Nadine Isser

Ich werde einer sein, der sich sein Leben lang an die Außen­seite von Wör­tern klam­mert. (Vir­gi­nia Woolf: Die Wel­len)

Nadine Isser

Vergleichende Literaturwissenschaft zu studieren, heißt Texte unter die Lupe zu nehmen. Den Blick nach unten in den Kaninchenbau zu richten, um den doppelten Boden zu erkennen, und den Blick nach oben gegen Babelturm zu richten, um den Kontext zu erfassen. Ebenen und Schichten erkunden sowie nicht nur durch eine Perspektive sehen, sondern Perspektiven erkennen. Ein in Zeichen gesetztes Phänomen in seiner Mehrdimensionalität zu analysieren, zwischen den Ebenen zu wechseln und Schicht für Schicht zu betrachten, hilft nicht nur beim Reden über Literatur*. Drei Wände sind interessant, für mich am spannendsten ist die vierte. Doch man lernt nicht nur, sich durch Zeichensysteme zu navigieren wie die Nautilus durch den Ozean. Man lernt auch, was die Welt im Innersten zusammenhält. Nebenbei tut es der Seele gut, sich mit Literatur zu beschäftigen, vor allem wenn man nicht weiß, wie man sie halten soll. Wie Eis essen nach der Mandel-OP: nützlich und deliziös. Literatur* ist bestimmt nicht die einzige Kontingenzbewältigungsstrategie (ein sehr deutsches Wort für „Wie man alles aushalten soll“), aber sie ist eine der schönsten. Sie* fördert die Ambiguitätstoleranz (Mehrdeutigkeits-Toleranz), schärft den Blick und bildet das Herz. Überhaupt ist Vergleichende Literaturwissenschaft mehr Bildung als Ausbildung. Was man lernt, kann man überall gebrauchen – so auch im Journalismus. Denn die Bretter, die die Welt bedeuten, sind überall. Sie sind im Theater ebenso wie im Landtag oder auf der Seite Eins. Und wenn das Theater gar zu erdrückend wird, schadet es auch nicht zu wissen, wo man Trost findet.

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