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subject_07: Details | Oft sind es die kleinen Dinge, die den Unterschied machen. Das gilt auch in der Wissenschaft. Sieben Forscherinnen und Forscher der Uni Innsbruck geben einen Einblick, welche vermeintlichen Kleinigkeiten in ihrer Disziplin entscheidend sind.

News-Redaktion der Uni Innsbruck
November 2018

Ein Molekularbiologe spricht über die kleinste lebende Einheit auf unserer Welt, die Zelle. Ein Informatiker erklärt, wie eine für das bloße Auge nicht sichtbare Einheit bestimmt, was wir im virtuellen Raum sehen. Ein Mineraloge verrät, warum Sand als eines der kleinsten erdgeschichtlichen Archive der Welt dient. Eine Archäologin erläutert, was uns Keramikbruchstücke, Steinsplitter, antike Schmuckperlen oder Reste von Textilien von einem Leben lange vor unserer Zeitrechnung verraten. In der Sprache macht der Ton die Musik, oder besser gesagt den Bedeutungsunterschied, wie eine Gesprächsforscherin vorführt. Die Geschichte zeigt, wie uns das Individuum helfen kann, die Vergangenheit besser einzuordnen. Und ein Sportwissenschaftler verrät, warum es nicht immer Glück ist, wenn im Sport Tausendstel über Sieg oder Niederlage entscheiden.

Lebensbausteine

Sie ist die kleinste lebende Einheit auf unserer Welt und der Grundbaustein aller Organismen: die Zelle. Für den Molekularbiologen Frank Edenhofer steht sie jeden Tag im Mittelpunkt seiner Arbeit – die „kleine molekulare Maschine“, wie er sie nennt, begleitet und fasziniert ihn schon seine gesamte wissenschaftliche Karriere:

Auszug aus einem ausführlichen Gespräch zum Thema Stammzellen im Rahmen des Podcasts der Uni Innsbruck „Zeit für Wissenschaft“.

Ein erwachsener Mensch besteht aus etwa 100 Billionen einzelnen Zellen. Spezialisiert hat sich Frank Edenhofer, seit 2015 Professor für Genomik am Institut für Molekularbiologe, auf die „Verwandlungskünstler“ unter diesen Zellen. „Stammzellen können praktisch jede andere Zelle des Körpers bilden – und sind damit Hoffnungsträger für eine ganze Reihe von Therapien für bislang nicht heilbare Krankheiten. Aus Stammzellen gezüchtete Zellen können mitunter fehlerhafte oder kranke Zellen ersetzen und so zur Heilung von Krankheiten beitragen“, erklärt der Zellbiologe. Mit seiner Forschung an Stammzellen hilft Frank Edenhofer, Teilbereiche der Biomedizin zu revolutionieren: Er reprogrammiert Zellen und macht etwa aus Hautzellen neuronale Stammzellen. Gemeinsam mit seinem Team hat Edenhofer beispielsweise eine Methode weiterentwickelt und patentiert, mit der aus Hautzellen, Gehirnstammzellen gezüchtet werden können.

Der Zellprogrammierer

Forschung an Stammzellen, die im Fall von embryonalen Stammzellen aus Embryonen entnommen werden, ist stark reglementiert und immer wieder Gegenstand ethischer Diskussionen. Mit der künstlichen Herstellung von Stammzellen durch Reprogrammierung umgehen die Forscherinnen und Forscher diese Probleme. „Wir entnehmen dem jeweiligen Patienten einige Millimeter Haut und programmieren diese in neurale Stammzellen um“, erklärt Frank Edenhofer. Die Vorteile liegen auf der Hand: Dadurch, dass das Gewebematerial direkt vom Patienten selbst stammt, sind Abstoßungserscheinungen ausgeschlossen, zudem können die reprogrammierten Stammzellen sogar eingefroren und später erneut verwendet werden – was etwa die Möglichkeit schafft, sich in jungem Alter Stammzellen züchten zu lassen, die man Jahrzehnte später, wenn eine neurodegenerative Erkrankung auftritt, zur Heilung verwenden kann.

„Die Stammzellforschung hat ein phantastisches Potential.“

Frank Edenhofer

Durch die Arbeit von Forscherinnen und Forschern weltweit ist es inzwischen möglich, im Labor aus jeder beliebigen Zelle jedes Menschen praktisch jeden anderen Zelltyp herzustellen; so können Forscher auch Medikament-Versuchsreihen wesentlich zuverlässiger planen und ausführen. „In der medizinischen Forschung sind Tierversuche weit verbreitet und nach wie vor unerlässlich. Diese Versuche lassen aber immer eine bestimmte Lücke, was ihre Aussagekraft betrifft – ein tierischer Organismus verhält sich anders als ein menschlicher, bestimmte zelluläre Vorgänge könnten wir nur an menschlichen Zellen zuverlässig testen“, erklärt Frank Edenhofer.

Hoffnung bei Multipler Sklerose

Jüngste Fortschritte in der Stammzellforschung haben hohe Erwartungen geweckt, dass Erkrankungen des Zentralen Nervensystems durch die Entwicklung von Stammzelltherapien geheilt bzw. gemildert werden können. Zusammen mit Wissenschaftlern von der Universität Cambridge hat Edenhofers Team kürzlich einen weiteren Meilenstein veröffentlicht, welcher die Anwendung von Stammzelltherapie in greifbare Nähe rücken lassen könnte. Ihre Forschung zeigt, dass die Transplantation reprogrammierter neuraler Stammzellen in die Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit eine anti-entzündliche Wirkung hat. Die Forscherinnen und Forscher konnten auch den molekularen Wirkmechanismus identifizieren: die Stammzellen verringern die Menge eines Immunmetaboliten, der Entzündungen verstärkt, durch einen Rezeptor, mit dem sie diesen Stoff bildlich gesprochen aufsaugen.

Revolutionäre Forschung

Im März 2018 wurde am Institut fürMolekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (IMBA) die Österreichische Gesellschaft für Stammzellforschung gegründet. Diese „Austrian Society for Stem Cell Research“ (ASSCR) hat das Ziel, die wichtigsten Akteure der nationalen Stammzellforschung zu vernetzen. Frank Edenhofer ist Gründungspräsident der neuen Gesellschaft für Stammzellforschung: Für den Forscher ein weiterer, wichtiger Schritt in Richtung revolutionärer Fortschritte für die Medizin, wie er betont: „Die Stammzellforschung hat ein phantastisches Potential – es gibt viel zu tun.“

Ein Blick in das Labor von Frank Edenhofer:

Nahaufnahme

Die Informatik bedient sich einer Einheit, die mit bloßem Auge zwar nicht sichtbar ist, trotzdem aber maßgeblich bestimmt, was wir im digitalen Raum sehen. Mit Hilfe von Pixeln lassen sich virtuelle Welten erschaffen und Ausschnitte der realen Welt in digitalen Bildern speichern und darstellen. Jede Digitalkamera zerlegt einen solchen Ausschnitt in Millionen von Pixeln – die kleinste darstellbare Einheit in einem Bild.

„Computer können nur mit Zahlen endlicher Stellenzahl rechnen. Die analoge Welt ist für einen Computer zu komplex. Er kann sie nicht verarbeiten, weshalb er sie in viele kleine Einheiten, nämlich Pixel, zerlegt.“

Rainer Böhme

Diesen Prozess kann man sich so vorstellen, als würde man ein feinmaschiges Netz über eine reale Szene legen. Dabei sind die Zwischenräume so klein, dass sie mit bloßem Auge nicht mehr sichtbar sind. In jedem einzelnen Zwischenraum werden dann Helligkeit und Farbwert gemessen. Die letztendlich sichtbaren Farben ergeben sich aus einer additiven Farbmischung, die sich aus den Grundfarben rot, grün und blau zusammensetzt. Auch Animationen wie etwa in Computerspielen oder Apps werden mit Hilfe von Pixeln erzeugt. Bis zu 50 Mal in der Sekunde verfärben sie sich, will man ein bewegtes Bild erhalten. „Es ist schon erstaunlich, wenn man bedenkt, dass diese enorme Rechenleistung auch auf jedem Smartphone stattfindet. Und das mit verhältnismäßig geringem Energieaufwand, sodass wir es den ganzen Tag verwenden können“, sagt Rainer Böhme, Professor am Institut für Informatik. Mit Pixeln wird hauptsächlich in der Computergrafik gearbeitet. Real aufgenommene, digitalisierte Szenen lassen sich mit Hilfe von Computerprogrammen auch verfremden oder verändern. Dabei wird Pixel für Pixel unter mathematisch vorgegebenen Regeln verändert, um in Summe ein Foto oder eine Grafik zu verfremden. Die Kreativwirtschaft wie etwa die Filmindustrie verwenden diese „Bildmanipulation“ in einem positiven Sinne. Gerne flüchten wir uns zu Unterhaltungszwecken in ihre Illusionen oder bedienen uns an Simulationen, die uns beispielsweise zeigen, wie ein Gebäude sich in die Landschaft einfügt.

Das Pixel als Informationsquelle

Auch in den Forschungsschwerpunkten Informationssicherheit und Datenschutz von Rainer Böhme spielt das Pixel eine Rolle. „In der Informationssicherheit verfolgen wir die Schutzziele der Authentizität und der Integrität. Wendet man diese auf Bild- oder Videomaterial an, dann geht es darum, die Echtheit zu überprüfen und Fotos oder Filme vor ungewünschten Änderungen zu schützen“, erklärt Rainer Böhme. In aktiven Verfahren werden Informationen vorab mit einer digitalen Signatur oder einer Prüfziffer versehen, womit im Nachhinein die Authentizität überprüft werden kann. Muss die Echtheit nachträglich überprüft werden, kommen passive Verfahren zum Einsatz. Mit Hilfe statistischer Verfahren werden dabei die einzelnen Pixel auf Manipulation überprüft. Auch im Datenschutz ist die Analyse von Pixeln relevant. „Die Analyse von Pixeln in einem Bild kann uns Aufschluss darüber geben, mit welcher Kamera ein Bild gemacht wurde. Diese Verfahren verwenden wir beispielsweisein der Bildforensik“, erklärt Rainer Böhme.

Bildforensik: Bearbeitungsspuren sichtbar machen

Eine Frage der Glaubwürdigkeit

„Ein konkreter Anwendungsfall für die Verfahren, die wir anwenden, um Bilder auf Manipulation zu untersuchen, ist die Berichterstattung aus Krisengebieten“, schildert Rainer Böhme. „Stellen Sie sich vor, ein Journalist sitzt beispielsweise in Berlin und bekommt ein Bild von einer Quelle aus einem Krisengebiet zugespielt. Hier ergeben sich gleich zwei Probleme: Wie kann ich überprüfen, ob das, was das Bild zeigt, auch die Realität abbildet? Und wie kann ich das Bild an Dritte weitergeben, ohne meine Quelle zu gefährden?“ Um die Sensibilität hinsichtlich Informationssicherheit und Datenschutz zu erhöhen, gibt Rainer Böhme gemeinsam mit Medienorganisationen Seminare für Journalistinnen und Journalisten. Dabei bekommen Teilnehmerinnen und Teilnehmer Werkzeuge an die Hand, mit denen sie zum einen die Authentizitätvon Informationen überprüfen können und zum anderen Spuren, die möglicherweise auf die Quelle hinweisen, unterdrücken können.

verschiedene Auflösungen eines Fotos

Das Zwei-Millimeter-Archiv

Orangefarbene Sandkörner

Er ist zwischen 0,063 und 2 Millimeter groß und darf in der perfekten Urlaubskulisse genauso wenig fehlen wie am Spielplatz oder in zahlreichen Sportstätten. Sand ist aber viel mehr: Als Produkt eines Jahrmillionen langen Kreislaufes dient er Wissenschaftlern auch als eines der kleinsten erdgeschichtlichen Archive der Welt, das doch riesengroß ist.

Per Definition ist Lockermaterial in einem Größenbereich zwischen 0,063 und 2 Millimetern Sand – alles, was kleiner ist, ist Schluff, alles darüber Kies. „Sand ist zwar kein Gestein, er stellt aber dennoch einen wichtigen Untersuchungsgegenstand für uns Mineralogen dar, denn aus Gesteinen kann Sand und aus Sand kann Gestein werden“, erklärt Professor Roland Stalder vom Institut für Mineralogie und Petrographie der Uni Innsbruck. So besteht beispielsweise Granit – eine der wichtigsten und verbreitetsten Gesteinsarten der Erdkruste zu 25 Prozent aus Quarz. Verwittert der Granit, bleibt nach einem sehr langen Zeitraum aufgrund seiner hohen chemischen Stabilität oft nur Quarz übrig. „Aufgrund der äußert hohen chemischen und mechanischen Beständigkeit von Quarz überdauert er sehr lange Verwitterungs- und Transportprozesse und ist so für uns Wissenschaftler als eine Art Archiv der Erdgeschichte verfügbar.“

Sandkörner

Sand besteht aber nicht immer nur aus Quarz, wie Roland Stalder verdeutlicht: „Jeder kennt Sand, was viele jedoch nicht wissen ist, dass es so viele verschiedene Sande gibt. Rein äußerlich lässt sich das leicht durch die verschiedenen Farben von hellgrau über rötlich bis hin zu schwarz erkennen.“ Denn da Sand aus verwittertem Gestein entsteht, hängt seine Zusammensetzung von seiner Quelle ab. Eine Tatsache, die für den Mineralogen durchaus interessant ist, können doch alte Sandsteine Aufschluss über längst abgetragene Gesteinskörper aus der früheren Erdgeschichte geben.

„Sand entsteht nicht nur aus Gestein, Sand kann auch zu Gestein werden.“

Roland Stalder

Sand entsteht aber nicht nur aus Gestein, Sand kann auch zu Gestein werden. „Durch eine kontinuierliche Ablagerung von Sand und einem damit einhergehenden Aufbau von Druck, kommt es nach und nach zu einer Verdichtung und Verfestigung von Sand zu Sandstein“, erklärt Roland Stalder.

Sandsteinfelsen in Petra, Jordanien

Im Rahmen seines Forschungsprojektes versucht er anhand von Fehlstellen im Kristallgitter einzelner Quarzkörner herauszufinden, woher Sand kommt. „Natürlich kann ein Sandkorn allein hier keinen Aufschluss geben, aber durch die Untersuchung einer größeren Menge an Sandkörnern, einer entsprechenden Methodenkombination und der genauen Studie möglicher Gesteinsquellen hoffen wir, Bewegungsströmungen nachzeichnen zu können“, so der Wissenschaftler. Wie weit dieser Blick in die Vergangenheit reicht, verdeutlicht der Mineraloge anhand eines einfachen Beispiels: „Es gibt Sandsteine, die weit mehr als 1 Milliarde Jahre alt sind. Der Sand, der hier abgelagert wurde, muss noch älter sein. Geht man noch eine Stufe zurück, also zu den Graniten, die dazu beigetragen haben, diesen Sand aufzubauen, eröffnet sich ein Fenster, das einige weitere hunderte Millionen Jahre und damit in sehr frühe Abschnitte der Erdgeschichte zurückgeht.“

Kleinste Zeitzeugen

Keramikbruchstücke, Steinsplitter, antike Schmuckperlen oder Reste von Textilien zeugen von einem Leben lange vor unserer Zeitrechnung. Richtig analysiert und interpretiert erzählen sie von der Lebenswelt der Menschen von vor tausenden von Jahren. Ulrike Töchterle vom Institut für Archäologien ist auf diese winzigen Bruchstücke angewiesen und hat gelernt, ihre Geschichten zu deuten.

Durch Rost zerfressener römischer Eisennagel in Aguntum. (Credit: U. Töchterle/P. Tropper/S. Wagner/P. Heck)

Die Restaurierungswerkstätte am Institut für Archäologien gleicht einer Fundgrube. Luftdicht abgeschlossene Artefakte warten auf ihre Restaurierung, andere werden in Entsalzungs-Bädern auf eine genauere Untersuchung vorbereitet, während an weiteren Stücken bereits gearbeitet wird. Mit den fragilen Bruchstücken menschlicher Vergangenheit fachgerecht umzugehen, weiß die erfahrene Wissenschaftlerin genau. „Direkt von der Grabung bekommen wir als erste die geborgenen Funde. Noch eingebettet in Erdklumpen wissen wir oft noch nicht, um welche Teile es sich konkret handelt. Im Labor starten wir dann unsere eigene kleine Grabung, indem wir unter dem Mikroskop die winzigen Funde freilegen“, erläutert Töchterle. Mit jedem Schritt eröffnet sich den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern eine neue Welt und sie bekommen Einblicke in längst vergangene Zeiten.

„Wir finden Hinweise auf Herstellungs- und Gebrauchsspuren, besondere Materialien, ihre Handelswege und Alltagskulturen oder lernen Neues über Traditionen und Feste.“

Ulrike Töchterle

Die Archäologin arbeitet gemeinsam mit ihrem Team daran, Artefakte aus Keramik, Metall oder Stein zu restaurieren, Mikrospuren zu analysieren oder Zusammenhänge aufzudecken. Doch auch Textilien und Lederreste sind für die Wissenschaftlerin besonders spannend, denn mithilfe moderner Methoden ist es möglich, diese bis ins Detail zu untersuchen. Die Bindungsart der Stoffe, die Spinnrichtung vom Faden oder die Dichte des Gewebes lassen auf Trachten oder andere Kleidungsarten schließen. „Ein besonderer Fund war eine Nähnadel im prähistorischen Bergbaugebiet im Tiroler Maukental aus der späten Bronzezeit. Durch die glückliche Lagerung in Schlackensandhalden befand sich im Nadelöhr sogar noch ein Fadenrest aus Brennesselfasern“, freut sich die Archäologin, denn gerade die kleinen Details und die winzigen Funde machen die Wissenschaft noch lebendiger.

Nähnadel aus Bronze mit Öhr und Fadenrest

Details eröffnen Welten

Von kleinen Dingen auf ein ganzes Leben schließen – das ist für Ulrike Töchterle alltäglicher Bestand ihrer Wissenschaft. Die winzigen Details müssen sich aber häufen, damit man wirklich größere Aussagen treffen kann.

„Früher haben Archäologinnen und Archäologen den ‚Dreck‘ auf Bodenfunden einfach weggeputzt und so wertvolle Informationen wie beispielsweise Überreste von organischen Auflagen oder Schäftungshölzern vernichtet. Heute ist das Bewusstsein für einen sorgsamen Umgang mit den Objekten aber auch mit der Suche nach Details viel größer, denn die Archäologie lebt davon.“

Ulrike Töchterle

Dass beim Brand von wertvoller Keramik etwas schiefgegangen ist weiß Töchterle, wenn sie Reste von Teer, dem sogenannten Bitumen, zwischen den Brüchen findet. Sie zeugen davon, dass der Töpfer die hochwertige Keramik flicken musste und anschließend wahrscheinlich verbilligt für den Grabgebrauch noch verkaufen konnte. „Diese Reste sind oft nicht größer als kleine schwarze Pünktchen, geben aber Aufschluss auf den ganzen Produktionszyklus der Keramik und den damaligen Warenwert“, verdeutlicht die Archäologin, die zudem feststellen kann, ob eine Keramik für die Nutzerinnen und Nutzer wertvoll war. „Wird ein Gefäß geflickt, dann war es für die Menschen wahrscheinlich von großer Bedeutung. Auch Schmuckstücke wurden im Lauf der Zeit verändert, vererbt oder der Mode angepasst. Wie dies passiert ist, können wir aus den Details der Verarbeitung oder Verzierung lesen“, so Töchterle über ihre wissenschaftliche Detektivarbeit. Die Analyse von Keramikscherben bringt für die Expertin und ihr Team aber noch viel mehr zum Vorschein. Abschlagspuren von Schöpfkellen zeugen von einer häufigen Verwendung von Gefäßen, Zusätze im Ton geben Aufschluss über die Nutzung der Keramik und Verzierungen lassen auf Kulturgruppen oder Regionen schließen. „Die Laugen-Melaun-Keramik ist beispielsweise typisch für den Raum Südtirol und Trient, Unterengadin und das Alpenrheintal. Erkennbar wird diese durch ihre Verzierungen und durch die Verwendung von Bozner Quarzporphyr. Findet man in Nordtirol ein solches Gefäß kann dies ein Hinweis auf Handel oder das Imitieren dieser besonderen Keramik sein. So setzt sich eine Moderichtung fort“, schmunzelt Töchterle, die für Analysen eng mit Expertinnen und Experten beispielsweise der Mineralogie zusammenarbeitet. Winzige Spuren werden so zu Zeitzeugen, die den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern Einblick in vergangene Lebenswelten gewähren. Finden sich noch Fingerabdrücke der ursprünglichen Töpfer auf der Keramik, ist dies für Töchterle ein besonderer Moment.

Kantharos (Tongefäße) mit Finderabdrücken in Ascoli Satriano

„Es wird mir dann der direkte Konnex durch alle Zeiten zum Hersteller der Ware bewusst und es ist beeindruckend, tausende von Jahren später, dieselbe Keramik wieder in Händen zu halten.“

Ulrike Töchterle

Mit ihrer Arbeit und ihrem Wissen tragen Töchterle und ihr Team dazu bei, Lebensgeschichten zu rekonstruieren, Historisches wieder lebendig werden zu lassen und die aussagekräftigen Funde lange für die Menschheit zu konservieren.

Durch Rost zerfressener römischer Eisennagel in Aguntum

Aber: Das ist doch (k)eine Kleinigkeit

Beatrix Schönherr

Der Ton macht die Musik. Wie so oft hat der Volksmund eine einfache Redensart für ein komplexes Phänomen: In einem Gespräch kommt es nicht nur auf das Gesagte, sondern auch auf Faktoren wie Intonation, Lautstärke oder Sprechgeschwindigkeit an. Neben dem sprichwörtlichen Ton sind noch viele andere Faktoren wie Mimik, Gestik oder die Beziehung der Gesprächspartner zueinander dafür verantwortlich, dass man sich richtig versteht.

„Früher hat man von verbaler und nonverbaler Kommunikation gesprochen, in der modernen Linguistik versteht man ein Gespräch als multimodales Geschehen“, erläutert Beatrix Schönherr. Sie ist linguistische Gesprächsforscherin amInstitut für Germanistik und beschäftigt sich seit vielen Jahren intensiv mit einem Teilbereich dieses multimodalen Geschehens: mit der Prosodie in Kombination mit Gestik und Blickverhalten. „Prosodie ist eine Sammelbezeichnung für Phänomene wie Tonhöhenverlauf, Lautstärke, Sprechgeschwindigkeit, Betonung oder Pausen“, erklärt die Wissenschaftlerin. Prosodische Informationen helfen, unser Sprechen zu gliedern und Äußerungen bis auf die Wortebene hin richtig zu verstehen, denn: „Die Äußerung selbst ist im Normalfall nie ganz eindeutig.“ Das trifft auch auf das Wörtchen „aber“ zu, das die Wissenschaftlerin seit einiger Zeit unter die Lupe nimmt. „Der Konnektor ‚aber‘ verknüpft immer zwei Teile miteinander, zusätzlich beschreibt ‚aber‘ auf semantischer Ebene einen gewissen Gegensatz zwischen beiden Teilen, der jedoch in Bedeutung und Stärke variiert“, führt Beatrix Schönherr aus.

„Die Äußerung selbst ist im Normalfall nie ganz eindeutig. “

Beatrix Schönherr

In einem aktuellen Forschungsvorhaben sucht die Sprachwissenschaftlerin in Inszenierungen klassischer Dramen nach jenen prosodischen Merkmalen, die dem semantisch eher unterspezifizierten „aber“ die Bedeutung eines starken Gegensatzes verleihen. Dabei handelt es sich zwar nicht um Gesprächsforschung im engeren Sinn, wie sie mehrfach betont. Schönherr erwartet sich jedoch, die aus spontanen Gesprächen gewonnenen Erkenntnisse in den Bühnendialogen – wenngleich in stilisierter Form – wiederzufinden. Dazu arbeitet sie mit Videoaufnahmen von Theaterinszenierungen, legt die für ihre Fragestellung relevanten Szenen fest und analysiert diese anhand von aufwändigen, nach exakten Richtlinien angefertigten Transkripten. Ergänzend zum Gesagten notiert sie die gesamte Prosodie: Welche Silben werden betont, wie sind sie betont, wie ist der Tonhöhenverlauf am Ende der Einheit, sind irgendwelche Teile gedehnt oder schnell gesprochen, sind auffällige Ein- und Ausatemgeräusche zu hören? „Kurzum ich notiere alles, was irgendwie aus dem Mund kommt“, schildert Beatrix Schönherr und fügt hinzu: „Ich arbeite dabei vorwiegend mit meinen Ohren, wozu es eine spezielle Ausbildung benötigt.“ Nachdem so eine Datengrundlage generiert wurde, beginnt die nicht minder aufwändigen Interpretation.

eim Vergleich zweier Inszenierungen von Emilia Galotti hat sich Schönherrs Erwartung in Hinblick auf das „aber“ in einigen Fällen bereits bestätigt, zum Beispiel in einer Szene im dritten Aufzug. Hier kommt es zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Kammerherrn Marinelli und der Mutter der Emilia Galotti, die Marinelli als Mörder beschimpft. Auf die Beschimpfungen reagiert Kammerherr Marinelli mit folgender Replik: „Sie schwärmen gute Frau. – Aber mäßigen Sie wenigstens Ihr wildes Geschrei, und bedenken Sie, wo Sie sind.“

Die Prosodie der Beispiel-Szene aus Thalheimers Galotti-Inszenierung.


In den beiden untersuchten Inszenierungen – eine von Thomas Langhoff (Münchner Kammerspiele, 1984) und eine von Michael Thalheimer (Deutsches Theater Berlin, 2002) wirkt der Gegensatz des „aber“ durch Unterschiede in der Intonation, der Akzentuierung und der Lautstärke einmal schwach und einmal stark.

Die Gesprächslinguistin Dr. Beatrix Schönherr leiht dem Kammerherrn Marinelli aus Lessings Emilia Galotti ihre Stimme: Sie trägt die Szene auf zwei verschiedene Arten vor und macht verständlich, wie Prosodie die Bedeutung von „aber“ beeinflusst.

In der Inszenierung von Langhoff steht „aber“ in einer intonatorischen Einheit mit der ganzen Äußerung und wird nicht besonders betont. Die Lautstärke ist normal. Das „aber“ drückt hier einen Gegensatz aus, der nicht eigens hervorgehoben wird. 
Bei der Inszenierung von Thalheimer hingegen bildet „aber“ eine intonatorische Einheit für sich allein und wird dadurch in seiner Bedeutung aufgewertet. Außerdem ist es stark akzentuiert und Marinelli sagt es laut. „Hier besteht wirklich ein großer Gegensatz. Dieses ‚aber‘ wird richtig hochgespielt in seiner Bedeutung“, fasst Schönherr zusammen. Auch wenn es sich bei Bühnendialogen nicht um echte Gespräche handelt, zeigen sie die Möglichkeiten der Prosodie. „Auf der Bühne werden im Grunde dieselben Dinge verwendet wie im Alltag, wenngleich oft übertrieben und stilisiert“, sagt Schönherr und ergänzt lächelnd: „Im Übrigen machen wir auch im Alltag sehr komplexe und kunstvolle Dinge mit Sprache.“

Die Prosodie der Beispiel-Szene aus Thalheimers Galotti-Inszenierung.

Transkript aus Langhoffs Galotti-Inszenierung

Vom Einzelnen und seiner Zeit

Historiker Michael Spahn

Wer vor 200 Jahren Informationen über das Stubaital wollte, musste mit Michael Pfurtscheller reden. Der Bauer aus Fulpmes war zu Lebzeiten in der Region bekannt: Als Gastwirt, Schützenhauptmann, Händler und Ortsvorsteher. Und als Bürger unter Bauern, wie der Historiker Michael Span seine Arbeit über Pfurtscheller genannt hat: „Michael Pfurtscheller war Vertreter einer ländlichen Elite. Er stand in Bezug auf seine wirtschaftlichen Möglichkeiten über allem, was in der Region üblich war, war weit gereist, und das alles führt dazu, dass er eine große Zahl an schriftlichen Quellen hinterlassen hat. Vor allem für jemanden aus dem Bauernstand.“ Die Einzelperson im Fokus der Geschichtswissenschaft, eine Mikrogeschichte der Zeit: An Michael Pfurtscheller montiert der Historiker die Umwälzungen der Sattelzeit, also der Zeit um 1800, die mit der französischen Revolution und den letzten Jahrzehnten absolutistischer Herrschaften in Europa den Übergang von der Neuzeit zur Moderne markiert. Der Nachlass Pfurtschellers liegt in der Historischen Sammlung der Tiroler Landesmuseen, Michael Span konnte hier auf umfassendes Material zurückgreifen. Pfurtscheller wurde 1776 geboren, er starb 1854: „In seiner Lebenszeit änderten sich maßgebliche Dinge. Kurz vor seiner Geburt war in Österreich etwa die Schulpflicht eingeführt worden. Dann haben wir die Französische Revolution, den Josephinismus, die Napoleonischen Kriege, die ganz Europa erschütterten, dann kurz bayerische Verwaltung in Tirol, 1848 folgte eine erneute Revolution. In der Wirtschaft begann die Mechanisierung, und alles das deckt Michael Pfurtscheller ab, alles das erlebte er“, erläutert Michael Span vom Institut für Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnnologie.

Verlegertätigkeit

Pfurtscheller wurde in eine Bauern-, Wirts- und Händlerfamilie geboren, sein Vater und bald der Stiefvater betrieben eine Bierausschank und eine Landwirtschaft und handelten mit Metallwaren. Michael Pfurtscheller übernahm die Geschäfte und baute vor allem den Handel aus. Er wurde zum „Verleger“ – allerdings in einem anderen Sinn, als wir ihn heute kennen: Das Stubaital, in dem Pfurtscheller lebte und wirkte, und besonders Fulpmes, war bereits zu seiner Lebenszeit für seine metallverarbeitenden Betriebe überregional bekannt. Ein Geschäftsmodell, das die Stubaier Schmiede seit dem 17. Jahrhundert praktizierten, bestand in einem Zusammenschluss zu Handelskompanien, die in mehreren europäischen Städten feste Niederlassungen hatten. „Einer der Gesellschafter bzw. ein Vertreter ist dann jeweils von Niederlassung zu Niederlassung gereist und hat dort die Metallprodukte verkauft. Pfurtscheller hob das auf eine andere Ebene: Er beschränkte das Herumreisen auf ein Minimum, begann einen Versandhandel und gab sogar Kataloge heraus. Dieses Absatzmodell ist ein Aspekt, den Zeitgenossen meinten, wenn sie Pfurtscheller einen Verleger nannten“, erläutert der Historiker. Zu Werbezwecken ließ der Fulpmer Unternehmer auch Musterkästen aus Nussholz anfertigen, mit Produkten aus dem Stubaital in Miniatur. „Für Pfurtscheller hatte diese Vorgehensweise den großen Vorteil, dass er sich die zeitliche Auswanderung sparte, außerdem die Transportkosten, weil er die dem jeweiligen Kunden verrechnen konnte.“

Zeitgenössisches Porträt von Michael Pfurtscheller.

Ende des 18. Jahrhunderts entstanden für die Metallwarenhändler wirtschaftliche Probleme – Kriege infolge der Französischen Revolution, diverse Absatzländer setzten verstärkt auf Protektionismus, ausländische Konkurrenz, etwa aus Solingen, machte den Absatz schwieriger. „Pfurtscheller war da der einzige, der den Schmieden noch ihre Waren abnahm, weil der Versandhandel immer noch einigermaßen funktioniert hat. Er konnte preislich mithalten, aus genannten Gründen. Das führte dazu, dass der Großteil der Metallwarenproduzenten in wirtschaftliche Abhängigkeit von ihm geriet – und damit sind wir bei der zweiten Bedeutung von ‚Verleger‘, nämlich im Sinn von direkten Auftragsarbeiten“, erzählt Michael Span. Dass das auch kritisch gesehen wurde, zeigt sich nicht zuletzt an der Gründung der noch heute bestehenden Stubaier Werkgenossenschaft der metallverarbeitenden Betriebe: Sie erfolgte lang nach Pfurtschellers Tod, Ende des 19. Jahrhunderts, ist aber auch als Gegenbewegung zu seiner einstmaligen Dominanz zu sehen.

Michael Span über Pfurtscheller:

Schützen und Politik

Die Verlegertätigkeit begründete Pfurtschellers wirtschaftlichen Erfolg, er vergrößerte zusehends seinen Immobilienbesitz und gewann an Ansehen. Bei den Kämpfen der Tiroler gegen Franzosen und Bayern am Bergisel war er führend als Organisator beteiligt, 1838 wurde er zum Schützenmajor ernannt. Seine Sicht auf die Kämpfe ist gut erhalten. Er diente als Auskunftsperson für Historiker Joseph Rapp und dessen Buch „Tirol im Jahre 1809“, bis heute eines der Grundlagenwerke zu den Ereignissen 1809, wobei er sich auch um eine gesamthistorische Einbettung bemühte. Auch Autoren landeskundlicher Werke erteilte er Auskünfte zum Stubaital. „Pfurtscheller ist sich seiner herausragenden Stellung auch selbst bewusst, das geht aus seinen Schriften durchaus hervor. Er sah sich als Bürger unter Bauern, wiewohl er in der ständischen Ordnung der Zeit natürlich Bauer war. Und er war weltgewandt, das zeigte sich auch etwa noch im Revolutionsjahr 1848, wo die Tiroler, auch die Fulpmer, Schützen an der Trentiner Grenze standen, natürlich angeführt von seinem Sohn. In diesem Kriegsjahr unternahm er eine Vergnügungsreise nach Venedig und Triest, mit einem seiner Söhne, weil er ihm diese ihm bereits bekannten Städte auch zeigen wollte“, sagt Michael Span. „Und aus Briefen an seinen anderen Sohn, den Schützenkommandanten, geht hervor, dass er wusste, dass andere Stubaier noch nicht so weit gereist waren: Er riet den Ausgerückten, sich die Gegend von Bozen und südlich davon gut anzusehen, die weiten Landschaften, dort beginne die weite Welt.“ Pfurtscheller sprach nachweislich auch italienisch – das unter Wirten der Region durchaus nicht unüblich – und französisch – das eher außergewöhnlich war; von 1808 bis 1819 war er zudem eher widerwillig Ortsvorsteher von Fulpmes, ein unteres Verwaltungsamt ähnlich einem heutigen Bürgermeister, aber mit deutlich weniger Kompetenzen. Er starb schließlich 1854, wie es in einer kleinen Biografie aus dem Jahr 1891 heißt, nach dem Genuss von zu vielen Krapfen im Alter von 78 Jahren. Heute erinnern unter anderem ein Michael-Pfurtscheller-Weg und eine Büste am Kirchplatz in seinem Heimatort Fulpmes an ihn, die örtliche Schützenkompanie vergibt eine Michael-Pfurtscheller-Medaille.

Mikrogeschichte

Aber warum überhaupt eine Geschichte über eine Einzelperson schreiben? Für Michael Span liegt das auf der Hand: „Mir geht es nicht um eine Biografie, ganz im Gegenteil, auch wenn einzelne Anekdoten durchaus interessant und manche sogar lustig sind. Nein, für mich ist das die Möglichkeit, anhand von Quellen in kleinste Dinge vorzudringen und so auch zu Aussagen über das Große zu kommen. Niemand ist eine Insel. Pfurtscheller hängt mit seiner Umgebung zusammen, mit seiner sozialen, geografischen, politischen. Der lebt in seiner Zeit. Nehmen wir etwa das Revolutionsjahr 1848: Da bekommt er sowohl ein Schreiben des Ortsvorstehers des Nachbarorts, dass die Schafe über die Weidegrenze gebrochen sind, als auch ist sein Sohn derjenige, der mit den Schützen in den Süden zieht. Und es geht klar aus den Quellen hervor, dass es nicht einfach war, die Schützenkompanien aufzustellen, dass die Diskussionen um eine Zulage für die Stubaier Kompanie bei einer Art Gemeindeversammlung fast zu Handgreiflichkeiten führte oder der zuständige Landrichter bemerkte, dass Eigennutz vor Patriotismus stehe und daher niemand länger als unbedingt nötig ausrücken würde. Man kriegt aus so einer Einzelbeobachtung mehr als nur Anekdoten zu einer Person und auch mehr Details als mit einer Sicht von oben auf die Dinge.“

Michael Pfurtschellers Grabstein in Fulpmes heute

Tausendstelsekunde

In vielen Sportarten spielt sie eine entscheidende Rolle, beim Rodeln, im Eisschnelllauf oder in der Formel 1 zählt jede Tausendstelsekunde. Auch im Judo kann ein Sekundenbruchteil darüber entscheiden, ob eine Athletin den Angriff ihrer Gegnerin erfolgreich parieren kann. Gleiches gilt, wenn sich beim Skicross die Starttore öffnen oder ein Skirennläufer mit über 100 Stundenkilometern zu einem Sprung ansetzt.

„Oft entscheidet ein Augenblick über Sieg oder Niederlage.“

Christian Raschner

„Das richtige Timing entscheidet darüber, ob die Fahrt fatal endet oder der Skiläufer nach dem Rennen auf dem Podest steht“, sagt Christian Raschner, der sportliche Leiter des OlympiazentrumsTirol. Hier am Campus Sport der Universität Innsbruck werden rund 70 Athletinnen und Athleten aus 20 verschiedenen Sportarten auf ihre Wettkämpfe vorbereitet. „Aus einer körperlichen Top-Leistung folgt noch nicht automatisch ein Top-Ergebnis im Wettkampf“, betont Christian Raschner. „Deshalb werden die Sportlerinnen und Sportler im Olympiazentrum sehr umfassend betreut.“ Dazu gehören neben den Trainern – alles Sportwissenschafter mit Praxiserfahrung im Wettbewerbssport – auch Physiotherapie, Ernährungsberatung, Sportmedizin, Psychologie und Laufbahnberatung. Denn um das Training effektiv zu machen, ist die richtige Ernährung genauso wichtig wie ausreichend Schlaf.

Jeder Trainer und jede Trainerin des Olympiazentrums betreut bis zu zwölf Athletinnen und Athleten, je nach Expertise im Ausdauertraining, Krafttraining oder dem Schnellkrafttraining aus den unterschiedlichen Sportarten. Dabei werden Winter- und Sommersportarten gemischt, um eine möglichst individuelle Betreuung zu ermöglichen. Im Sommer kommen die akkreditierten Wintersportler täglich auf den Campus Sport im Westen von Innsbruck und absolvieren hier am Vormittag und am Nachmittag jeweils eine zweistündige Trainingseinheit. Es geht hier nicht nur um Leistungssteigerung: „Im Leistungssport ist die Grenze zur Überbelastung von Gelenken und Muskulatur immer eine Gratwanderung“, sagt Christian Raschner. „Deshalb arbeiten unsere Trainer sehr eng mit Physiotherapeuten vor Ort zusammen und entwickeln Ausgleichsübungen oder regenerative Übungen für die Sportler.“ Auch verletzte Sportlerinnen und Sportler werden hier rasch wieder an Höchstleistungen herangeführt.

Um die eigenen Methoden laufend zu verbessern und damit im internationalen Wettbewerb mithalten zu können, wird am Olympiazentrum auch geforscht. So wurde in den vergangenen Jahren viel Energie in die Talenteforschung gesteckt. Dazu werden junge Athletinnen und Athleten auf ihrem langen Weg an die Spitze laufend wissenschaftlich begleitet. Großen Wert legt der gelernte Maschinenbauer und Sportwissenschafter Raschner auch auf die Entwicklung spezieller Test- und Trainingsgeräte. So hat er in der Vergangenheit im Auftrag des Tiroler Rodelverbands mehrere spezielle Trainingsgeräte für die Verbesserung der Startleistungen von Rodlern entwickelt.

Sabine Schoffmann

Das Olympiazentrum ist eine Kooperation von Land Tirol, Stadt Innsbruck und Universität Innsbruck und will den Traum von sportlichen Spitzenleistungen und Medaillen wahr werden lassen. Die Athletinnen und Athleten finden hier ideale Bedingungen vor, um sich auf ihre Wettkämpfe vorzubereiten, wie die Goldmedaillen von Jakob Schubert und Jessica Pilz bei der Kletter-WM im September in Innsbruck einmal mehr gezeigt haben.

Logo der Universität Innsbruck

© News-Redaktion der Universität Innsbruck 2018

Mit Beiträgen von:
Melanie Bartos, Eva Fessler, Christian Flatz, Stefan Hohenwarter, Lisa Marchl, Daniela Pümpel, Susanne Röck

Zusatzmaterial:
Molekularbiologie: Stammzellen als Haut
Bildforensik: Bearbeitungsspuren sichtbar machen

Sujectfotos/-videos:
Zelle: pixabay.com
Simulation Startsituation: Olympiazentrum Tirol

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