Gruppenfoto von sechs Personen auf einer Bühne.

Die ganztägige Konferenz fand Ende September statt. Von links nach rechts: Peter Hilpold, Gisela Ernst, Michael Mian, Felix Grzelka, Andreas Polze, Kordian Gontarska.

Tele­me­di­zin-Exper­t:in­nen tag­ten in Bozen

Am 28. September 2023 fand an der „Claudiana“ in Bozen eine ganztägige Konferenz zum Thema „Telemedizin“ statt, die vom Südtiroler Sanitätsbetrieb, der Universität Innsbruck und der Universität Pavia organisiert worden ist. Dabei wurde diese innovative Thematik von Experten aus Italien, Österreich und Deutschland aus vielen Perspektiven in rechtlicher und medizinisch-praktischer Sicht ausgeleuchtet.

Die Eröffnung nahm der Generaldirektor des Südtiroler Sanitätsbetriebs, Dr. Florian Zerzer, vor. Er unterstrich die Zukunftsrelevanz dieser Materie und die Absicht des Südtiroler Sanitätsbetriebs, im Besonderen über den Dienst für Innovation, Forschung und Lehre, sich dieser Herausforderung zu stellen. Dr. Zerzer betonte die Eckpunkte dieser Herausforderung: Chancen und Gefahren. Die enormen Ansprüche, die auf das Gesundheitswesen international und regional gerade in den nächsten Jahren und Jahrzehnten zukommen, können nur durch innovative Lösungen und durch hochqualifiziertes Personal in einem attraktiven Berufsumfeld gelöst werden. Die „Telemedizin“ kann dazu einen wesentlichen Beitrag leisten. Die Gefahren, die, auch aus der Anwendung künstlicher Intelligenz, insbesondere im Bereich des Datenschutzes, resultieren können, dürfen ebenfalls nicht übersehen werden, doch werde auch in Bozen, im nationalen und internationalen Verbund, intensiv daran gearbeitet, diese Probleme zu lösen.

Prof. Mian vom Südtiroler Sanitätsbetrieb erläuterte im Detail die Beiträge, die der relativ junge „Dienst für Innovation, Forschung und Lehre“ im Südtiroler Sanitätsbetrieb in diesem Kontext leisten kann und leistet. Dr. Robert Silverio vom Bozner Sanitätsbetrieb bot ein Impulsreferat über die praktische Anwendung der Telemedizin im Sanitätsbetrieb mit einer beeindruckenden Power-Point-Präsentation.

Prof. Hilpold von der Universität Innsbruck hob hervor, dass das Potential der Telemedizin im kleinteiligen Europa nur durch grenzüberschreitende, EU-rechtlich harmonisierte Lösungen wirksam genutzt werden könne. Die EU sei hier auf vielen Feldern aktiv, bspw. beim Versuch, einen „Europäischen Raum für Gesundheitsdaten“ aufzubauen oder durch die Ausarbeitung einer KI-Strategie, durch welche das Potential der Künstlichen Intelligenz bestens genutzt und gleichzeitig die damit verbundenen Gefahren eingehegt werden können. Die nationalen Widerstände seien in diesem Bereich aber noch sehr ausgeprägt, auch weil völlig unterschiedliche Rechtskulturen aufeinandertreffen.

Den italienischen Zugang zur Thematik der „Telemedizin“ erläuterte im Detail Prof. Cristina Campiglio von der Universität Pavia, wobei sie im Besonderen die vielen dogmatischen Fragen, die aus international-privatrechtlicher Sicht in diesem Zusammenhang zu klären sind, eingegangen ist. Prof. Campiglio hob zudem die Schwerpunktsetzung der Universität Pavia in diesem Bereich hervor. An der Universität Pavia wurde – einzigartig in Italien – ein Exzellenzzentrum zu „Recht und Gesundheit“ („Diritto e Sanità“) aufgebaut, das sich auch mit Fragen der Telemedizin beschäftigen wird. Zudem wird eine vom Gesundheitsministerium finanzierte Beobachtungsstelle für die Verwaltung von Gesundheitsdaten errichtet.

Prof. Giulia Avanzini, Professorin für Verwaltungsrecht an der Universität Pavia, erläuterte im Besonderen die Herausforderungen, die mit der elektronischen Gesundheitsakte in datenschutzrechtlicher Hinsicht verbunden sind. Die Datenschutzbeauftragte des Sanitätsbetriebs, Dr. Filomena Polito, ergänzte diese Ausführungen aus der Perspektive der praktischen Anwendung des Datenschutzes im Südtiroler Sanitätsbetrieb.

Prof. Nicola Rizzo, Professor für Privatrecht an der Universität Pavia, ging im Detail auf die – für die anwesenden Ärzte besonders spannenden – haftungsrechtlichen Fragen bei der Anwendung der Telemedizin ein. Er zeigte auf, dass die Arzthaftung EU-weit unterschiedliche Ansätze kennt und dass gerade in Hinblick auf eine grenzüberschreitende Erbringung von telemedizinischen Leistungen eine Harmonisierung dieser Ansätze erforderlich sei.

Die österreichischen Regelungen zur Telemedizin wurden von Dr. Gisela Ernst von der Wirtschaftsuniversität Wien vorgetragen. Dabei wurden die vielen Parallelen, aber auch die Unterschiede in der Arzthaftung im Vergleich zum italienischen Ansatz deutlich. Dr. Ernst hob aber auch die europäischen Regelungsansätze in diesem Bereich hervor, die zumindest mittelfristig auf eine Harmonisierung dieser Materie hinwirken werden.

Dr. David Schneeberger, der an den Universitäten Wien und Graz lehrt, führte die vielfältigen Zusammenhänge zwischen künstlicher Intelligenz und der Telemedizin aus. Er zeigte auf, dass der Begriff der künstlichen Intelligenz ein vielschichtiger Begriff ist, wobei die technologischen Entwicklungen der letzten Jahre das Potential dieser Materie – gerade auch im medizinischen Bereich – enorm erweitert haben. Die EU versucht nun –  als Reaktion auf diese Entwicklungen – diese ungemein dynamische Materie regulativ in den Griff zu bekommen.

Den Nachmittag der Tagung gestaltete das „Hasso-Plattner-Institut“ aus Berlin, das – führend in Deutschland – eine breite Paletten von Anwendungsmöglichkeiten der Telemedizin entwickelt hat und im Begriff ist, weiter zu entwickeln.

Das Ergebnis einer Studie zur Telemedizin in Deutschland – gerade in dünner besiedelten Regionen, bspw. in Brandenburg – beeindruckte die Teilnehmer im Besonderen: Die Möglichkeit, auf telemedizinische Leistungen Rückgriff zu nehmen, ist mit einer Verlängerung der Lebenserwartung um durchschnittlich zwei Jahre verbunden!

Die Teilnehmer dieser Veranstaltung waren sich einig, dass diese Arbeiten, in Kooperation zwischen dem Bozner Sanitätsbetrieb, der Universität Innsbruck und der Universität Pavia, fortzuführen seien und dass bereits jetzt Planungen für den Konferenzband und die nächste Tagung aufgenommen werden sollen.

(Peter Hilpold/Michael Mian/Cristina Campiglio)

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