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Poesie von Klage und Fluch: Die Klagelieder im Vergleich mit Deuteronomium 28

Wie in einem zerbrochenen Spiegel gibt das Buch der Klagelieder erschreckende Erinnerungen an die katastrophalen Ereignisse um 587 v. Chr. wieder, die eine traumatische Prägung im kollektiven Gedächtnis des Volkes Israel hinterlassen haben. Die Belagerung der Stadt und die dadurch verursachte extreme Hungersnot, die Zerstörung Jerusalems sowie die Deportierung der Bevölkerung nach Babylonien sind Themen, die ihren Ausdruck in der poetischen Sprache der Klagelieder finden und das Buch wie ein roter Faden durchziehen. Die genannten verheerenden Geschehnisse werden in Form von Flüchen im Hinblick auf den möglichen Ungehorsam des Volkes Israel gegenüber JHWH in Deuteronomium 28 prophetisch vorausgesagt.

Ein zerbrochener Spiegel, der auf einem Bürgersteig sitzt

Savannahlynneb, Ein zerbrochener Spiegel, 2023

Forschungsfragen

Im Anbetracht der inhaltlichen Ähnlichkeiten zwischen dem Buch der Klagelieder und Deuteronomium 28 stellt sich die Frage nach dem Verhältnis der beiden Texte zueinander. Welche Rolle spielt die Katastrophe um 587 v. Chr. und das kollektiv erinnerte Trauma des Volkes Israel? Wie entfaltet sich das kulturelle Trauma des Volkes Israel in Deuteronomium 28 und im Buch Klagelieder? Welche literarischen, linguistischen und stilistischen Mittel werden dafür verwendet?

Forschungsanliegen und -methoden

Der Fokus meiner Forschung wird sich insbesondere auf das literarische Verhältnis des Buches Klagelieder zu Deuteronomium 28 richten. Eine besondere Aufmerksamkeit wird der literarischen Verarbeitung der historischen Ereignisse um 587 v. Chr. in beiden Texten verliehen. Hier werden Stil- und Sprachmittel ins Auge gefasst, anhand derer die geschichtlichen Geschehnisse der Eroberung Jerusalems im Buch der Klagelieder und in Deuteronomium 28 ihren literarischen Ausdruck finden. Mithilfe der Gattungsanalyse werden die literarische Gestalt und Form der beiden Texte untersucht. Dabei werden die Besonderheiten der altorientalischen Fluch- und Klagegattungen sowie ihre Funktionalität im damaligen soziokulturellen Kontext berücksichtigt. Durch die Anwendung der Methoden der intertextuellen Analyse werden die untersuchten Texte auch mit anderen biblischen und außerbiblischen Quellen gleicher Gattungen in Verbindung gebracht.

Lachish_Relief,_British_Museum

 Mike Peel, Lachish Relief (British Museum), 2010

Das Buch der Klagelieder ist Frucht einer durch den babylonischen Eroberungskrieg gegen Jerusalem und durch die babylonische Gefangenschaft der Jerusalemer Bevölkerung ausgelösten existentiellen Krise des Volkes Israel. Die durch die Massengewalt der babylonischen Hegemonialmacht verursachten traumatischen Leidenserlebnisse des Volkes Israel klingen auch in Deuteronomium 28 wider. Aus der Perspektive der Traumatheorie wird die Darstellung der Ereignisse um 587 v. Chr. im Buch Klagelieder und in Deuteronomium 28 in den Fokus genommen. Die Einbeziehung der Methoden der Traumaforschung soll zu einem tieferen Verständnis der Entstehung des kulturellen Traumas in der kollektiven Erinnerung des Volkes Israel und seiner literarischen Entfaltung in Klagelieder und Deuteronomium 28 beitragen.

Literatur

Berges, Ulrich, Klagelieder (HThKAT), Freiburg 2002.

Frevel, Christian, Die Klagelieder (NSKAT 20/1), Stuttgart 2017.

Grohmann, Marianne, Klagelieder, Zürich 2022.

Otto, Eckart, Deuteronomium 12-34: Teilbd. 2: 23,16-34,12 (HThKAT), Freiburg 2017.

Quick, Laura, Deuteronomy 28 and the Aramaic Curse Tradition. Scribal Culture and the Composition of Deuteronomy 28: Intertextuality, Influence and the Aramaic Curse Tradition, Oxford 2018.


Betreuer

Univ.-Prof. Dr. Dominik Markl SJ

Institut für Bibelwissenschaften und Historische Theologie

Doktorand

Mag. theol. Maksym Verbytskyi

Maksym.Verbytskyi(at)uibk.ac.at

Maksym Verbytskyi

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