Die Veranstaltung, unter wissenschaftlicher Leitung von Prof. Esther Happacher und Prof. Walter Obwexer, wurde vom Südtiroler Landeshauptmann Arno Kompatscher, dem Rektor der Universität Innsbruck, Prof. Tilmann Märk, und dem Direktor von Eurac Research, Stephan Ortner, eröffnet. Die Beiträge der Referentinnen und Referenten zeichneten aus verschiedenen Perspektiven ein Gesamtbild der Südtiroler Autonomie als komplexes, aber konsolidiertes und allzeit dynamisches System, das den erforderlichen Anpassungsbedarf weiterhin bewältigen wird.
„Autonomie bedeutet Verantwortung“, so eingangs Landeshauptmann Kompatscher. Es gehe darum, den Minderheitenschutz und die Autonomie zu gewährleisten, sich an neue Erfordernisse anzupassen und sich neuen Herausforderungen zu stellen. Prof. Tilmann Märk, Rektor der Universität Innsbruck, betonte die Wichtigkeit von grenzüberschreitendem Austausch und Vernetzung und hob dabei besonders das Institut für Italienisches Recht als „Bindeglied zwischen dem deutschen und italienischen Rechtsraum“ hervor. Als Direktor von Eurac Research unterstrich Stephan Ortner, dass „die Stärke der Forschung die Fähigkeit zur Vernetzung ist, um die besten Antworten für einen Bereich oder ein Territorium zu finden“. Dies gelte auch für die Autonomie.
Im ersten Panel berichteten Zeitzeuginnen und Zeitzeugen aus Wissenschaft und Politik über die Entwicklungen von 1969 bis heute. So zeigten sie insbesondere auf, dass die Entwicklung der Autonomie dynamisch und nicht abgeschlossen ist – auch nicht nach der Streitbeendigungserklärung im Jahr 1992. Dieser Umstand wird durch die fortschreitende europäische Integration nicht nur bestätigt, sondern gar verstärkt. Letztere hat sowohl neue Möglichkeiten und Chancen geschaffen – etwa die Zusammenarbeit in der Euregio –, als auch punktuelle Einschränkungen bewirkt.
Im zweiten Panel erörterten die Vortragenden, in welchem Ausmaß das Zweite Autonomiestatut als rechtliches Fundament des Minderheitenschutzes fungiert. Hervorzuheben ist dabei die Einzigartigkeit der geltenden Schutzmechanismen im italienischen Verfassungssystem, vor allem bezogen auf die Bildung in der Muttersprache, den Sprachgebrauch vor Gericht und in der öffentlichen Verwaltung, den Proporz und die Toponomastik. Diese Besonderheiten erfordern die Möglichkeit, nicht nur in der Verwaltung, sondern auch in der Gesetzgebung eigenständig handeln zu können. Hier wirft die Verfassungsreform von 2001 ihre Schatten auf die Autonomie, zurückzuführen auch auf die zentralistische Rechtsprechung des italienischen Verfassungsgerichtshofs, der vor allem die Notwendigkeit der Einheitlichkeit betont und damit in den letzten Jahrzehnten autonome Handlungsbereiche ausgehöhlt hat. Besonders aktuell ist die Frage des italienischen Aufbau- und Resilienzplans, der durch die fehlende Einhaltung des Verhandlungsprinzips bei seiner Ausarbeitung eine erneute Zentralisierung bewirkt hat. Gleichzeitig spielen Kooperationsmechanismen in der Ausgestaltung der Autonomie eine wesentliche Rolle, und zwar sowohl nach außen in den Beziehungen zum Staat sowie zu den anderen Regionen als auch nach innen im gegenseitigen Verhältnis der Sprachgruppen. Auf diese Weise entsteht durch die Autonomie ein greifbarer Mehrwert für alle Bürger und Bürgerinnen des Landes.
Im letzten Panel standen Überlegungen zu den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen im Mittelpunkt. Zentral bei deren Bewältigung wird sein, die vorhandenen Instrumente bestmöglich zu nutzen, um etwa autonome Kompetenzen wiederherzustellen bzw. zu erweitern. So soll es gelingen, „die Blumen am Wegesrand zu pflücken“, von denen schon Silvius Magnago sprach.
(Sophie Mair/Philipp Rossi/Maria Tischler)