Gespräch zwischen zwei Männern an einem Tisch, einer weiß, einer mit dunkler Hautfarbe.

Erhalten anerkannte Geflüchtete Hilfe bei der Wohnungssuche, finden sie nachweislich auch leichter Arbeit. Das unterstützt insbesondere alleinstehende Männer, wie Beispiele aus Westösterreich zeigen.

Un­ter­stüt­zung bei Woh­nungs­su­che hilft Ge­f­lüch­te­ten bei der Ar­beits­markt­-­In­te­gra­tion

Von anerkannten Geflüchteten in Österreich erwartet die Gesellschaft, dass sie sich schnell eine Wohnung und einen Job suchen. Eine Studie an der Universität Innsbruck zeigt, dass Unterstützung bei der Wohnungssuche große Vorteile bei der Integration der Geflüchteten in den Arbeitsmarkt bringt. Doch diese Art der Hilfe ist – je nach Bundesland – bisher sehr unterschiedlich gegeben.

Während aus ihren Herkunftsländern Vertriebene in Österreich auf eine Anerkennung als geflüchtete und asylberechtigte Menschen warten, sind sie zur Untätigkeit verurteilt. Sie sind in Grundversorgungsquartieren untergebracht, die von der öffentlichen Hand finanziert werden, dürfen keiner Erwerbstätigkeit nachgehen und haben nur eingeschränkten Zugang zu Sprachkursen. Das Warten auf die Gewährung des Schutzstatus dauert oft Jahre. Ist die Anerkennung dann gegeben, soll alles schnell gehen. „Von einem Tag auf den anderen wird nun erwartet, dass die Geflüchteten sehr selbstständig agieren, um ihr Leben in Österreich zu organisieren. Innerhalb kürzester Zeit sollen sie die Sprache lernen sowie Arbeit und Wohnraum finden“, betont Fanny Dellinger von der Universität Innsbruck.

Die Ökonomin hat untersucht, wie sich eine Unterstützung der Geflüchteten bei der oft besonders schwierigen Wohnungssuche auswirkt. Die Studie, die im Rahmen des vom Wissenschaftsfonds FWF finanzierten Projekts „Mobilität, Migration und regionale Auswirkungen“ entstand, geht der Frage nach, wie Hilfestellungen bei der Unterbringung der anerkannten Geflüchteten in Österreich organisiert sind und welche Folgen sie für eine weitere große Integrationsleistung haben – das Finden eines Arbeitsplatzes. Die Untersuchung, deren Publikation im Journal Housing Studies vorbereitet wird, ist gleichzeitig auch Teil von Dellingers Dissertation, die sie am Institut für Wirtschaftstheorie, -politik und -geschichte der Universität Innsbruck verfasst.

„Die Wohnungssuche ist aus mehreren Gründen herausfordernd für die Geflüchteten. Zum einen ist da das Sprachproblem. Internetrecherche, Mails schreiben, telefonieren – all das fällt schwer, wenn man sich nicht gut verständigen kann“, beschreibt Dellinger. „Auf der anderen Seite sind viele Wohnungsbesitzer zurückhaltend, wenn es darum geht, an Geflüchtete zu vermieten – schon deshalb, weil die meisten noch ohne eigenes Einkommen dastehen. Zudem leiden viele Geflüchtete unter dem schlechten Ruf ihrer Herkunftsländer. Viele Menschen aus Afghanistan oder Syrien werden stark diskriminiert.“

Viele Geflüchtete wandern nach Wien ab

Die Geflüchteten haben nach der Anerkennung lediglich vier Monate Zeit, eine eigene Unterkunft zu finden – meist dürfen sie nicht länger in ihrer Grundversorgungseinrichtung bleiben. Die Unterstützung, die ihnen dabei zuteilwird, ist von Bundesland zu Bundesland sehr unterschiedlich. „In Kärnten und dem Burgenland gibt es kaum Unterstützung. In Niederösterreich ist die Hilfe auf Familien und auf wenige Bezirke beschränkt; in Salzburg, Oberösterreich und der Steiermark springen NGOs ein, beispielsweise indem sie zwischen vermietenden Personen und Geflüchteten vermitteln und ein Mietausfallrisiko übernehmen“, zählt die Ökonomin auf. „Oft können die gebotenen Chancen aber eine Abwanderung nach Wien nicht verhindern. Dort gibt es nicht nur größere ethnische Communitys, die die Geflüchteten anziehen, sondern auch eine Sozialhilferegelung, die das Wohnen in Wohngemeinschaften im Vergleich zu anderen Bundesländern bevorzugt.“

Im Vergleich aller Bundesländer bieten Tirol und Vorarlberg die meiste Unterstützung bei der Wohnungssuche. Denn hier haben die Geflüchteten die Möglichkeit, über die Viermonatsfrist hinaus in ihrer Grundversorgungsunterkunft zu bleiben. „Wenn sie die Anerkennung bekommen, wird den Flüchtlingen hier ein Untermietsvertrag für jenen Wohnplatz angeboten, an dem sie bereits die Grundversorgungszeit verbracht haben“, schildert Dellinger. „Sie wechseln damit in ein anderes System, ohne aber die Wohnung wechseln zu müssen.“

Unterschiede zwischen alleinstehenden Männern und Männern mit Familie

Wie wirken sich die jeweiligen Unterstützungsvarianten nun auf die Arbeitsmarktintegration der Geflüchteten aus? Um diese Frage zu beantworten, hat Dellinger Registerdaten der österreichischen Sozialversicherungen, die vom Arbeitsmarktservice zur Verfügung gestellt wurden, ausgewertet. Die Ökonomin hat dabei nicht nur auf eine Aufschlüsselung nach Bundesländern fokussiert, sondern auch jeweils zwei verschiedene Gruppen unterschieden: alleinstehende Männer und Männer mit Familie. Durch das Herausarbeiten des Verhältnisses dieser Gruppen kann ausgeschlossen werden, dass die Arbeitsmarkteffekte nicht allein aus regionalen wirtschaftlichen Unterschieden resultieren.

„Die Untersuchung zeigt klar, dass eine stärkere Unterstützung bei der Wohnungssuche auch einen höheren Arbeitsmarkterfolg vor Ort bringt und die Abwanderung in die Bundeshauptstadt gebremst wird“, resümiert Dellinger. In allen Bundesländern zeigt sich dabei ein Vorteil für alleinstehende Männer am Arbeitsmarkt, die eine höhere Flexibilität und Mobilität mitbringen. Allerdings fällt dieser Vorteil in Bundesländern mit wenig Unterstützung – und gerade Alleinstehende haben hier noch weniger Zugang zu Hilfe als Familienväter – deutlich kleiner aus als in Tirol und Vorarlberg: „In den Bundesländern mit wenig Unterstützung schlagen sich die Alleinstehenden am Arbeitsmarkt deutlich schlechter, als zu erwarten wäre“, erklärt Dellinger. „Sie gehen nach Wien, wo die Jobaussichten aber nicht so gut sind. Hier wird viel Potenzial vergeben.“

Bundesweite Regelanpassung und Stärkung von NGOs gefordert

Für die Ökonomin lassen sich aus den Ergebnissen klare Empfehlungen ableiten. Zum einen sollte das erfolgreichere westösterreichische Modell in ganz Österreich Anwendung finden. Gleichzeitig sollte der NGO-Bereich gestärkt und eine überregionale Wohnraumvermittlung angedacht werden, die anerkannte Geflüchtete in Regionen mit hohem Arbeitskräftebedarf bringt. 

Die Daten, die der Untersuchung zugrunde liegen, stammen aus der Zeit vor dem Ukraine-Krieg. Für aus der Ukraine Geflüchtete gelten andere Regelungen. Sie erhalten derzeit temporären Schutz und haben Zugang zum Arbeitsmarkt. Diese Situation bringt eine neue Dynamik: „Geflüchtete aus der Ukraine sind nicht Teil des Asylsystems und erhalten auch keine entsprechenden Sozialleistungen – das könnte sich noch zu einem großen sozialen Problem entwickeln“, so Dellingers Einschätzung. „Gleichzeitig sind Hoffnungen auf neue Impulse für den Arbeitsmarkt wahrscheinlich überzogen. Ein großer Teil der Geflüchteten aus der Ukraine sind alleinerziehende Frauen mit Kindern, die am Arbeitsmarkt, insbesondere aufgrund fehlender Kinderbetreuung, auf große Hürden treffen werden.“

(FWF Scilog/red)

Zur Person

Fanny Dellinger widmet sich in ihrer Dissertation an der Universität Innsbruck der Integration von Geflüchteten in Österreich. Sie hat Volkswirtschaftslehre an der Universität Wien studiert und war am Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) und an der Universität Wien als Junior Researcher tätig. Im Rahmen ihres Doktorats arbeitet Dellinger im Projekt „Mobilität, Migration und regionale Auswirkungen“ mit, das vom Wissenschaftsfonds FWF mit 203.000 Euro gefördert wird. Projektleiter ist Michael Pfaffermayr vom Institut für Wirtschaftstheorie, -politik und -geschichte der Universität Innsbruck.

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