und dem Rektor der LFU Innsbruck, Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Tilmann Märk, unterzeichnet, mit dem der Nachlass von Prof. Clemens Holzmeister aus Privatbesitz in den Bestand des Archivs für Baukunst der Universität Innsbruck übergeht. Damit ging eine mehrjährige Verhandlung erfolgreich zu Ende.

Die Nachlässe von Lois Welzenbacher und Clemens Holzmeister

Als das Archiv für Baukunst am 14. Jänner 2005 gegründet wurde, hielt der Gründungsauftrag fest, dass die vordringlichste Aufgabe des Archivs in der Sammlung, Dokumentration und Erforschung der Entwicklung der modernen Architektur in Tirol seit Ende des 19. Jahrhunderts zu finden sei. Diese Aufgabe erfüllte das Archiv in den vergangenen acht Jahren mit großem Erfolg: in kurzen Abständen gelang es, die Nachlässe der bedeutendsten Architekten und Baumeister der frühen Moderne Tirols in den Sammlungsetagen im renovierten Sudhaus des ehemaligen Adambräu zu versammeln (siehe Datenbank auf dieser Homepage). In der Reihe dieser illustren Namen fehlten bis vor kurzem zwei Architekten: Lois Welzenbacher und Clemens Holzmeister. Denn die Bedeutung der beiden gebürtigen Tiroler geht weit über die Landesgrenzen hinaus. Sie zählen durch ihre Bauten und Entwürfe zu wichtigen Vertretern der Moderne in Europa und gelten durch ihre Lehrtätigkeit zu den „Übervätern“ späterer Generationen von Architekten in Österreich.

Im Sommer 2011 gelang es in Absprache mit der Leitung des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum, den Nachlass von Lois Welzenbacher (1889-1955) als Dauerleihgabe in die Sammlung zu überführen. Damit kam eine zentrale Figur der frühen Moderne ins Archiv. Besonders erfreulich ist diese Neuerwerbung auch deshalb, weil nun erstmals Welzenbachers Werk in einem seiner Hauptwerke, dem ehemaligen Adambräu, zu studieren ist.

Lois Welzenbacher seinem drei Jahre älteren Zeitgenossen, Landsmann und Architektenkollegen Clemens Holzmeister (1886-1889) an die Seite zu stellen, war ein lange gehegter Wunsch in Innsbruck. Kurz vor Jahresende 2011 ging dieser Wunsch endlich in Erfüllung.

Das über 70 Jahre umfassende Lebenswerk Clemens Holzmeisters als Architekt und Lehrer ist reich an schillernden Facetten und Höhepunkten. Fünf Stationen seiner Karriere stechen dabei besonders hervor und markieren die imposante Entwicklung Holzmeisters zu einem der führenden, international gefragten Architekten:

  • 1923 Gründung eines ersten privaten Architekturbüros in Bozen, das er zusammen mit seinem Freund, dem Architekten undSchauspieler Luis Trenker, führt
     
  • 1921 Dritter Preis im Wettbewerb für ein Krematorium am Zentralfriedhof in Wien.
    Er erhielt dennoch den Auftrag für die Umsetzung seines Entwurfes, da er die Idee hatte das brachliegende Gelände um das Schloss Neugebäude in Simmering nahe des Zentralfriedhofes in sein Projekt einzubinden und damit einer neuen Nutzung zuzuführen.
    Daraufhin Ruf auf eine Professur an der Akademie für bildende Künste in Wien, die Holzmeister von 1924 bis 1938 innehält

     
  • ab 1926 Zusammenarbeit mit dem Regisseur und Theaterintendanten Max Reinhard und Aufträge für die Festspiele in Salzburg:
    1926 Kleines Festspielhaus
    1932/33 Felsenreitschule, u.a. Faust-Stadt 1933
    1934 Überdachung der Felsennreitschule
    1936-1938 Erweiterung des kleinen Festspielhauses
    1955-1960 Großes Festspielhaus

     
  • seit 1927 Tätigkeit für die laizistische Republik Türkei im Auftrag des legendären Staatsgründers Kemal Atatürk (1938-1954 Aufenthalt in der Türkei; 1940-49 Professor an der TH Istanbul)
     
  • seit 1954 Lehrtätigkeit als Professur für Architektur an der Akademie für bildende Künste in Wien, 1955-57 als Rektor. Zu seinen Schülern zählen unter anderen Hans Hollein, Wilhelm Holzbauer, Gustav Peichl, Friedrich Kurrent, Josef Lackner und Friedrich Achleitner.

Clemens Holzmeister konnte eine beachtliche Zahl an Gebäuden für unterschiedliche Bauaufgaben verwirklichen: von Privathäusern über Industrieanlagen, öffentlichen Repräsentationsbauten für Kultur, Bildung und Verwaltung bis zu Kirchen und Klosteranlagen. Die herausragenden Leistungen erreichte er im Theater- und Sakralbau. Seine kraftvolle Architektursprache changierte zwischen Expressionismus und neuer Sachlichkeit – wobei Anklänge an barocke und klassische Traditionen spürbar blieben.

Versiert setzte er überliefertes Handwerk und moderne Bautechniken ein, sei es in Naturstein, Klinker und Holz oder im damals noch jungen Baustoff Beton. Sicher und selbstbewusst wählte er Form, Farbe und Proportion und schuf damit erstaunliche Innenräume, vom monumentalen Kirchenraum bis zur intim-heimelig anmutenden Berghütte.

Nicht zuletzt muss die brillante Zeichenfertigkeit und Malkunst Holzmeisters herausgestellt werden. Wie nur wenig Andere in seinem Fach beherrschte er die Darstellungstechniken mit Kohle, Aquarell, Zeichen- und Buntstift.

Holzmeister rangiert mit seinen Entwürfen und ausgeführten Bauten in der ersten Liga der so genannten „konservativen Moderne“ und wird in der Architekturgeschichte des 20. Jahrhunderts in einem Atemzug genannt mit seinen Zeitgenossen Peter Behrens, Paul Bonatz und Wilhelm Kreis.

Dieses beeindruckende Œuvre spiegelt sich in dem im Archiv für Baukunst verwahrten Bestand wieder. Es umfasst im Wesentlichen vier Konvolute:

1. über 500 Architekturpläne, Zeichnungen und Aquarelle
2. Schriftwechsel und vollständiger Pressespiegel der Jahre 1913-1997
3. Kalender und Notizbücher
4. annähernd 10.000 Originalfotografien und über 500 Dia-Positive sowie mehrere Filme

Innerhalb des Bestands nehmen die Fotografien einen besonderen Stellenwert ein, da sie das gesamte Werk des Architekten dokumentieren. Neben dem Planbestand in der Grafischen Sammlung Albertina ist nun der komplementäre, bisher private zweite Teil des Nachlasses von Clemens Holzmeister im Archiv für Baukunst der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck für die Wissenschaft zugänglich.

Ziel der kommenden Jahre wird es daher sein, den Bestand im Rahmen eines wissenschaftlichen Forschungsprojekts zu bearbeiten und zu analysieren. Denn erst jetzt ist es möglich, ein vollständiges, kritisch kommentiertes Werkverzeichnis eines der bedeutendsten Architekten Österreichs zu erarbeiten und damit eine Lücke in der Architekturgeschichte des 20. Jahrhunderts zu schließen.

Rezension zu neu erschienener Literatur über Clemens Holzmeister von Prof. Dr. Burcu Dogramaci.
 

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