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Bemühe dich zu verstehen! Ansprache zur feierlichen Sponsion und Promotion am Samstag, 8. Juli 2023

Autor:Lumma Liborius
Veröffentlichung:
Kategoriefak
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2023-07-11

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Sehr geehrte Absolventinnen und Absolventen[1], für Sie ist – davon gehe ich mal aus – heute ein Tag der Freude, des Stolzes und auch der Rückschau auf Ihr eigenes Studium.

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Sehr geehrte Angehörige, Freundinnen und Freunde, liebe Gäste, für Sie ist es vermutlich ebenfalls ein Tag der Freude, aber vielleicht auch das erste Mal, dass Sie dieses Gebäude betreten haben, das seit 100 Jahren von der Universität Innsbruck besiedelt ist. Die Universität stellt sich Ihnen in dieser Stunde vor – und ich hoffe, wir hinterlassen einen guten Eindruck.

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Ich möchte Sie kurz in das 13. Jahrhundert mitnehmen: eine Zeit, die von hoher Bedeutung gewesen ist für die westeuropäische Art und Weise zu lehren, zu forschen und um die Wahrheit zu ringen. In jener Zeit stach ein Gelehrter hervor, der die westliche Wissenschaftsgeschichte mehr beeinflusst hat als die meisten anderen: Thomas von Aquin, Philosoph, Theologe, Rechtsgelehrter und Mitglied des damals noch ganz jungen Dominikanerordens.

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Auf Anfrage eines jungen Mitbruders verfasste Thomas seinen berühmt gewordenen „Brief über die Weise zu studieren“: eine Art Checkliste mit kurzen Tipps, von denen ich Ihnen nun drei mitgeben möchte.

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Der erste: „Wähle den Weg über die Bäche und stürze dich nicht gleich ins Meer! Man muss durch das Leichtere zum Schwierigen gelangen!“

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Vieles in der Wissenschaft sind Fingerübungen: Man lernt Fachbegriffe, Arbeitsmethoden, die Anwendung von Formeln oder technischen Geräten. Gewiss ist das auch in Ihrem Studium so gewesen. Nicht alle Schritte waren spektakulär, manches kostete eine Menge Geduld: Geduld, die sie mit sich selbst, mit den Lehrenden und mit ihrem Studienfach aufbringen mussten. Ich hoffe aber, dass Sie erlebt haben, dass ohne Genauigkeit im Kleinen das Große nur auf tönernen Füßen steht, und dass man in dem Meer, von dem Thomas spricht, nur bestehen kann, wenn man gelernt hat, souverän durch die Bäche zu schreiten.

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Ein zweites: „Was du liest oder hörst, bemühe dich zu verstehen!“

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No na, möchte man sagen, was denn sonst? Aber das ist nicht so selbstverständlich. Wissenschaft hat die Aufgabe zu widerstehen, wo nur diejenigen Gehör finden, die am meisten Aufhebens um sich selbst machen, die am lautesten und am publikumswirksamsten sind. Ich hoffe, Sie konnten erkennen, dass nicht nur im Lauten, im Unterhaltsamen und Gefälligen, sondern auch im Unbequemen und Sperrigen Wertvolles zu entdecken sein kann, auch wenn es zuerst nicht der Mühe wert schien, weil es schwer verständlich oder schlecht verpackt war. Wissenschaft ist manchmal wie Leistungssport, und wer sich nicht hineinbeißt, wird immer nur an der Oberfläche kratzen. – Was du liest oder hörst, bemühe dich zu verstehen.

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Schließlich ein drittes: „Bewahre dir die Reinheit des Gewissens.“

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An der Uni menschelt es. Da gibt es Frauen und Männer mit großen Ambitionen, mit glanzvollen Karrieren, aber auch manche Lebensläufe, die ins Stocken geraten sind. Ihre Mitstudentinnen und Mitstudenten waren Begleiterinnen und Begleiter auf einem gemeinsamen Weg. Viele im Studium geschlossene Freundschaften halten ein Leben lang – und das wünsche ich auch Ihnen! –, aber manchmal waren die anderen auch Konkurrenz, gegen die es sich durchzusetzen galt. Dass ein Studium die Tür zu manch gut bezahltem Beruf öffnet; dass viele Forschungsergebnisse ökonomisch verwertbar sind, das ist ein angenehmer Effekt und es ist nichts Schlechtes daran, aber: Der Sinn der Wissenschaft ist es nicht. Es war auch nicht Ihre Aufgabe, den Professorinnen und Professoren zu gefallen, sondern Kompetenzen und kritisches Bewusstsein auszubilden. Wenn Sie gleich anlässlich Ihres Studienabschlusses Ihr Gelöbnis sprechen, dann ist das keine Folklore, sondern die Selbstverpflichtung zu ethischem Bewusstsein und sozialer Verantwortung, die schwerer wiegt als der persönliche Vorteil. – Bewahre dir die Reinheit des Gewissens.

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Liebe Absolventinnen und Absolventen, zu Ihren Studienabschlüssen gratuliere ich Ihnen herzlich! Genießen Sie den heutigen Tag, lassen sie sich von Ihren Angehörigen feiern, seien Sie stolz auf das, was Sie erreicht haben! Freuen Sie sich auf die nächsten Schritte, die nun auf Sie warten, freuen Sie sich auf die Türen, die Sie sich durch das Studium geöffnet haben, und bleiben Sie der Universität Innsbruck verbunden.

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Anmerkungen

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[1] Die Ansprache wurde gehalten für Absolventinnen und Absolventen der Philologisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät, der Philosophisch-Historischen Fakultät, der Fakultät für Bildungswissenschaften und der Fakultät für LehrerInnenbildung.

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