Rund 20 Jahre nach der Erstauflage analysiert nun eine umfassende Neubearbeitung den Gefährdungsgrad aller heimischen Schmetterlinge, trifft Aussagen zu deren Gefährdungsursachen und gibt Empfehlungen zum Erhalt dieser Insektengruppe. Die „inatura– Erlebnis Naturschau Dornbirn“ ist mit der Erstellung der Roten Listen gesetzlich beauftragt. 2501 Schmetterlingsarten sind in Vorarlberg nachgewiesen. Vorarlberg ist zwar flächenmäßig das zweitkleinste Bundesland Österreichs, verfügt aber durch seine geographischen Gegebenheiten über eine beachtliche Vielfalt an unterschiedlichen Lebensräumen. In so gut wie allen dieser Lebensräume sind Schmetterlinge beheimatet. Die Artenvielfalt ist jedoch im Rückgang: Auf Basis von knapp 170.000 Einzelbeobachtungen aus dem ganzen Bundesland wurden alle Schmetterlingsarten von Experten unter der Leitung von Dr. Peter Huemer, Leiter der naturwissenschaftlichen Sammlungen der Tiroler Landesmuseen, nach ihrem Vorkommen und ihrer Häufigkeit in Gefährdungsgrade neu eingestuft. Die Ergebnisse sind bedenklich. Weniger als die Hälfte der erfassten Schmetterlinge, genau 1121 Arten, sind in ihrem Bestand wenig bis nicht gefährdet. Für 1131 Arten reicht die Skala von „Ausgestorben“ über „Stark gefährdet“ bis „Gefährdung droht“, die verbleibenden etwa 250 Arten konnten mangels an Daten nicht beurteilt werden oder es handelt sich um nicht einheimische Falter.
Die Gründe für diese dramatische Lage sind vielfältig. Die Aufgabe von traditionellen Bewirtschaftungsmethoden von Wiesen und Weiden, Intensivierung der Landnutzung, vermehrter Schadstoffeintrag, Bodenversiegelung und Klimawandel sorgen für neue Umweltbedingungen und damit für neue Bedrohungen. In Vorarlberg wird dieser Rückgang der Artenvielfalt seit gut 20 Jahren über die Implementierung von Roten Listen wissenschaftlich fundiert erhoben. Besonders bei den Schmetterlingen kann auf eine lange Beobachtungszeit zurückgegriffen werden. Bereits seit mehr als 100 Jahren werden sie in Vorarlberg erforscht. Seit zwei Jahren erfassen Laienforscher*innen zusammen mit Expert*innen im Rahmen des „Viel-Falter: Tagfalter-Monitoring“ unter der Leitung des Biodiversitätsforschers Dr. Johannes Rüdisser vom Institut für Ökologie der Universität Innsbruck die Vorkommen der heimischen Tagfalter. Die Daten aus diesem Monitoring fließen als wichtiger Beitrag in die nun neu erschienene Rote Liste ein.
Für Österreich gibt es bisher kaum belastbare Daten zur Entwicklung von Insektenpopulationen, da ein entsprechendes Monitoring fehlt oder sich ausschließlich auf Kulturlandschaft beschränkt. Einzig für die Gruppe der Tagfalter wird in Tirol seit 2017 und in Vorarlberg seit 2020 ein systematisches Monitoring durchgeführt. Ermöglicht wird dies durch das am Institut für Ökologie der Universität Innsbruck unter der Leitung von Johannes Rüdisser entwickelte System „Viel-Falter: Tagfalter-Monitoring“. „Rote Listen und das systematische Monitoring häufiger Arten sind die zwei wichtigsten, sich ergänzenden Instrumente zur Beobachtung der Biodiversität. Rote Listen dokumentieren die voranschreitende Erosion der Biodiversität. Dabei geht es heute beim Natur- und Biodiversitätsschutz nicht etwa nur darum, die eine oder andere seltene Art zu schützen, sondern um den Erhalt von Biodiversität insgesamt. Ein umfassender Schutz der Biodiversität ist nicht zuletzt für den Erhalt der Lebensqualität des Menschen von essentieller Bedeutung“, betont Johannes Rüdisser.
Waren Rote Listen ursprünglich dazu gedacht, auf den drohenden Artenverlust aufmerksam zu machen, so entwickelten sie sich rasch zu einer wichtigen Entscheidungsgrundlage für den praktischen Naturschutz. Als einziges Bundesland in Österreich hat Vorarlberg die Erstellung der Roten Listen gesetzlich verankert. Die „inatura – Erlebnis Naturschau Dornbirn“ wurde als zentrale Dokumentationsstelle der Natur Vorarlbergs in der Naturschutzverordnung mit der Erstellung und Herausgabe dieser Roten Listen beauftragt. „Die Neuauflage einer Roten Liste ist ein langfristiger Prozess. Zunächst müssen historische und aktuelle Daten zu den jeweiligen Tier-, Pilz- oder Pflanzenarten bewertet werden. In denjenigen Gebieten Vorarlbergs, in denen uns noch zu wenig Verbreitungsdaten zur Verfügung stehen, müssen im Vorfeld zusätzlich Forschungsarbeiten durchgeführt werden. Dies alles zu initiieren, organisieren und zu lenken, ist unsere Aufgabe,“ so Anette Herburger, Teamleiterin des Bereichs Forschung der inatura.
„Das Land Vorarlberg ist das einzige Bundesland Österreichs, das die Erstellung von Roten Listen in seinem Naturschutzgesetz verankert hat. Das heißt: Wir haben gesetzlich verankert wichtige Alarmsysteme, die uns direkt eine Rückmeldung geben, welche Arten in Vorarlberg vom Aussterben bedroht sind. Um dem Artensterben entgegenzuwirken, brauchen wir weitreichenden Klima-, Umwelt- und Naturschutz und vor allem auch eine Veränderung unseres Verhaltens: Bodenversiegelung, intensive Landwirtschaft, klimatische Veränderung etc. zerstören Lebensräume. Die Klimakatastrophe betrifft nicht nur uns Menschen, sondern auch die Pflanzen und Tiere in unserer Umgebung. Sie alle unterliegen einem hohen Anpassungsdruck. Wenn wir nichts tun, stehen auch wir bald auf dieser Liste,“ so Landesrat Daniel Zadra.
(inatura/red)