Univ.-Prof. Dr. Ursula Mathis-Moser

 

Persönliche Vorstellung
Als „Romanistin aus Passion“ sehe ich meine Tätigkeit als Forscherin und Universitätslehrerin unter dem Vorzeichen der Stendhalschen happy few, jener ‚Glücklichen‘, die sich mit literarischen Texten beschäftigen dürfen – mit ihrer Vielschichtigkeit, ihren stilistischen Finessen, Sub- und Kontexten, Denk- und Handlungsanstößen. Noch heute betrachte ich mich als privilegiert, diesen Beruf ausüben zu können, auch wenn die Position als Frau und meine Faszination für das Neue und Nicht-Konventionelle die Universitätskarriere sicherlich nicht erleichtert haben. Beispiele für den Blick hinter die Kulissen des Mainstreams sind die Entdeckung der Frankophonie, die Passion für nicht kanonisierte und interdisziplinäre Gattungen, die Beschäftigung mit der Vielfalt ‚weiblichen‘ Schreibens und vor allem die Auseinandersetzung mit Migrationsliteratur und Transkulturalität, die unweigerlich mit der Hinterfragung der ‚großen Erzählungen‘ und Herrschaftsdiskurse einhergeht. Eine wunderbare Lebensaufgabe, auf die ich mit Dank zurückblicke.

 

Beruflicher Werdegang

2016

Gastprofessorin an der Universidad de la Habana


2015

Universitätsprofessorin i.R.


2009/10

Gastprofessorin an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf


2008

Gastprofessorin an der University of Alberta


2002

Universitätsprofessorin (Lehrstuhl für französische und spanische Literaturwissenschaft), LFU


2002

Gastprofessorin an der Université de Montréal


1991

tit. ao. Universitätsprofessorin, LFU


1990/91

Gastprofessorin am Institut für Romanistik der Universität Salzburg


1990

Gastprofessorin am Institut für Romanistik der Universität Erlangen-Nürnberg


1989/90

Gastprofessorin am Institut für Romanistik der Universität Erlangen-Nürnberg


1983

Habilitation, LFU


1976

Dr. phil. sub auspiciis Praesidentis rei publicae (Romanische Sprachen und Literaturen), LFU


1973-91

Universitätsassistentin, LFU


1973

Mag. phil. (Französisch-Englisch, Lehramt), LFU


1968

Inskription des Studiums der Anglistik und Romanistik an der Universität Innsbruck (LFU)

 

Forschungsschwerpunkte
Französische Literatur und frankophone Literaturen (19. und 20. Jahrhundert)

Québecer Literatur (Roman, Lyrik, Chanson, Weibliches Schreiben, MigrationsautorInnen, Quebec Studies)

Transkulturalität und Migrationsliteraturen (Frankreich, Québec, Karibik)

Postkoloniale Theorien, Care Studies, Krisenliteratur

Intermedialität, Text and Music Studies (Chanson)

Ausgehend von den Klassikern der französischen und spanischen Literatur gilt mein Forschungsinteresse den Öffnungsprozessen, die die romanischen Literaturen und die romanistische Literaturwissenschaft der letzten 40 Jahre geprägt haben. Neben der Öffnung der europäischen Nationalliteraturen zur ‚neuen‘ Romania (Québec, Karibik, Maghreb, Schwarzafrika) und der Hinterfragung ihres komplexen Verhältnisses zum Mutterland thematisieren meine Arbeiten die Erweiterung des Kultur- und Literaturbegriffs (Mainstream vs Rand- und Widerständigkeit, Infragestellung kanonisierter Gattungen, intermediale Prozesse) und die produktive Auseinandersetzung mit postmodernen und -kolonialen Begrifflichkeiten (Alterität, Subalternität, Third Space, Hybridität) sowie kulturwissenschaftlichen Paradigmata (Raum, Gedächtnis, Gender). Als besonders erkenntnisfördernd erweist sich die Neuperspektivierung des wissenschaftlichen Diskurses durch nicht europäische Konzepte wie littérature migrante oder Transkulturalität, die einen neuen Blick auch auf die europäische Romania erlauben (cf. Passages et ancrages en France).

 

Fünf ausgewählte Publikationen
'Französische' Literatur aus der Feder von 'Fremden'. Zur Konstruiertheit der Grenzen von Nationalliteraturen. In: Burtscher-Bechter, Beate – Haider, Peter Mertz-Baumgartner, Birgit – Rollinger, Robert (Hg.): Grenzen und Entgrenzungen. Historische und kulturwissenschaftliche Überlegungen am Beispiel des Mittelmeerraumes. Würzburg, Königshausen & Neumann, 2006. 97-121.

Passages et ancrages en France. Dictionnaire des écrivains migrants de langue française (1981-2011) (gemeinsam mit Birgit Mertz-Baumgartner). Paris, Champion, 2012. 965 Seiten.
- Mention spéciale. Prix de l’Europe 2012 de l’ADELF
- Forschungspreis der Stiftung Südtiroler Sparkasse 2013

Littérature migrante ou littérature de la migrance? À propos d’une terminologie controversée (gemeinsam mit Birgit Mertz-Baumgartner). In: Diogène. Revue internationale des sciences humaines 246-247,2-3 (2014), 46-61.

Pour une „cantologie germanophone“. Bilan et nouvelles perspectives. In: Hörner, Fernand – Mathis-Moser, Ursula (Hg.): Das französische Chanson im Licht medialer (R)evolutionen. La chanson française à la lumière des (r)évolutions médiatiques. Würzburg, Königshausen & Neumann, 2015. 23-47. 

Das (französische) Chanson: Eine Mischgattung par excellence. In: Gess, Nicola – Honold, Alexander (Hg.): Handbuch Literatur & Musik. Berlin/Boston, De Gruyter, 2017, 546-565.

 

 

 

Lehrtätigkeit
Meine Lehrtätigkeit in Innsbruck, aber auch als Gastprofessorin an den Universitäten Salzburg, Erlangen-Nürnberg, Düsseldorf, Montreal, Alberta und Havanna habe ich stets als große Herausforderung und zugleich als Bereicherung empfunden, da sie es mir erlaubte, nicht nur zu lehren, sondern selbst im Lehren zu lernen. Aufgrund der beengten personellen Situation der romanistischen Literaturwissenschaft galt es prinzipiell sämtliche Lehrformate (VO, PS, SE, VÜ, Ü) und Inhalte des Studienplans abzudecken. Zugleich war mir jedoch die forschungsgeleitete Lehre ein besonderes Anliegen, in der Hoffnung, dass der Funken der Neugier überspringt. Unabhängig von Format und Inhalt ging es darum, die Studierenden zu aktiver Beteiligung zu motivieren, und nicht zuletzt deshalb habe ich immer wieder mit neuen Formen des Lehrens experimentiert (Projekt-SE, interdisziplinäre LV, Ring-VO, Formate des Writers in Residence). Auch im Bereich des „lebenslangen Lernens“ (Lehrerfortbildung, Hochschulkurse Deutsch, Sprachenmeile Innsbruck) habe ich mich intensiv engagiert.

 

Thematische Schwerpunkte in der Lehre 

Gesamtromanisch
Einführung in die Methoden der modernen Literaturwissenschaft

Master- und DissertantInnenkonversatorium Literaturwissenschaft

Literaturgeschichte und Lektüre

Literatur und die anderen Künste; Gesungene Poesie in den romanischen Literaturen; Zu den Wechselbeziehungen von Text und Musik; Chanson – Canzone – Canción; "Carmen" – Novelle, Oper, Film

Medienanalyse

Französisch: Epochen, Gattungen, Perspektiven
Die französische Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts (u.a. Fokus auf Résistance und Kollaboration, 40er- und 50er Jahre, Stadtdarstellungen, Metroliteratur, Realismuskonzepte etc.)

Der französische Roman vom 19. bis 21. Jahrhundert

Das französische Theater von den Anfängen bis zur Gegenwart (Drama und Dramentheorie)

Die französische Lyrik des 19. und 20. Jahrhunderts

Die französische Literatur des 20. Jahrhunderts im Zeichen der Migration (u.a. littérature-monde)

Die Literatur des Existentialismus

Große Autorinnen der französischen Literatur, Mutter- und Kindheitsdarstellungen

Geschichte und Methodologie des französischen und frankophonen Chansons

Die frankophonen Literaturen
Frankophonie und frankophone Literaturen in Québec, der Karibik (Haiti), im Maghreb und in Schwarzafrika

Postkoloniale Theorien (am Beispiel des Romans)

Mutterfiguren, Kindheit, Exilerfahrung

Spanisch:Epochen, Gattungen, Perspektiven
Geschichte der spanischen Literatur

Die spanische Literatur des 20. Jahrhunderts (u.a. Fokus auf der Franco-Ära)

Der spanische Roman des 19. und 20. Jahrhunderts

Das spanische Theater von den Anfängen bis zur Gegenwart (Drama und Dramentheorie)

Große Autorinnen der spanischen Literatur

Die kubanische Literatur

 

Aktuelle Funktionen
Mitherausgeberin der institutseigenen kulturwissenschaftlichen Fachzeitschrift ATeM Archiv für Textmusikforschung(elektronische Zeitschrift mit Peer Review)

Leiterin des Zentrums für Kanadastudien der Universität Innsbruck seit 1997

Kubabeauftragte der Universität Innsbruck

Was ich noch über mich sagen möchte
Was ich noch über mich sagen möchte, nach 50 Jahren an der Universität? Ich würde gerne den alten  Kaiser Franz Josef zitieren, dem man den folgenden Satz zuschreibt: „Es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut!“
Meinen NachfolgerInnen, KollegInnen, ehemaligen MitarbeiterInnen und Studierenden wünsche ich, dass auch sie sich einst – mit Blick auf unser schönes Fach Romanistik – in diesen Worten wiederfinden. Eine „Romanistin aus Passion“ zu sein, wäre dann ganz sicher kein Alleinstellungsmerkmal mehr…

 

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