15.11.2022 | Workshop "Scythica Vindobonensia"

Neue Quellen zur Geschichte des 3. Jahrhunderts n. Chr.

Organisation
Martin Korenjak (Institut für Klassische Philologie und Neulateinische Studien)
Roland Steinacher (Institut für Alte Geschichte und Altorientalistik)

  Dienstag, 15.11.2022 | Beginn: 14.00 Uhr

  Palais Claudiana, Herzog-Friedrich-Straße 3 (Altstadt Innsbruck)

  Poster zum Download als pdf [1,3 MB]


Hintergrund ↓↑ 

Die Scythica Vindobonensia – neue historische Fragmente, die in der unteren Textschicht der palimpsestierten Blätter 192r–195v des Codex Hist. gr. 73 der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien vor einigen Jahren entdeckt wurden – bilden zweifellos einen der wichtigsten Zuwächse zum Corpus antiker Texte. Sie enthalten eine detaillierte Darstellung von Einfällen von "Skythen" (eine archaisierende Kollektivbezeichnung für Goten und andere ostgermanische Gruppen) in die römischen Balkanprovinzen in der Mitte des 3. Jh. n.Chr. und entstammen höchstwahrscheinlich den "Scythica" des zeitgenössischen Historikers Dexippos von Athen.

Das Projekt – eine Kooperation der ÖAW und der Universität Wien – setzte sich zum Ziel, die Scythica Vindobonensia systematisch zu erschließen. Jana Grusková (ÖAW) und Gunther Martin (Universität Zürich) entziffern und untersuchen die Fragmente weiter. Beide Forschende haben gemeinsam den größeren Teil der Fragmente und die ersten Interpretationsvorschläge und Überlegungen zum Text bereits in einer Reihe vorläufiger Publikationen veröffentlicht. Die Ergebnisse werden in einer Monographie präsentiert werden, die neben einer kritischen Edition und einem umfassenden Kommentar zum Text ausführliche Studien zu Einzelfragen (etwa zur Frage der Autorschaft, zur Sprache und zum Stil, zur Struktur/Rekonstruktion des Originalwerkes und seiner Interpretation u.a.) wie auch reichliches Bildmaterial vom Palimpsest enthalten wird.

Zur Wiederherstellung des Textes kommen die modernsten technischen und naturwissenschaftlichen Methoden zum Einsatz. Der überlieferte Inhalt hat weitreichende Auswirkungen auf viele Aspekte der antiken Geschichtsforschung, von römischer politischer Geschichte und Militärgeschichte über römische, griechische und gotische Prosopographie bis hin zu wichtigen Fragen die Verwaltung des römischen Reiches während der Krise des 3. Jh. n. Chr. betreffend. Darüber hinaus ist eine kritische Befassung mit dem relevanten epigraphischen und archäologischen Material notwendig. Fritz Mitthof (Universität Wien, Institut für Alte Geschichte und Altertumskunde, Papyrologie und Epigraphik) unterstützt das Projektteam bei der althistorischen Kontextualisierung.

In den 260er Jahren spielen Heruler neben den Goten eine Hauptrolle im Drama der Griechenland bedrängenden Barbaren. Im Frühjahr 267 war das Problem besonders schwerwiegend. Eine kampfstarke barbarische Koalition drang Richtung der griechischen Zentralräume vor. Es ist schwierig, die genaue Abfolge der Ereignisse zu rekonstruieren. Viele – und teilweise sich zeitlich überschneidende – Bewegungen bewaffneter Verbände, verschiedene Kämpfe und Schlachten sind zu chronologisieren. Zudem verfügen wir meist nur über spätere Überlieferung. Die Historia Augusta, Zosimos, Jordanes, Johannes Malalas, Georgios Synkellos und Zonaras berichten über die Kämpfe. Alle genannten Autoren bezogen sich dabei auf die nur in Fragmenten überlieferten Schriften des oben erwähnten Publius Herennius Dexippos. Genau hier liegt die historische Bedeutung der neu entdeckten Fragmente, deren Stellenwert und Gewicht im Workshop gemeinsam untersucht werden soll.

Zum Workshop in Innsbruck soll das Team des mittlerweile beinahe abgeschlossenen Projekts eingeladen werden: Jana Grusková und Gunther Martin (Universität Zürich). Herwig Wolfram (Wien) ist ein weltweit führender Experte zur Völkerwanderungszeit und zu den Goten. Wolfram wird in ein wissenschaftliches Gespräch mit den Editor·innen und Mitthof treten und dabei von Salvatore Liccardo (Wien) unterstützt. Getragen wird der Workshop von der interdisziplinären Debatte zwischen Geschichtswissenschaft und Philologie, ein breites Publikum ist erwünscht und willkommen.

 

  Nähere Informationen zum Projekt in englischer Sprache können auf der Homepage der ÖAW nachgelesen werden:
Scythica Vindobonensia (oeaw.ac.at)

 

Programm

14:00 Eröffnung
Martin Korenjak/Roland Steinacher (Innsbruck)
Begrüßung und einleitende Worte

14:30–16:30 Panel 1: Palimpsest und Edition

Jana Grusková (Wien/Bratislava)
Scythica Vindobonensia – ein neues Bruchstück antiker Historiographie: Entdeckung, digitale Lesbarmachung, Entzifferung, Edition, Erschließung

Gunther Martin (Zürich)
Dexipp, ein Geschichtsschreiber im späten 3. Jh.

Pause 16:30–17:00

17:00–19:00 Panel 2: Die historischen Probleme

Salvatore Liccardo (Wien)
Völkernamen und ihre Hintergründe: Ethnographie und Identität

Herwig Wolfram (Wien)
Die Gotengeschichte und die Scythica Vindobonensia

19:00 Abschlussdebatte Expert·innen und Publikum

 

Die Veranstaltung wird gefördert von 

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