Mann schiebt Fahrrad neben einer Straße in Sansibar

Radfahrer an einer Straße in Sansibar

Feh­lende Infras­truk­tur erschwert Social Distan­cing

Wissenschaftler*innen der ETH Zürich, des Schweizerischen Tropen- und Public-Health-Instituts und der Universität Innsbruck haben eine Risikokarte entwickelt. Diese zeigt, in welchen afrikanischen Gebieten fehlende Infrastruktur zu einer schnelleren Ausbreitung von ansteckenden Krankheiten führen kann.

Die Corona-Pandemie hat Menschen rund um den Globus vor Augen geführt, wie wichtig das eigene Verhalten ist, um die Ausbreitung von Krankheiten einzuschränken. Doch ist es überall auf der Welt überhaupt möglich, Abstandsregeln einzuhalten? Dieser Frage sind Forschende der ETH Zürich, des Schweizerischen Tropen- und Public-Health-Instituts (Swiss TPH) und der Universität Innsbruck in einem interdisziplinären Forschungsprojekt am Beispiel von Afrika nachgegangen. Die Ergebnisse der Studie wurden in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht.

Johannes Seiler vom Institut für Statistik der Universität Innsbruck wirkte als Co-Autor am Paper mit und war an der Aufbereitung, Analyse und Interpretation der erhobenen Daten beteiligt. Unter anderem Entwickelte er dafür einen Code in der Programmiersprache R und führte Teile der Berechnungen an der High-Performance-Computing Infrastruktur LEO der Universität Innsbruck durch.

Große nationale und regionale Unterschiede

Für die Studie benutzten die Forschenden Daten aus aktuellen Haushaltsbefragungen durch die jeweiligen nationalen Statistikinstitute von 34 afrikanischen Ländern. Insgesamt wurden 273.000 Haushalte befragt. Die Analyse zeigt: vielen Haushalten fehlt es an einfachster Infrastruktur, die notwendig wäre, um Abstandsregeln einzuhalten. Zum Beispiel müssen Trinkwasser oder Toiletten häufig mit anderen Haushalten geteilt werden.

Zwischen den einzelnen Ländern und auch regional zeigen sich allerdings große Unterschiede. So ist beispielsweise die Lage in Nigeria deutlich herausfordernder als in Namibia, in Südafrika haben die nordöstlichen Regionen einen größeren Infrastrukturmangel als der Rest des Landes.

Zudem fehlt nicht überall die gleiche Infrastruktur. Während in Benin die meisten Haushalte ihre sanitäre Anlagen teilen müssen, mangelt es in Äthiopien in erster Linie an privaten Transportmöglichkeiten. Die Analyse zeigt, dass zur Pandemiebekämpfung nicht nur die Gesundheitssysteme ausgebaut und ein gerechterer Zugang zu Impfstoffen gewährleistet werden muss, sondern auch mehr in private Infrastruktur investiert werden sollte.

Wie die Studie zeigt, hat fehlende Infrastruktur nicht nur ökonomische Ursachen. Der ermittelte „physical distancing index“ (PDI), also der Mangel an Infrastruktur, um Abstandsregeln einhalten zu können, korreliert nicht mit dem Bruttoinlandprodukt (BIP) eines Landes. In Ghana beispielsweise ist das BIP vergleichsweise hoch, doch der Mangel an privater Infrastruktur deutlich prekärer als in Mosambik, das ein wesentlich tieferes BIP hat.

Eine hoch aufgelöste Risikokarte

Aus den Umfrageergebnissen ermittelten die Wissenschaftler*innen zunächst sechs Faktoren, die für die Einhaltung von Abstandsregeln wichtig sind. Dazu zählen die Anzahl der Bewohner pro Zimmer, Trinkwasser im Haushalt oder der Besitz eines Mobiltelefons, um auch auf Distanz kommunizieren zu können. Zudem berücksichtigen die Forschenden die Bevölkerungsdichte. Mittels einer sogenannten Hauptkomponentenanalyse entwickelten sie anschließend einen Index, der auf einer Skala von 0 bis 100 aufzeigt, wie schwer es für die Bevölkerung ist, den Kontakt mit erkrankten Personen zu meiden. Die Forschenden konnten zeigen, dass dieser Index stark mit den Corona-Fallzahlen innerhalb der Länder korreliert.

Die so entwickelte hochaufgelöste Risikokarte gibt Aufschluss darüber, in welchen Gebieten eines Landes die Möglichkeit, Abstand zu halten, am schwierigsten ist und sich Krankheiten deshalb schneller ausbreiten. Diese könnte Regierungen dabei unterstützen, zur Pandemiebekämpfung zielgerichtet in bestimmte Regionen zu investieren und Impfkampagnen durchzuführen oder fehlende Infrastruktur aufzubauen.

(ETH Zürich/Red)

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