Eine Schaltanlage, viele grüne Röhren in einer grünen Fabrikhalle

Das Treibhausgas SF6 wird unter anderem zur Isolierung in solchen Schaltanlagen eingesetzt.

Neues Ver­fah­ren zur Zer­set­zung des stärks­ten Treib­h­aus­ga­ses

An der Universität Innsbruck hat ein Forschungsteam um den Chemiker Fabian Dielmann ein einfaches Verfahren zur Zersetzung des stärksten Treibhausgases Schwefelhexafluorid (SF6) entwickelt. Dabei werden Produkte erhalten, die zur Herstellung fluorierter Verbindungen dienen können.

Kohlenstoffdioxid (CO2) ist aufgrund seines Beitrags zur globalen Erderwärmung in aller Munde. Es gibt jedoch Gase, die in der Atmosphäre eine vielfach höhere Treibhauswirkung entfalten. Das chemisch extrem reaktionsträge (inerte) Gas Schwefelhexafluorid (SF6) ist in dieser Hinsicht der Spitzenreiter. Das Treibhauspotential von SF6 ist 22.800-mal höher als von CO2, weswegen es als eines der sechs Treibhausgase des Kyoto-Protokolls seit 1997 stark reglementiert ist und nur noch in wenigen Anwendungen eingesetzt werden darf, in denen es mangels gleichwertiger Alternativtechnologien derzeit nicht ersetzbar ist.

Neben Anwendungen in der Metallurgie und der Medizin wird SF6 vor allem als Isolier- und Lichtbogenlöschgas in der Elektroindustrie eingesetzt – dort allerdings im Multi-Tonnenmaßstab. Trotz aller Bemühungen zur Emissionsvermeidung steigt die Konzentration von SF6 in der Atmosphäre weiter an, was auch damit zusammenhängt, dass die Entsorgung von verbrauchtem SF6 aufgrund seiner extremen chemischen Inertheit technisch aufwendig und energieintensiv ist.

Vor diesem Hintergrund arbeitet das Forschungsteam um Fabian Dielmann am Institut für Allgemeine, Anorganische und Theoretische Chemie der Universität Innsbruck an der Entwicklung von einfachen Methoden zur chemischen Zersetzung von SF6 unter milden Bedingungen. Dabei soll die Entsorgungsfrage mit einer Wertschöpfung im Sinne einer Kreislaufwirtschaft verbunden werden. Diesem Ziel ist die Innsbrucker Forschungsgruppe nun einen entscheidenden Schritt nähergekommen.

Verwertbare Reaktionsprodukte

Die Forschungsgruppe zeigte, dass kommerziell erhältliche Phosphane – Verbindungen aus einem Phosphoratom mit drei organischen Gruppen – unter bestimmten Voraussetzungen zur Zersetzung von SF6 eingesetzt werden können. Computergestützte und experimentelle Studien belegen, dass die Zersetzung des SF6-Moleküls über einen photochemischen Elektronentransfer ausgelöst wird. „Besonders vielversprechend im Hinblick auf ein skalierbares Verfahren zur Zersetzung von SF6 ist die Verwendung von Triphenylphosphan, das ein günstiger und ungiftiger Feststoff ist, der an Luft gehandhabt werden kann“, betont Dielmann. Bei Bestrahlung mit UVA-Licht zersetzt Triphenylphosphan so SF6 innerhalb weniger Stunden. Es wird kein Lösungsmittel für diesen Prozess benötigt und die Reaktionsprodukte sind ebenfalls Feststoffe.

Diese können anschließend wertschöpfend in Fluorierungsreaktionen eingesetzt werden, wie z.B. für die Herstellung wichtiger Leitsalze für elektrochemische Anwendungen. „Ob sich dieser einfache Zersetzungsprozess tatsächlich für die Entsorgung von SF6 im großen Maßstab eignet, z.B. nach dem technischen Einsatz in elektrischen Schaltschränken, ist eine äußerst spannende Frage. Dank der finanziellen Unterstützung des Förderkreises 1669 der Universität Innsbruck können wir dieser mit der Entwicklung eines Prototyps zur SF6-Zersetzung nachgehen.“

Phosphane lassen sich anpassen

Die Verwendung von Phosphanen zur Aktivierung von SF6 bietet einen weiteren Vorteil, da die Eigenschaften von Phosphanen über die am Phosphoratom gebundenen Gruppen genau angepasst werden können. In einer zweiten Arbeit hat die Forschergruppe gezeigt, dass mit einem derart maßgeschneiderten Phosphan, das sperrige, elektronenverschiebenden Gruppen trägt, die Zersetzung von SF6 nach der Übertragung von einem F-Atom auf das Phosphan gestoppt wird. Dadurch entsteht ein Salz, das ein chemisch inertes Kation und ein SF5-Anion enthält. "Im Vergleich zu anderen SF5-Salzen ist unser Reaktionsprodukt außerordentlich temperaturstabil. Wir haben gezeigt, dass unser SF5-Salz für die Synthese neuer fluorierter Gruppen eingesetzt werden kann, die für die Materialchemie oder sogar für medizinische Anwendungen von Interesse sind“, sagt Dielmann mit Blick in die Zukunft.

Die Ergebnisse wurden in den Fachzeitschriften Green Chemistry und Angewandte Chemie veröffentlicht.

(Fabian Dielmann)

Veröffentlichungen:

Solvent-free photochemical decomposition of sulfur hexafluoride by phosphines: formation of difluorophosphoranes as versatile fluorination reagents
Philipp Rotering, Christian Mück-Lichtenfeld, Fabian Dielmann
Green Chem. 2022, DOI: 10.1039/d2gc02172b; https://doi.org/10.1039/D2GC02172B

Oxidative Fluorination of Selenium and Tellurium Compounds using a Thermally Stable Phosphonium SF5- Salt Accessible from SF6
Tobias Eder, Florenz Buß, Lukas F. B. Wilm, Michael Seidl, Maren Podewitz, Fabian Dielmann
Angew. Chem. Int. Ed. 2022, e202209067, https://doi.org/10.1002/anie.202209067

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