Befund des Monats

Dezember 2021

Von schwarzen Granaten und schlechten Geschäften – wie sich Franz Kratochvil aus Swětlá in Böhmen über zu hohe Preise beschwerte

Abb. 1

Abb. 1: Schreiben des Franz Kratochvil mit Briefkopf seiner Edelstein-Schleiferei in Swietla, Böhmen (heute Světlá, Tschechische Republik) an Josef Hofer vom 21. März 1892, mit angefügter Bestellung 1

Wie schon im Befund des Monats August angesprochen, wurden die verschiedenen Steingrößen der Granate nach „Löthigkeit“ oder auch „Nummern“ sortiert und vermarktet. So konnte gewährleistet werden, dass die Handelspartner immer wussten, welche Steingrößen beim Lieferanten verfügbar waren und welche von den Schleifern benötigt wurden. Meistens funktionierten die Geschäfte reibungslos, dennoch kam es in den Jahren 1891 und 1892 zu verschiedenartig gelagerten Problemen. Die von Böhmen aus im Zillertal bestellten Chargen waren in diesen Jahren nämlich keineswegs stabil hinsichtlich Farbe, Qualität und Sortierung. Zu den näheren Umständen geben die erhaltenen Korrespondenzbriefe zwischen dem böhmischen Edelsteinschleifer Franz Kratochvil (Swětlá 1892) und dem Zillertaler Granathändler Josef Hofer Auskunft.

In einem Brief vom 21. März 1892 bezieht sich Franz Kratochvil auf eine Lieferung vom 31. Oktober 1891 und beschwert sich darin, dass die gelieferte Ware nicht nur zu hoch bepreist ist, sondern auch „schwarze Steine“ beinhaltet, die für die Verarbeitung zu Schmucksteinen gänzlich unbrauchbar sind.

„[...] Die Granaten müssen wo möglich rund und hellroth sein, also keine schwarze Steine dürfen darin sich befinden, da ich solche nicht brauchen kann. Die Geschäfte gehen jetzt sehr schlecht, trotzdem könnte ich von Ihnen größeres Quantum abnehmen, wenn sie den Preis billiger notieren möchten. Meine hiesigen Conkurrenten beziehen die Rohgranaten vom H. (= Herrn) Kreidl welcher selbe zu f 5.36 xr pr 1 Ko (= 5 Gulden 36 Kreuzer per 1 Kilo) berechnet und konnten daher die Schnurgranaten billiger liefern als ich; Durch Ihre große Preiserhöhung war ich auch voriges Jahr gezwungen vom H. Kreidl zusammen 150 Kilo abzunehmen, um der Conkurrenz nicht zu unterliegen. Das alles würde dann abfallen wenn sie mir einen billigeren Preis notiren, sonst wäre es mir ganz unmöglich bei Ihren von Tag zu Tag höheren Preisen, Ihre Granaten bearbeiten zu lassen. Ich denke daß es auch in Ihrem Interesse ist, wenn Sie gegen früher mehr als doppelt so viel verkaufen und auch mehr dadurch verdienen, als daß durch Ihre Übertreibung der Preise unser gegenseitiges Geschäft zu Grunde geht [...]“. 1

Abb. 2

Abb. 2: Schreiben von Franz Kratochvil an Josef Hofer vom 26. Juli 1892 2

Da Kratochvil aber nach wie vor am Ankauf von Rohgranaten interessiert war, fügte er dem Schreiben, in der Hoffnung auf eine bessere Qualität und Bepreisung, eine weitere Bestellung im Umfang von 25 Kilogramm Granate an und zwar in den Größen „[...] Nro 1. 10 Kilo, Nro 1 ½. 10 Kilo, Nro 3. 5 Kilo [...]“ mit dem Zusatz: „[...] Die Granaten jeder Nummer müßen von gleicher Größe sein [...] “. 1

Die Geschäfte der Handelspartner waren gekennzeichnet von Transparenz, größter Genauigkeit und offener Diskussion. So schreibt Kratochvil am 26. Juli 1892 an Josef Hofer: „[...] Vor 10 Tagen sandte ich nach Italien die erste Parthie tiroler Schnurgranaten aus Ihrem Rohmaterial, heute erhielt ich die Nachricht daß mir die Sendung zur Disposition gestellt wird und nicht angenommen werden kann, da ¼ Theil der Steine schwarz ist. Wie sie sehen wird mir ein großer Schaden dadurch entstehen daß sie mir nicht reine Granaten, wie ich sie ausdrücklich bestellt habe, lieferten. [...] Ihr Concurrent H. Kreidl liefert bloß reine hellrothe Granaten die er zu f 5.36 xr pr 1 Ko (= 5 Gulden 36 Kreuzer per 1 Kilo) berechnet und die nach seiner neuen Abrundungsmethode schön rund sind. Sie berechnen mir die Granaten netto zu f 6.30 xr, da sie jedoch ¼ Theil schwarzer Granaten hineingemischt haben, so würde 1 Ko eigentlich f 7.87 xr kosten und mir auf diese Weise ganz unmöglich wäre die Granaten von Ihnen zu beziehen. Ihrer sofortigen gef. (= gefälligen) Nachricht darüber entgegensehend zeichne ich hochachtend Franz Kratochvil [...]“. 2

Aus diesem Schreiben gehen einerseits die gegenseitige Aushandlung der Warenqualität und andererseits die Tatsache hervor, dass die böhmischen Granatschleifer in Světlá sehr genau wussten, zu welchen Tarifen die Konkurrenz ihre Ware bezog. Insofern ist es ein geschickter Schachzug von Kratochvil, das bessere Angebot des Zillertaler Mitbewerbers Georg Kreidl ins Spiel zu bringen.

Ein anderer Aspekt ist der Preisdruck durch Konkurrenten in den Absatzgebieten für die geschliffenen Granate, unter anderem in Italien, was Kratochvil dazu veranlasste, auch beim zweiten Zillertaler Anbieter Georg Kreidl Granate zu bestellen. Dies teilte der findige Geschäftsmann auch Josef Hofer so mit: „[...] In Italien ist der Preis der tiroler Schnurgranaten durch die Concurrenz so herabgesetzt, daß man bei Ankauf der Rohgranaten mit jedem Kreuzer rechnen muß, weshalb ich auch gezwungen war mich wieder an H. G. (= Herrn Georg) Kreidl zu wenden [...]“. 3

 

Abb. 3

Abb. 3: Auszug aus einem Brief des Franz Kratochvil an Josef Hofer vom 16. November 18923

Die in zahllosen Briefen überlieferte Korrespondenz zu den Granatgeschäften stellt eine reichhaltige Fundgrube dar, um die Verflechtungen des Zillertaler Granatabbaus mit der böhmischen Edelsteinschleiferei zu rekonstruieren. Damit ergibt sich auch ein neuer Blick auf den Handel mit alpinen Rohmaterialien und deren Veredelung innerhalb der Habsburgermonarchie als Hintergrund für die Wirtschaftsgeschichte des Zillertaler Granathandels. Eine sichere und langfristige Archivierung dieser wirtschaftshistorisch bedeutenden Dokumente ist deshalb ein erster Schritt des historischen Teils des Forschungsprojektes.

 

Roland Köchl, Bianca Zerobin, Josef Hofer, Gunda Barth-Scalmani, Gertraud Zeindl & Gert Goldenberg

Fortsetzung folgt!


Quellen:

Privatsammlung handschriftlicher Dokumente, Josef Hofer, Zell am Ziller: Quellenkonvolut „Kiste, Briefe aus den Jahrgängen 1891/92“

11892-145: Brief des Franz Kratochvil an Josef Hofer vom 21.03.1892

21892-149/150: Brief des Franz Kratochvil an Josef Hofer vom 26.07.1892

31892-142: Brief des Franz Kratochvil an Josef Hofer vom 16.11.1892

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