Der gutgefüllte Seminarraum des Institutes für Slawistik am Tag der Tagung.

Der gut gefüllte Seminarraum des Institutes für Slawistik am Tag der Tagung.

Tagung: Wohin mit der russischen Literatur?

Durch den Krieg in der Ukraine geriet auch die klassische russische Literatur in Verdacht, zum imperialen Selbstverständnis des russischen Staates beigetragen zu haben. Besteht diese Kritik zu Recht? Welche Werke, welche Autor:innen kann man überhaupt noch lesen und wenn ja, wie? Welche Verantwortung hat die Slawistik gerade in diesen Tagen?

Seit dem 24. Februar 2022 wurden in der westeuropäischen und amerikanischen Presse immer wieder Angriffe auf die klassische russische Literatur laut. Nicht nur Alexander Puschkin, sondern auch die Realisten des 19. Jahrhunderts wie etwa Leo Tolstoi oder Fjodor Dostojewski gerieten zunehmend unter Druck. Ihre Werke standen im Verdacht, das Großmachtstreben des russländischen Staates vorbereitet zu haben.

Das Innsbrucker Institut für Slawistik hat nun am 6. Juni mit einer Tagung zum Thema „Wohin mit der russischen Literatur? (Re-)Lektüren des Realismus“ auf die prekäre Lage reagiert. Den Auftakt machte Sebastian Donat, Dekan der Philologisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät, mit einer sachkundigen Begrüßung, es folgten Impulsvorträge von sechs Expert:innen aus dem In- und Ausland.

Anja Burghardt (München), Mirja Lecke (Regensburg), Jens Herlth (Fribourg), Gernot Howanitz (Innsbruck), Ulrich Schmid (St. Gallen)) und Andrea Zink (Innsbruck) gingen den Tücken literarischer Kanonisierungsprozesse nach, sie stellten alternative Lektüren klassischer Werke vor und machten auf Autor:innen aufmerksam, die das russländische Imperium von seiner Rändern her unterwandert haben.

Der anschließende, sehr gut besuchte Workshop mit Studierenden der Slawistik, Komparatistik, Geschichte und Translationswissenschaft widmete sich vor allem der Vermittlung russischer Literatur in der slawistischen Lehre. Im Ergebnis zeichnete sich ab, dass das Interesse der Studierenden an den bekannten realistischen Klassikern des 19. Jahrhunderts nach wie vor ungebrochen ist. Die Herausforderung für die Lehre besteht nun darin, diese bleibende Nachfrage mit den dekolonisierenden Tendenzen in der gegenwärtigen slawistischen Forschung in Einklang zu bringen; die Teilnehmer:innen des Workshops waren aber optimistisch, dass die Slawistik adäquat auf diese Herausforderung reagieren kann und auch schon reagiert hat.

(Univ.-Prof. Dr. Andrea Zink, Ass.-Prof. Dr. Gernot Howanitz)

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