E3 - Stil als Nachahmung und Exzess

Design Studio Bachelor Thesis: Stil als Nachahmung und Exzess

Giacomo Pala & Marco Russo

Dieses Studio erforscht Architektur durch die Linsen von Stil und Folly (Narrerei). Follies – Pagoden in Gärten, ornamentale Türme auf Landsitzen, extravagante Pavillons – waren seit jeher verspielt und überbordend, zugleich aber ernst: klein genug, um als Experimente zu dienen, und symbolisch genug, um große Fragen zu stellen. Von der Pagode in den Kew Gardens bis hin zu Coop Himmelblaus dekonstruktivistischer Folly in Osaka reicht das Spektrum dieser architektonischen Idee bis in die Gegenwart.

Im ersten Semester arbeiten die Studierenden mit zwei Follies, deren Stil sie rotierend verändern: dekonstruktivistisch und modernistisch, postmodern und nachhaltig. Durch diesen Prozess entsteht ein „Atlas zeitgenössischer Stile“, bestehend aus Zeichnungen und einer Reihe von Modellen. Parallel zur Entwurfsarbeit – und ebenso wichtig – verfassen die Studierenden einen Essay zum Thema Stil, in dem die wechselnden Bedeutungen des Begriffs vom 18. Jahrhundert bis heute nachgezeichnet und in Bezug auf Mode, Popkultur und Identität reflektiert werden.

Im zweiten Semester verschiebt sich der Fokus von der isolierten Folly hin zu den Landschaften, die solche Konstruktionen beherbergen: Gärten, Schlösser, Anwesen oder Friedhöfe. Untersucht werden die politischen, sozialen und kulturellen Bedingungen, aus denen diese Orte hervorgegangen sind, wie sie sich verändert haben und wie sie zu Märkten, Einkaufszentren, touristischen Attraktionen oder neuen Infrastrukturen transformiert wurden. In Zweierteams geht es schließlich darum, diese Orte durch spekulative Visionen neu zu entwerfen, ausgedrückt in konzeptuellen Modellen und Zeichnungen und verknüpft mit aktuellen Fragestellungen. Jedes Team wählt dabei einen eigenen Schwerpunkt – politisch, ökologisch oder ästhetisch – und denkt den gewählten Ort aus zeitgenössischer Perspektive neu. Entstehen soll sowohl eine zeichnerisch-modellhafte Vision als auch ein Forschungsbuch, das die Besonderheiten des Ortes, seine Transformationen und seine politischen wie kulturellen Implikationen in größerem Maßstab untersucht. Wird etwa ein Garten zum Gegenstand, könnten die Forschungsfragen lauten: Wie haben sich Gartenanlagen verändert? Wie hat sich unser Verhältnis zur Natur gewandelt? Wie lässt sich der Garten neu denken?

Das abschließende Buch wird den Atlas der Follies, die Essays zum Stil sowie eine ausgearbeitete Forschungsarbeit enthalten, die einen historischen Ort im Lichte zeitgenössischer Fragestellungen und der individuellen Forschungsinteressen neu imaginiert.

E1 - Rumpfhuber

Design Studio E1: A Piece of Fiction (Grounded in Reality)

Andreas Rumpfhuber

Das Entwurfsstudio folgt der Behauptung, dass Architektur ein fiktionales Werk hervorbringt, das auf realen Ereignissen und konkreten Situationen beruht und in diesen verankert ist. Dieses Werk kann (ähnlich wie in den anderen Künsten) einen weiten Bogen spannen: Manchmal ist es fantastische Welterklärung, manchmal bietet es alltägliche, pragmatische Lösungen an. In jedem Fall reagiert Architektur auf die jeweils aktuellen Diskurse und interveniert in diese.

Verstehen wir die Praxis der Architektur in diesem Sinne, werden Kompetenzen wichtig, die über das disziplinär gefasste und traditionelle Handwerk hinausreichen und im weitesten Sinne mit Theorie und Forschung, mit Beobachten sowie mit analytischem Denken und Reflektieren assoziiert werden.

Im Entwurfsstudio „A Piece of Fiction (Grounded in Reality)“ werden den Student/innen die Grundlagen einer methodischen Herangehensweise vermittelt. Mit den Mitteln der Architektur – dem Zeichnen, dem Modellbauen, dem Schreiben, etc. – geht es in einem ersten Schritt um das genaue Beobachten, das umfassende Recherchieren und das präzise Analysieren. In einem zweiten Schritt werden daraus Fiktionen extrapoliert, die im Spannungsfeld ästhetischer, politischer, sozialer und wissenschaftlicher Erkenntnis verhaftet sind. 

Ausgangspunkt der einzelnen Projekte ist jeweils ein - mehr oder weniger - surreales, jedenfalls nicht ganz einordenbares, oder am ersten Blick unverständliches und gleichzeitig faszinierendes Bild (einer Realität). In einem ersten Schritt sind die Student/innen angehalten das was sie sehen in Worte und Zeichnungen, eventuell auch in Modellen zu beschreiben und zu analysieren, sowie parallel dazu Recherchen über die Inhalte des Bildes zu machen. Diese erste Phase endet mit einer Zwischenpräsentation bei den Mid-Terms. In der zweiten Phase des Projektes werden die Erkenntnisse über die Realität des Bildes in einen Entwurf extrapoliert, der in rekursiv in die Realität des Bildes interveniert.

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SL Cultural Studies

Peter Volgger

Die Cultural Studies interessieren sich für Phänomene, die im Alltag der ‘Leute’ entstehen bzw. die als ‘populäre Texte’ angeeignet werden. Dabei geht es ihnen um die Aufhebung des Unterschieds von ‘Hochkultur’ und ‘Alltagskultur’, Banales und Kitsch werden wichtig. Im Fokus stehen meist Gegenstände des Alltags (zB. Tennisschläger, Mode, Smartphone usw.), von denen aus der Kontext aufgerissen wird. Architektur ist eine kulturelle Disziplin, dh. ein Feld, in dem Machtverhältnisse verhandelt und Identitäten erzeugt werden. Die Cultural Studies tun das nicht, indem sie Trivialitäten vermitteln, sondern sie orientieren sich an den neuesten Theorien. Wer sich mit ihnen auseinandersetzt, lernt die Argumente aus den Bereichen Soziologie, Medienkunde, Politischer Theorie, Ästhetik, Ethik, Naturphilosophie usw. kennen. Die VL entwickelt die Bedeutung der Architektur anhand von Beispielen aus der alltäglichen Erfahrung von Menschen. Im zweiten Teil geht die VL auf die Mainstream-Phänomene von Individualisierung, Globalisierung (Amerikanisierung) und Medialisierung ein.
Skriptum, Texte und eine detaillierte Inhaltsangabe der einzelnen Vorträge unter https://archtheo.eu/lehre/cultural-studies-ws-2025_26

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VO Architekturtheorie 2

Bettina Schlorhaufer

Im Rahmen der Lehrveranstaltung erhalten die Studierenden Einblick in die politischen, ideologischen, künstlerischen und philosophischen Zusammenhänge von Architektur, Städtebau und Landschaft vom späten 19. Jahrhundert bis in die Zwischenkriegszeit.

Im Zentrum des Kurses steht das Thema Reform, d. h. das Bestreben von Architekten und anderen Teilnehmern an soziokulturellen Diskursen, Verbesserungen an und in unseren (gebauten) Lebenswelten einzuleiten.

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SE Architekturtheoretische Diskurse

Marco Russo

Convivial Tools - Architektur und Weinbau als Kulturtechniken.

Wein fördert die Geselligkeit und funktioniert als soziales Bindegewebe. Bereits die antiken Kulturen des Mittelmeerraumes verbanden den Genuss von Wein mit rituellen und kultischen Praktiken. Im alten Ägypten war Wein Bestandteil des Begräbnisopfers und das Getränk der Pharaon*innen im Jenseits. In Griechenland und im römischen Imperium war Wein den Göttern Dionysos respektive Bacchus geweiht und ein zentrales Element des Gastmahls (Symposium/Convivium). Schließlich spielt das Trinken von Wein auch im Judentum und Christentum eine zentrale Rolle, nämlich in der Feier des Pessach-Mahls und der Eucharistie bzw. der Abendmahlsfeier. Trotz unterschiedlicher Konnotationen ist stets ein gemeinsames Element ausfindig zu machen: Wein ist eine Kulturtechnik der Konvivialität.

Das Seminar widmet sich dem Thema der „Konvivialität“. In seinem 1973 erschienen Buch Tools for Conviviality setzt Ivan Illich den Begriff der Konvivialität in bewusster Abgrenzung zur technokratischen Moderne und entwickelt ihn als Grundlage für einer freien und solidarischen Gesellschaft. Konvivialität ist für Ivan Illich eine Form des Lebens, in der Menschen ihre Werkzeuge – ebenso wie ihre sozialen und räumlichen Strukturen – selbstbestimmt, gemeinschaftlich und im Maß nutzen. Aufbauend auf Ivan Illich und anderen Autor*innen soll Konvivialität interdisziplinär gedacht und im Hinblick der Praxis kooperativer Räume diskutiert.

Die praxisbezogene Komponente des Seminars widmet sich der Konvivialität aus historischer und kulturtheoretischer Sicht und beleuchtet diesen Aspekt im Kontext des Weinbaus in Südtirol – einem Bereich, in dem traditionelle Formen gemeinschaftlichen Handelns, lokaler Ressourcennutzung und maßvoller Techniknutzung erkennbar sind. Ein besonderes Augenmerk gilt der Architektur als Werkzeug gemeinschaftlichen Lebens (Hof/Stube/Genossenschaft) und der Frage, wie Räume Konvivialität ermöglichen aber auch verhindern.

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SE Architekturphilosophie

Marco Russo

(Er)Schöpfung

Atem und Atemnot, Schöpfung und Erschöpfung.

„I can’t breathe“ ist längst nicht mehr nur die Parole von Black Lives Matter, sondern zu einer Metapher unserer Gegenwart geworden – einer Zeit, in der ein planetarisches Erstickungsgefühl vorherrscht: in den von Hitzewellen und Luftverschmutzung heimgesuchten Städten; in den auf engstem Raum zusammengepferchten Menschen in Flüchtlingslagern oder auf Booten; auf eingeschlossenen und belagerten Territorien; in den Lithiumminen der südlichen Hemisphäre.

Atemnot zeigt sich auch im Inneren: im Burnout, im anhaltenden Gefühl der Müdigkeit und der Unfähigkeit zur Erholung. Mit anderen Worten: Alles und alle um uns herum sind erschöpft. Erschöpft sind die Menschen, die kollektive Psychosphäre und die natürlichen Ressourcen; erschöpft sind angesichts der dauernden Krisen und Katastrophen ebenso unsere Ideen wie unsere Menschlichkeit.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage: Was bedeutet es, in Zeiten der Erschöpfung Architektur zu betreiben? Oder anders: Was kann Architektur angesichts der Erschöpfung noch Sinnvolles leisten?

Dem Seminar liegt ein Verständnis von Architektur zugrunde, das weit über das bloße Errichten von Bauwerken hinausgeht. Architektur ist ein Akt der Imagination, der Organisation von Raum, Zeit und Material – und, metaphysisch gesprochen, ein Schöpfungsakt.

Wir befassen uns mit philosophischen Positionen, die das Spannungsfeld von Schöpfung und Erschöpfung ins Zentrum rücken. Franco Berardi entwickelt in Respirare das Bild der Atemnot als Signatur einer erschöpften Welt und fragt, wie Poesie neue Lebensrhythmen eröffnen kann. Gilles Deleuze beschreibt in Erschöpfung den Zustand, in dem alle Möglichkeiten durchgespielt sind – und gerade daraus radikal Neues entstehen kann. Simone Weil deutet in Schwerkraft und Gnade die Schöpfung als Akt des Rückzugs, der Raum für Freiheit und Erneuerung schafft. Hannah Arendt zeigt in Vita activa, dass kreatives Handeln die Welt erneuern kann, zugleich aber durch mechanisierte Produktion und Dauerbetrieb gefährdet ist. Walter Benjamin analysiert in Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, wie technische Vervielfältigung schöpferische Aura erschöpfen und transformieren kann. Jane Bennett entwickelt in Vibrant Matter die Vorstellung einer lebendigen Materialität, die Gestaltung als Zusammenarbeit zwischen menschlichen und nicht-menschlichen Akteuren denkt. Giorgio Agamben betont in Creation and Anarchy, dass Schöpfung nicht immer auf Verwirklichung zielen muss, sondern auch im Offenhalten von Möglichkeiten besteht. Wie kann Architektur auf eine erschöpfte Welt reagieren, ohne selbst erschöpfend zu wirken? Welche Denk- und Gestaltungsweisen eröffnen sich – im übertragenen Sinn – zwischen dem Atem der Schöpfung und der Atemnot der Gegenwart?

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