Scanderbegus Latinus: Skanderbeg in der neulateinischen Literatur

Über das Projekt

Georg Kastriota (1405–1468), genannt Skanderbeg, gehört zu den bedeutendsten Gestalten der Türkenkriege des 15. Jahrhunderts. Papst Calixt III. (reg. 1455–1458) verlieh ihm den Titel eines athleta Christi („Streiter Christi“), sein Helm mit der markanten, aus Ziegenhörnern bestehenden Zier krönt den schwarzen doppelköpfigen Adler im Wappen der modernen Republik Albanien und die Sage, wonach Sultan Mehmed II. (reg. 1444–1446), als er die Nachricht vom Sterben des Mannes erhalten hat, der ihm und seinem Vater Sultan Murad II. (reg. 1421–1444 und 1446–1451) ein ganzes Vierteljahrhundert Widerstand geleistet hatte, ausgerufen haben soll „Endlich gehört mir Europa und Asien! Wehe der Christenheit! Sie hat ihr Schwert und ihren Schild verloren“ zeugt von der Bedeutung, die diesem Kriegerfürsten aus den rauen albanischen Bergen beigemessen wurde.

In seinem Landsmann, dem aus Skutari in Nordalbanien stammenden Humanisten Marinus Barletius (ca. 1450 – nach 1510) fand er früh einen meisterhaften Biographen. Die Geschichte von Skanderbegs Leben, in der von Siegen gegen einen übermächtigen Feind ebenso zu lesen ist wie von Unglück und Verrat aus den Reihen derer, die im ihm an nächsten standen, wurde in den verschiedensten literarischen Gattungen behandelt. Mehr als 300 Jahre lang hatte der Arnautenfürst einen festen Platz in den Reihen der Heroengestalten in der frühneuzeitlichen Literatur, von De-viris-illustribus-Sammlungen, über die Epik und den Roman bis zur Theater- und Opernbühne. In Albanien selbst war die Erinnerung an Skanderbeg jedoch nach der osmanischen Eroberung aber lange Zeit weitgehend verblasst. Erst im Zusammenhang mit der nationalen Unabhängigkeitsbewegung, der sogenannten „Rilindja“ („Wiedergeburt“), wurde er Ende des 19. Jahrhunderts „wiederentdeckt“. Seitdem hat der Kastriote jedoch unangefochten die Stellung der Symbolfigur des albanischen Nationalbewusstseins inne. Alle Regierungen, Herrscher und Regime, die Albanien im 20. Jahrhundert regierten – zunächst Präsident, später König Achmed Zogu (1925–1939), die italienischen Faschisten (1939–1943) und die deutschen Besatzer (1943–1944), das kommunistische Regime unter dem Diktator Enver Hoxha (1944–1992) und die postkommunistische Republik – machten ihn zum Nationalhelden Albaniens und instrumentalisierten ihn ideologisch als Legitimationsquelle für ihre eigene Sache.

Das heute gängige und vorherrschende Bild von Skanderbeg, das maßgeblich von albanischen Literaten und Historikern in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts geprägt wurde, hat mit dem, welches sich in der frühneuzeitlichen Literatur findet, indes nur wenig gemein. Die Texte der Frühen Neuzeit zeigen in erster Linie nicht einen areligiösen Volkshelden, der für die Freiheit sein Vaterland kämpft, sondern einen Heros, der in der erteidigung seiner Heimat gegen die muslimischen Eroberer zugleich auch für das Christentum und ganz Europa ficht.  Trotz der Bedeutung, die der lateinischen Literatur an der Popularisierung Skanderbegs in ganz Europa zukam, wurde diese bisher kaum erforscht. Im Rahmen von Scanderbegus Latinus soll in einem Repositorium eine repräsentative Auswahl von neulateinischen Texten zusammengetragen werden, die daraufhin analysiert werden, wie verschiedene Autoren zu unterschiedlicher Zeit und unter unterschiedlichen Rahmenbedingungen die Bedeutung von Skanderbegs Kampf gegen die Osmanen interpretierten und diesen für ihre (religiösen oder politischen) Anliegen nutzbar machten. So soll das Projekt nicht nur helfen, das Skanderbeg-Bild im Rahmen der neueren Forschungen zu frühneuzeitlichen Heldengestalten schärfer zu fassen, sondern will auch einen möglichen Blickwinkel auf eine differenzierte Beschäftigung mit dem modernen Skanderbeg-Mythos auftun.

Team

Dr. Stefan Zathammer (PI)

Riccardo Stigliano MA

Kennzahlen

Fördergeber: FWF Österreichischer Wissenschaftsfond (Grant-DOI: 10.55776/PAT7600023)

Projekt-Partner: Prof. Dr. Gentiana Kera (Universität Tirana)

Laufzeit: April 2024 bis März 2027

Fördersumme: € 373.688

 

 

Nach oben scrollen