Symbolbild: Arbeiten am Computer

Studierende in den Sozial- und Geisteswissenschaften an der Uni Innsbruck sind aktiv am Forschungsprozess beteiligt.

Pra­xi­ser­fah­run­gen abseits vom Labor

Ob Übung im Labor oder Freiland-Exkursion: Praxiserfahrungen bei naturwissenschaftlichen Studien sind keine Seltenheit. Die folgenden drei Beispiele zeigen allerdings, dass auch Studierende in Sozial- und Geisteswissenschaften an der Uni Innsbruck aktiv am Forschungsprozess beteiligt sind.

Der Politikwissenschaftler Martin Senn stand in der Vorbereitung des Sommersemesters 2021 vor der Frage, wie er seine Masterstudierenden im Rahmen der pandemiebedingten Online-Lehre motivieren kann. Seine Antwort darauf: „Schreiben wir doch gemeinsam ein Buch!“ In seinem Seminar „Ordnungen und Wandel in den internationalen Beziehungen“, das im Sommersemester 2021 vollständig digital durchgeführt wurde, haben die Studierenden gemeinsam mit ihm an der Erstellung eines Buchmanuskripts gearbeitet, das sich mit der Vielfalt weltpolitischer Ordnungsformen im 20. und 21. Jahrhundert beschäftigt. „Dieses Projekt war von drei Zielen angeleitet: Erstens sollte die Arbeit an einer gemeinsamen Publikation die Motivation der Studierenden in einer Phase der ausschließlich virtuellen Lehre aufrechterhalten, bzw. erhöhen.  Zweitens sollten die Studierenden ihre Fertigkeiten in der Entwicklung argumentativer Texte festigen und ausbauen. Und drittens sollte  ihnen durch das Projekt ein Einblick in die verschiedenen Phasen eines Publikationsprojektes gegeben werden“, erklärt Martin Senn, Professor am Institut für Politikwissenschaft.

Wertvolle Erfahrung

Die Master-Studierenden im Fach „Europäische und Internationale Politik“ Annika Bielefeld, Maximilian Thaler und Tamara Rode waren Teil dieser Lehrveranstaltung. In Gruppen haben sie gemeinsam mit anderen Studierenden jeweils ein Kapitel des inzwischen erschienenen Buches „Welt der Ordnungen“ erarbeitet. „Der wesentliche Mehrwert dieser Erfahrung lag für mich darin, dass ich einen ersten konkreten Beitrag zur bestehenden Forschung leisten konnte. Darüber hinaus war es auch eine willkommene Abwechslung, die dieses Seminar mit seinem Format der Zusammenarbeit der gesamten Seminargruppe sowie seiner außergewöhnlichen Zielsetzung bot“, beschreibt der 24-jährige Südtiroler Maximilian Thaler. Gemeinsam mit Annika Bielefeld, 23, aus Bayern, hat er das Kapitel über die Ordnungsform der Hegemonie für den Sammelband verfasst. „Die im Projekt verstärkte Zusammenarbeit schaffte Zusammenhalt und ein ‚Wir-Gefühl‘ zwischen sämtlichen Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Seminars und brachte eine intensivere Beschäftigung mit dem Thema mit sich. Natürlich war es spannend, mit Studienkolleginnen und -kollegen das über die letzten Jahre angeeignete Wissen zum Verfassen akademischer Arbeiten in die Praxis umsetzen zu können“, so Bielefeld. Auch die 25-jährige Tamara Rode aus Norddeutschland bestätigt die wertvolle Lernerfahrung im Seminar: „Während meines weiteren Studiums absolvierte ich ein Praktikum in Wien und konnte in diesem Zusammenhang auch den Ständigen Rat der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) besuchen. Ich war sehr froh, dass ich den Kurs vorher absolviert und so ein tieferes Verständnis für die verschiedenen Beziehungen zwischen den Ländern aus den sieben Theorien, über die im Buch geschrieben wird, hatte.“ Die drei Studierenden raten auch angehenden Studierenden ihrer Studienrichtung, sich aktiv am Forschungsprozess zu beteiligen und das vielfältige Angebot der Uni Innsbruck zu nutzen. „Genießt die Studienzeit, seid neugierig, nutzt die vielfältigen Angebote der Uni, traut euch, eure Komfortzone zu verlassen, fragt nach, diskutiert mit und beißt euch durch, auch wenn es manchmal zäh ist, es lohnt sich“, so Annika Bielefeld.

Das Mas­ter­stu­dium Politikwissenschaft: Europäische und internationale Politik gibt den Stu­dieren­den einen ver­tiefen­den Ein­blick in die Themen­bereiche der verglei­chenden, euro­päischen und inter­nationalen Poli­tik. Zudem wird den Stu­dieren­den ein brei­tes Spek­trum an sozial­wissen­schaftlichen Metho­den zur Ana­lyse von Poli­tik vermittelt.

Schauriges auf Italienisch

Studierende im Masterstudium Translationswissenschaft hatten im Sommersemester 2021 die Möglichkeit, im Rahmen einer Lehrveranstaltung unter der Leitung von Mag. Dr. Saverio Carpentieri sieben Kurzgeschichten aus dem im Jahr 2020 erschienenen Buch „Tiroler Teufelstanz: 16 düster-schaurige Sagen aus Nord-, Ost- und Südtirol“ ins Italienische zu übersetzen. Das literarische Übersetzungsprojekt erfolgte in direkter Zusammenarbeit mit dem Innsbrucker Autor des Buchs, Christian Kössler, der die Leserinnen und Leser durch seine Kurzgeschichten an seiner Begeisterung für das Unheimliche und Unerklärliche teilhaben lässt. Im Buch greift er altüberlieferte Sagen aus Nord-, Ost- und Südtirol auf und verlegt sie in die Gegenwart. 

Am Projekt nahmen acht Studierende teil, davon vier deutscher und vier italienischer Muttersprache. In vier Zweiergruppen – jeweils ein*e Studierende*r deutscher und ein*e Studierende*r italienischer Muttersprache – setzten sich die Übersetzer*innen intensiv mit den Sagentexten auseinander und knöpften sich Hexen, Gespenster und weitere unheimliche Gestalten vor. Mit Hingabe und Kreativität übertrugen sie das Gänsehaut-Feeling erfolgreich ins Italienische. Eine besondere Herausforderung stellte dabei die Übersetzung der aus dem 19. Jahrhundert stammenden Originaltexte der Sagen dar, die den einzelnen Kurzgeschichten zugrunde liegen. Einer der am Projekt beteiligten Studierenden war Simone Ustali, 26, aus Follonica in Italien. „Ich hatte im Laufe des Projektes immer das Gefühl, dass ich Teil von etwas Wichtigem bin, da die Übersetzung des Buches dann von einem Verlag veröffentlicht und jemand meine Übersetzung lesen wird“, so Ustali. Und auch der ebenfalls aus Italien stammende 23-jährige Riccardo La Corte freute sich über die Möglichkeit an einem Praxisprojekt dieser Art mitzuarbeiten: „Durch die konkrete Arbeit an einem solchen Projekt versteht man besser, wie ein zukünftiger Übersetzungsauftrag aussehen wird und lernt, wie man sich darauf am besten vorbereiten kann. Man lernt auch mit anderen zusammenzuarbeiten, was später in der Arbeitswelt sehr relevant ist.“ Positive Auswirkungen auf das Berufsleben konnte Simone Ustali bereits erfahren: „Ich stehe kurz davor, mein Studium abzuschließen und bin derzeit auf Arbeitssuche. Mögliche Arbeitgeber zeigten sich bei Bewerbungsgesprächen sehr beeindruckt von dieser Praxiserfahrung, die ich bereits während des Studiums sammeln konnte.“

Das Master­studium Trans­lations­wissen­schaft baut auf den im Bachelor­studium erwor­benen fach­spezi­fischen Kompe­tenzen auf und vermit­telt neben trans­lations­theore­tischem Wissen und berufs­kundlichen Orien­tierungen gemäß den drei Möglich­keiten der Speziali­sierung (Fach­kommuni­kation, Literatur- und Medien­kommuni­kation und Konferenz­dolmetschen), Kennt­nisse, Techniken und Fertig­keiten für die professio­nelle Aus­übung von hoch­qualifi­zierten trans­lations­spezifischen Tätig­keiten.

Auswirkungen der Distanzlehre

Die Frage, wie es den Studierenden mit der pandemiebedingten Lehre ergangen ist, hat sich ein Team von Erziehungswissenschafter*innen angesehen. Die Masterstudierende Johanna Jegg aus Rosenheim hatte als studentische Mitarbeiterin die Gelegenheit, den Erziehungswissenschaftler Univ.-Prof. Fred Berger dabei zu unterstützen. „Studierende von Prof. Berger haben im Rahmen einer Lehrveranstaltung einen Fragebogen zum Thema ‚Distanzlernen an der  Universität Innsbruck in Zeiten der Corona-Pandemie‘ erarbeitet; ich habe diesen dann mit Prof. Berger gemeinsam finalisiert und den Studierenden der Uni Innsbruck online zur Verfügung gestellt“, erklärt Johanna Jegg. Neben ihrem inhaltlichen Input hat die 25-jährige auch die technische Umsetzung des Fragebogens übernommen, nach Abschluss der Befragung den Datensatz bereinigt und die deskriptiven Analysen für den Kurzbericht berechnet. „Die Daten aus den 913 retournierten Fragebögen zeigen, dass der Distanzunterricht an der Uni Innsbruck im Sommersemester 2021 vor dem Hintergrund einer guten technischen Ausstattung der Studierenden und eines zum Großteil recht gut funktionierenden Austausches zwischen Dozierenden und Studierenden stattfand“, fasst Jegg die Ergebnisse der Studie zusammen. „Es geht aus den Ergebnissen allerdings auch hervor, dass der Distanzunterricht im dritten aufeinanderfolgenden Semester von mehr als der Hälfte der Studierenden als starke bis sehr starke Belastung wahrgenommen wurde. Die Studierenden wünschten sich in der großen Mehrheit den Präsenzunterricht zurück. Sie sahen aber durchaus auch Vorteile, die mit dem Distanzlernen verbunden sind und konnten nach eigenen Aussagen während des Distanzunterrichts teilweise ihre Kompetenzen des selbstregulierten Lernens verbessern.“ Ihre Mitarbeit bei der Konzeption, Durchführung und Auswertung der Studie sieht Johanna Jegg als wesentlichen Mehrwert für ihr Studium. „Ich habe von der Arbeit sowohl inhaltlich als auch methodisch profitiert“, so Jegg, die auch künftigen Studierenden rät, Möglichkeiten zur aktiven Mitarbeit an einem Forschungsprojekt wahrzunehmen. „An einem Forschungsprozess selbst mitzuwirken, ermöglicht ein viel umfassenderes Verständnis für Wissenschaft.“

Das Master­studium Erziehungs­wissen­schaft vermit­telt ein hoch­speziali­siertes und ver­tieftes Wis­sen über den Gegen­stands­bereich der Erziehungs- und Bildungs­wissenschaft. Ein Schwer­punkt kann theo­retisch, metho­disch und prak­tisch ver­tieft werden wie beispiels­weise allge­meine Erziehungs­wissenschaft, Gender, Psycho­analyse, Migra­tion u. a.

Dieser Artikel ist in der aktuellen Ausgabe des Magazins wissenswert erschienen.

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