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Bar­bara Hin­ger

...wie aus einem Zufall ein Glücksfall wurde.

Was hat Sie damals an die Universität Innsbruck gezogen? Ich kam im Jahr 1997 für eine Doktoratsstelle als Vertragsassistentin an die Universität Innsbruck und konnte damit mein Doktoratsstudium, dass ich an der Universität Graz begonnen hatte, fortsetzen und abschließen.

Denke ich an Innsbruck, denke ich sofort daran... welches Glück ich hatte, die Stelle zu bekommen, mein Doktorat zu machen und gemeinsam mit Kolleg:innen eine Fremdsprachendidaktikausbildung für Lehramtsstudierende aufzubauen.

Was war für Sie ein unvergessliches Erlebnis Ihrer Studienzeit? Die Zusammenarbeit mit anderen Doktorandinnen und die gegenseitige Unterstützung.

Gab es Momente oder Personen in Ihrem Studium, die Sie besonders geprägt haben? Ich erhielt 1998 die Möglichkeit, an einer European Research Conference (EURESCO) des European Science Foundation (ESF) in Acquafredda di Maratea, Italien, teilzunehmen. Mein Promotionsthema passte zur Konferenz, denn sie widmete sich der Spracherwerbsforschung (The Structure of Learner Language - From Pragmatics to Syntax: Organizational Principles of Second Language Acquisition). Von der Universität Innsbruck war Frau Professorin Maria Iliescu eingeladen. Sie forschte aber nicht im Bereich des Spracherwerbs. Da sie von meinem Promotionsvorhaben wusste, übergab sie mir freundlicher- und uneigennützigerweise ihre Einladung. Die Konferenz war zur Gänze vom ESF finanziert. Internationale Spracherwerbsexpert:innen, wie John Schumann oder Wolfgang Klein, und Forscher:innen im mittleren Expertisefeld sowie Nachwuchsforscher:innen wie ich kamen eine Woche lang in einem Hotel an der Küste der Basilikata zusammen und diskutierten angeregt nach den Vorträgen, die immer im gesamten Plenum stattfanden. Frühstück, Mittag- und Abendessen boten die Gelegenheit, die Themen weiter zu vertiefen. Es war für mich der erste geballte Zugang zu internationalen Größen in meinem Forschungsfeld, die mich einfach beim Essen in Fachdiskussionen verwickelten. Ich denke immer noch mit großer Dankbarkeit an diese wunderbare Gelegenheit, die mir Frau Maria Iliescu ermöglichte, und freue mich, dass ich mit einigen Kolleg:innen von damals nach wie vor in Kontakt bin und auch gemeinsame Arbeiten durchführen konnte.

Aus meinem Studium habe ich noch... weitere Tagungsteilnahmen in Erinnerung, die mein Denken geschärft haben und beständige Kontakte ermöglichten.

Waren Sie im Ausland? War das für Sie aus heutiger Sicht wichtig? Ich war bereits vor meinem Doktoratsstudium mehrmals im Ausland, auch, weil ich das Doktoratsstudium erst als Mitt-Dreißigerin aufgenommen habe. So war ich davor 3 Jahre als österreichische Lektorin an der Universität Sevilla in Spanien tätig. Dies hat mein Verständnis von anderen Kulturen nachhaltig geprägt. Nach meiner Promotion war ich mehrmals an US-amerikanischen Universitäten und besuchte Linguistic Summer Institutes. Die Teilnahmen daran haben meine Expertise in diversen Bereichen der Linguistik und des Spracherwerbs deutlich erweitert und vertieft und mir Einblicke in Uni-Systeme in den USA und auch in den Umgang auf Augenhöhe zwischen Professor:innen und Studierenden respektive Nachwuchsforscher:innen ermöglicht.

Mir fällt aber auch ein, dass ich ohne einen Auslandsaufenthalt, der mich im Sommer 1996 zu einem Englischkurs an die Uni Cambridge samt dortigen Bibliotheksrecherchen, gar nicht von der Stelle an der Universität Innsbruck erfahren hätte. Denn ein Jus-Professur aus Innsbruck war zufällig im gleichen Englischkurs wie ich, wusste von meinem Promotionsvorhaben und hat mir ein paar Monate später auch das Mitteilungsblatt der Uni Innsbruck mit der Stellenausschreibung geschickt. Ohne diese Information wäre ich wohl nicht in Innsbruck gelandet. Internet und online-Stellenausschreibungen gab es damals ja noch nicht und ohne den Englischkurs in Cambridge wäre ich dem Jus-Professor wohl nicht begegnet.

Wie hat sich Ihr Weg vom Studium bis heute entwickelt? Ich hatte nach dem Doktoratsstudium das Glück, an der Universität Innsbruck weiter beschäftigt zu werden und war bis 2020 hier tätig. Mein Weg hat mich in dieser Zeit von der Doktorandin über die Habilitation bis zur Professorin für Fremdsprachendidaktik am 2012 neu gegründeten Institut für Fachdidaktik der heutigen Fakultät für LehrerInnenbildung geführt. Dafür bin ich der Universität Innsbruck und den Personen, die dies möglich gemacht und mich begleitet haben, unendlich dankbar.

Haben Sie nach dem Studium eine andere berufliche Richtung eingeschlagen? Würden Sie sich aus heutiger Sicht für ein anderes Studium entscheiden? Ich bin bei meiner beruflichen Richtung geblieben und würde mich aus heutiger Sicht wieder für ein Doktoratsstudium der Romanistik mit Schwerpunkt in der Spracherwerbsforschung entscheiden. Für mich war es der richtige Weg von der Spanischlehrerin an einem Gymnasium hin zur Forscherin für schulischen Fremdsprachenerwerb.

Welche im Studium erworbene Qualifikation hilft Ihnen im heutigen Beruf am meisten? Die Möglichkeit, mein Doktoratsvorhaben an einer deutschen Uni einem Fachprofessor und seinem Team vorstellen zu können. Die Diskussion nach meiner Präsentation war sehr hart, hat meine Gedanken respektive Gegenargumente geschärft und mir gezeigt, wie grundlegend Fachexpertise im Sinne des Durchdringens eines Themenbereichs ist.

Was war bis jetzt Ihr schönstes Erlebnis in Ihrer beruflichen Laufbahn? Mein schönstes Erlebnis war die Abschiedsfeier, die „mein“ Institut und „meine“ Fakultät 2020 für mich organisiert haben, als ich dem Ruf auf eine Professur für Fremdsprachendidaktik an der Universität Graz, an der ich mein Diplomstudium Lehramt absolviert hatte, gefolgt bin. An die mir zuteil gewordene Wertschätzung denke ich immer wieder gerne, auch weil beteiligte Kolleg:innen früher Studierende und/oder studentische Mitarbeiter:innen waren, ich sie akademisch und persönlich wachsen sehen und auf ihrem wissenschaftlichen Weg ein Stück lang begleiten durfte. Generell sind und waren die Betreuung und Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses wie auch die Begegnung mit Studierenden in der Lehre meine schönsten Berufserlebnisse.

Was möchten Sie gerne noch erreichen – beruflich oder privat? Die Einrichtung einer außeruniversitären Forschungsstätte für schulischen Fremdsprachenerwerb und evidenzbasierten Fremdsprachenunterricht; privat wünsche ich mir die Fortsetzung meiner mich auf vielen Ebenen bereichernden Partnerschaft und weiterhin Gelegenheiten zum persönlichen Wachstum mit wachem Geist und offenem Herzen …

Was würden Sie heute anders machen? Ich würde aus heutiger Sicht vor allem in meiner früheren Funktion als Leiterin des Instituts für Fachdidaktik noch vehementer für die Finanzierung ausreichender und nachhaltiger Stellen für den wissenschaftlichen Nachwuchs eintreten und mich für eine vernünftige Quote von Fluktuationsstellen und fixen Stellen an der Universität einsetzen.

Studierenden rate ich... ihrer Begeisterung für ein Fach, für einen Fachbereich, für ein Thema und ihrem Herzen achtsam zu folgen, denn daraus erwächst die Motivation für eine langfristige Beschäftigung mit einem Gebiet, für das dann auch wesentliche Beiträge geleistet werden können.

Was war zu Studienzeiten Ihr Lieblingsort in Innsbruck/an der Universität? Das Stadtcafé, das es heute nicht mehr gibt, und die Bibliothek, aber auch das Höttinger Bild, zu dem ich in Schreibpausen oft gewandert bin.

Was verbindet Sie heute noch mit der Universität? Ich freue mich, weiterhin mit früheren Kolleg:innen kooperieren zu können und noch einige Doktorand:innen betreuen zu dürfen. Mich verbindet auch die eine oder andere Freundschaft, die im Laufe der Zeit durch meine Arbeit an der Universität entstanden ist, mit der Uni.

Ich wollte immer schon einmal... mit der Neurolinguistin Angela Friederici ins Gespräch kommen.              

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Stand: August 2025

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