Eine Person trägt vor.

Der Innsbrucker Rechtshistoriker Martin P. Schennach im Plenarsaal des Landhauses in Innsbruck.

Ver­fas­sungs­dis­kurs zwi­schen Län­dern und Staats­re­gie­rung

Eine besondere Sitzung des Rechtsausschusses fand am Dienstag im Landtagssitzungssaal in Innsbruck statt: Rechtshistoriker Martin P. Schennach und sein Wiener Fachkollege Thomas Olechowski referierten zur Entstehung der Österreichischen Bundesverfassung. „Kelsen & Falser: eine Zeitreise in die österreichische Verfassungsgeschichte“ lautete der Titel der Veranstaltung.

Thomas Olechowski, Professor für Österreichische und Europäische Rechtsgeschichte an der Uni Wien, zeichnete zu Beginn der Veranstaltung den Weg von der Habsburgermonarchie zur Ersten Republik nach und machte dabei deutlich, welche Bedeutung die Bundesverfassung dabei spielte. Von Staatskanzler Karl Renner mit der Ausgestaltung des neuen zentralen Rechtsdokuments für die Republik beauftragt, legte Hans Kelsen insgesamt sechs Entwürfe vor. Die Vorgaben hierfür kamen von der Politik, Kelsen oblag es als „Architekt“, diese in juristische Normtexte zu gießen und damit ein stabiles Verfassungswerk zu schaffen. Insbesondere über die Frage, wie stark die Elemente des Föderalismus in der Ersten Republik ausgeprägt sein sollten, hatte sich ein Diskurs zwischen den politischen Lagern entwickelt, über die Konsens gefunden werden musste. Am 18. September 1920 wurde schließlich ein Kompromiss gefasst und das Bundes-Verfassungsgesetz von der Konstituierende Nationalversammlung verabschiedet.

Mit einer etwas weniger bekannten, jedoch nicht minder interessanten Persönlichkeit beschäftigte sich der Vortrag von Martin P. Schennach, Professor für Rechtsgeschichte an der Uni Innsbruck: dem aus Tirol stammenden Juristen Stephan Falser. Aus dessen Feder stammte der 1919 verfasste „Entwurf Falser“, der vor allem als Verhandlungsbasis der Länder mit der Regierung in Wien bei der Diskussion um die föderale Ausgestaltung des entstehenden Bundesstaates diente. So sah dieser auch eine Zustimmung der Landtage zur neu zu verabschiedenden Bundesverfassung vor. Schließlich konnte sich jedoch die Staatsregierung durchsetzen, Kelsens Entwurf wurde angenommen. In der Bundesverfassung fand jedoch auch ein grundlegender Passus von Stephan Falsers Konzept Einzug: Den Ländern wurde das gleichberechtigte Recht eingeräumt, Bundesgesetze vor dem Verfassungsgericht anzufechten.

„Vor wenigen Tagen jährte sich der Todestag von Hans Kelsen, den man weitläufig als ‚Vater der Bundesverfassung‘ kennt, zum 50. Mal. Ein Anlass, sich eingehender mit der Entstehung des zentralen Regelwerks unserer Republik auseinanderzusetzen. Es freut mich, dass wir hierfür zwei ausgewiesene Experten gewinnen konnten, die nicht nur eine hervorragende Zusammenfassung der teils vielschichtigen Entstehungsgeschichte lieferten, sondern auch für eine anschließende Diskussion zur Verfügung standen“, sagte Jakob Wolf, Ausschussvorsitzender und Gastgeber der Veranstaltung.

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